8. Apr. 2018 · 
Bildung

Uni Göttingen plant für Politikwissenschaft eine Doppelspitze

Die Überlegungen in der Universität Göttingen, den dortigen Politikwissenschaften eine neue inhaltliche Ausrichtung zu geben, sind offenbar vom Tisch. Wie das Politikjournal Rundblick aus Uni-Kreisen erfahren hat, wird inzwischen ein Professor gesucht, der wie der im vergangenen Jahr in den Ruhestand gewechselte Franz Walter seinen Schwerpunkt in der Parteien- und auch der Extremismus-Forschung hat. Die Rede ist von einer angeblichen „Doppelspitze“ – denn daneben könnte noch ein weiterer Professor tätig werden, der sich bisher mit der amerikanischen Geschichte des 19. Jahrhunderts beschäftigt hat. Im Gespräch ist der deutsche Historiker Sven Beckert aus Frankfurt, der derzeit an der Harvard-Universität in den USA lehrt. Als der Name von Beckert Anfang März in Göttingen kursierte, schossen gleich Vermutungen ins Kraut, eine grundsätzliche Neuprofilierung der Politikwissenschaften sei von der Uni-Spitze geplant. Dazu passte auch der Hinweis an die 60 Mitarbeiter des Instituts, dass sie ihre bisherigen Forschungsprojekte beenden, aber vorerst keine neuen starten dürften. Das weckte Erinnerungen an das Jahr 2005, als der damalige Uni-Präsident Kurt von Figura eine Neustrukturierung der Politologie schon einmal geplant hatte und damit gescheitert war. Seinerzeit war gar über eine Zerschlagung spekuliert worden. In der aktuellen Debatte fühlten sich vor allem Schüler und Anhänger des langjährigen Göttinger Politologie-Professors Franz Walter aufgerufen, für den Erhalt des Instituts zu kämpfen. Walter hat als Parteienforscher einen Namen, er hat sein Wirken stets auch so verstanden, dass er damit in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden wollte. Die Untersuchung der Vorgänge in den Parteien – über Grüne, SPD und Piratenpartei bis hin zu rechtspopulistischen Strömungen – war der Kern seiner Arbeit gewesen. Walter musste gesundheitsbedingt im vergangenen Jahr seine Stelle aufgeben, seither ist die Führungsspitze des Instituts verwaist. Wie inzwischen aus Uni-Kreisen zu hören ist, wird sowohl eine Neuordnung als auch eine Ergänzung der Politikwissenschaften in Göttingen geplant. Vor zwei Wochen bereits teilte die Uni-Leitung mit, dass die sozialwissenschaftliche Fakultät eine neue Professur für die Walter-Nachfolge „ausschreiben und so bald wie möglich besetzen“ werde. Wenn die Person gefunden sei, werde diese mit der kommissarischen Leitung des Instituts, der Fakultät und der Uni-Leitung über das zukünftige Konzept beraten. Dabei sei darauf zu achten, „dass das jetzige Profil grundsätzlich erhalten bleibt“. Allerdings ist das offenbar keine Absage an den Plan, mit der Berufung von Beckert noch einen weiteren – neuen – Schwerpunkt im politikwissenschaftlichen Bereich der Uni zu schaffen. In diesem Punkt ist allerdings ein völlig anderes Verfahren vorgesehen. Die Universität müsste sich bei der Humboldt-Stiftung für eine Humboldt-Professur bewerben, also eine fünfjährige Bezuschussung einer wissenschaftlichen Stelle. Der Antrag würde dann lauten, dass die Göttinger gern Beckert anwerben wollen und mit ihm wissenschaftlich arbeiten wollen. Folgt die Humboldt-Stiftung dem Antrag (eine Entscheidung wird im Mai fallen), so wäre eine längere Förderung garantiert. Erst dann allerdings könnte die Uni mit Beckert überhaupt Verhandlungen über eine Berufung führen. Frühestens 2019 könnte er dann seinen neuen Posten an der Uni aufnehmen, wenn denn die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden sollten.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #66.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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