Als Russland vor zwei Jahren die Ukraine überfiel, zeigte sich rasch, wie eng die Verflechtungen des internationalen Agrarmarktes sind. Sowohl Russland als auch die Ukraine zählen zu den weltweit größten Exporteuren von Getreide, Raps und Mais. Als Ernährer der Welt fiel zumindest die Ukraine dann aber vorerst aus, was vor allem in Afrika die Gefahr von Hungersnöten verschärfte aber auch die Veredelungsbranche in Europa hart traf. In Deutschland wurde zudem in Folge von Sanktionen und gesprengten Lieferketten nicht nur die Energie teurer, sondern auch Kali-Dünger und Biofuttermittel wurden ein knappes Gut.

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Vieles habe sich seitdem normalisiert, berichtet Albert Hortmann-Scholten, der Agrarmarktexperte der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Aber ein neues Problem hat sich im Laufe der Zeit herausgeschält: „Die Situation ist schon bemerkenswert. Wir erleben einen anhaltenden Preisdruck beim Getreide, vor allem bei Weizen und den Ölsaaten“, sagt Hortmann-Scholten im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.

Auch beim Deutschen Bauernverband beobachte man mit Sorge, „dass immer wieder ukrainisches Getreide in größerer Menge auf den deutschen und europäischen Markt drängt und hier, wo es nicht benötigt wird, einen starken Preisdruck entfacht“, sagt DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken dem Politikjournal Rundblick. „Wir haben die paradoxe Situation, dass ukrainisches Getreide die europäischen Läger flutet und gleichzeitig die Entwicklungs- und Schwellenländer Versorgungsprobleme haben.“

„Das ist ein erster Vorgeschmack darauf, was passieren könnte, wenn man die Ukraine in die EU aufnimmt.“

Wie kommt es zu dieser Situation? Sowohl Russland als auch die Ukraine hätten zuletzt trotz des Krieges gute Ernten eingefahren und suchten nun Abnehmer im Ausland, um Devisen zu erhalten, erklärt Hortmann-Scholten. Der Export über das Schwarze Meer sei zwar wieder möglich, allerdings noch immer mit hohen Risiken und deshalb Kosten verbunden, weshalb die Vermarktung nach Europa auf dem Landweg für die ukrainischen Bauern lukrativ erscheint.

Die EU hat es ihnen zudem auch besonders leicht gemacht. Denn als ein Zeichen der Solidarität dürfen die ukrainischen Landwirte derzeit in die EU-Staaten zollfrei Waren liefern. Die direkten Anrainer-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien sowie Bulgarien wurden von dieser Ausnahmeregelung inzwischen zwar ausgenommen. Die Güter dürfen aber weiterhin durch diese Länder nach Mitteleuropa weitertransportiert werden. Dort gelangen die Waren aus der Ukraine, die dort unter deutlich geringeren Standards produziert worden sind, auf einen ohnehin angespannten Agrarmarkt.

Getreide, Raps und Mais sind dabei längst nicht mehr die einzigen ukrainischen Exportgüter, die den hiesigen Bauern Sorgen bereiten. Auch Geflügelfleisch und Flüssig-Ei oder Milchpulver aus der Ukraine seien inzwischen zollfrei im EU-Markt angekommen, erklärt Hortmann-Scholten und sagt: „Das ist ein erster Vorgeschmack darauf, was passieren könnte, wenn man die Ukraine in die EU aufnimmt.“ Zuvor müssten die Produktionsstandards in der Ukraine an das höhere EU-Niveau angepasst werden.

„Die Getreidepreise sind seit dem Höhepunkt im Mai/Juni 2022 relativ stetig gesunken.“

Prof. Stephan v. Cramon-Taubadel vom „Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung“ der Universität Göttingen beurteilt den Einfluss der ukrainischen Waren auf den europäischen Markt derweil ein kleines bisschen anders. „Die Getreidepreise sind seit dem Höhepunkt im Mai/Juni 2022 relativ stetig gesunken“, erläutert der Agrarwissenschaftler im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Es wäre jedoch übertrieben, diese globale Entwicklung einseitig den Warenströmen aus der Ukraine zuzuschreiben.

In der aktuellen Situation einen Importstopp für ukrainische Güter zu verhängen, hält er aus zweierlei Gründen für schwierig. Zum einen erhöhen ukrainische Exporte das Angebot auf den Weltmärkten, was zu niedrigeren Preisen führt. Dies sei wichtig insbesondere für ärmere Länder, beispielsweise in Afrika, die auf Importe von Lebensmitteln angewiesen sind und unter den hohen Preisen der letzten Jahre gelitten haben. Zum anderen bräuchten die Ukrainer weiterhin dringend die Unterstützung der EU-Staaten. Neben Waffenlieferungen zählt er dazu auch Unterstützung beim Agrarhandel.



Die Sorgen der deutschen Landwirte kann Prof. v. Cramon-Taubadel allerdings auch nachvollziehen. Zu verstehen seien diese allerdings eher vor dem Hintergrund der insgesamt schwierigen Situation der Branche sowie des geplanten EU-Beitritts der Ukraine. Dadurch würde ein schlagkräftiger Konkurrent die Wettbewerbsverhältnisse im EU-Binnenmarkt nachhaltig verändern. Es müsse eine Angleichung der Produktionsstandards in der Ukraine an das Niveau der EU stattfinden, bilanziert Prof. v. Cramon-Taubadel fast wortgleich mit Hortmann-Scholten. Das brauche Zeit und müsse jetzt gründlich vorbereitet werden.