Ukraine-Botschafter mahnt: Wir brauchen mehr Churchills und weniger Chamberlains

Zwei Tage nach dem dritten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine hat der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, den Zusammenhalt in Europa angemahnt. „Unsere Freiheit ist unteilbar, unsere Sicherheit ist unteilbar“, sagte der Botschafter am Mittwoch zu Beginn der Plenarsitzung des niedersächsischen Landtags. Die Zeichen der Unterstützung seien für die Ukrainer sehr wichtig, berichtete Makeiev. Zu hören, dass die Deutschen an der Seite der Ukrainer stehen, leiste einen Beitrag dazu, dass Soldaten, Zivilisten, Lehrer und Ärzte einen europäischen Rückhalt spüren würden. „Wenn wir wissen, dass wir mit unserem europäischen Partner nicht nur zusammenstehen, sondern auch zusammen kämpfen, macht uns das stärker.“ Der Botschafter mahnte an: „Dieser Krieg darf nie in den Hintergrund treten, weil das leider unser gemeinsamer Krieg ist.“ Russland führe einen Krieg gegen ganz Europa, zitierte er seinen polnischen Botschafter-Kollegen. „Wir in der Ukraine fühlen uns im dritten Weltkrieg – und das ist die Realität“, sagte Makeiev und forderte in Anspielung auf die britische Appeasement-Politik der 1930er-Jahre „mehr Churchills und weniger Chamberlains“. Frieden sei die Belohnung für die Starken und deshalb sei ein starkes Europa die einzige Option und Zusammenhalt sei die entscheidende Voraussetzung dafür. Es sei an der Zeit, dass Europa den Frieden zurückgewinnt. Doch Frieden falle nicht vom Himmel, Frieden und Demokratie müssten verteidigt werden. Niemand wolle diesen Frieden so sehr wie die Ukrainer, dafür werde jeden Tag gekämpft, sagte Makeiev. Doch Russland attackiere die Ukraine seit Beginn der sogenannten „Friedensgespräche“ täglich. Allein in der vorangegangenen Nacht seien die ukrainischen Städte Kiew und Charkiw von 176 Drohnen angegriffen worden.
Botschafter Makeiev dankte Niedersachsen für die konkrete Unterstützung, die das Land in Form von Städte- und Regionalpartnerschaften leiste. Dies sei mehr als ein Zeichen der Solidarität, sondern konkrete Hilfe. In Mykolajiw helfe die niedersächsische Landeshauptstadt Hannover beim Wiederaufbau, insbesondere bei der Wasserversorgung. Diese kritische Infrastruktur werde von Russland immer wieder gezielt angegriffen und zerstört. Die Bewohner der Stadt seien deshalb dankbar für die technische Unterstützung etwa mit Wasserpumpen aus Niedersachsen. Darüber hinaus bringe sich Niedersachsen ein, indem medizinische Güter und Prothesen geliefert und medizinisches Personal ausgebildet werden, außerdem werden Rehabilitationszentren, Schulpartnerschaften und Trauma-Behandlungsprogramme unterstützt. Makeiev bat allerdings darum, aus den richtigen Motiven heraus zu handeln: „Ich bitte Sie, auch in diesen schwierigen Zeiten nicht so viel aus Mitleid zu tun, sondern bitte auch aus Bewunderung dafür, dass so viele Millionen Ukrainer jeden Tag einen Beitrag dazu leisten, dass Frieden in Europa wieder hergestellt wird. Alles, was wir machen, machen wir nicht für die Länder, sondern für die Menschen.“
„Angesichts der Bundestagswahl wäre es ein leichtes, aus den Augen zu verlieren, was uns doch allen vor Augen stehen sollte“, erklärte Niedersachsens Landtagspräsidentin Hanna Naber gleich zu Beginn des 23. Tagungsabschnitts des Landesparlaments. „Was undenkbar schien ist zum unerträglichen Dauerzustand geworden. Wer glaubte, Krieg gebe es nur in fernen Ländern, den haben die zerstörerischen Kriegshandlungen eines schlechteren belehrt.“ Naber sagte, man dürfe sich nicht daran gewöhnen, dass Krieg im Europa des 21. Jahrhunderts zum Alltag geworden sei. Es sei inzwischen keine theoretische Frage mehr, was der Preis der Freiheit sei, erklärte sie in Anspielung auf den Titel einer Ausstellung, die aktuell noch bis zum 21. März in der Portikushalle des Landtags zu sehen ist. Gezeigt werden Aufnahmen, die den Kriegsalltag in der Ukraine abbilden. Zu sehen seien etwa Alte, Kranke und Kinder, die in U-Bahn-Stationen Schutz vor den Raketen suchen, oder Eltern, die auf den Tafeln, die die Toten verkünden, nach den Namen ihrer vermissten Kinder Ausschau halten. Die Präsidentin sprach von einem Zeichen der Unterstützung, das Parlament und Regierung mit der Ansprache des Botschafters senden wollen. Ungeteilt war diese Unterstützung allerdings nicht. Der Applaus in den Reihen der AfD-Fraktion kann als zögerlich beschrieben werden. Einige Abgeordnete verzichteten gar komplett darauf, den Botschafter mit Beifall zu begrüßen. Andere wirkten unsicher, wie sie sich verhalten sollten. Den stehenden Ovationen nach der Ansprache des Botschafters schlossen sich derweil alle Abgeordneten an, auch die der AfD.
Dieser Artikel erschien am 27.02.2025 in der Ausgabe #039.
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