Tonnes Appell: Lehrer sollen in der Schule über den Ukraine-Krieg reden
Eine gute Woche nach Kriegsbeginn hat das niedersächsische Kultusministerium Empfehlungen für Lehrkräfte herausgegeben, wie Putins Angriff auf die Ukraine am besten im Unterricht thematisiert werden sollte. Kultusminister Grant Hendrik Tonne weicht dabei bewusst vom bisherigen Kurs des Ministeriums ab.
Schülern soll es ermöglicht werden „zur Unterrichtszeit an Demonstrationen, Solidaritätskundgebungen oder Friedensveranstaltungen“ teilzunehmen, ohne dass es als unentschuldigtes Fehlen gewertet wird. „Ich richte meine Bitte an die Schulen, dies nicht als Schulpflichtverletzung zu sanktionieren und die Teilnahme zu genehmigen“, so der Minister. Außerdem soll das Mäßigungsgebot, nachdem Lehrer im Unterricht nicht politisch Position beziehen dürfen, nicht für den Ukrainekrieg gelten. „Es ist wichtig, dass wir und Sie als Lehrkräfte eindeutig Position dafür beziehen, dass Angriffe auf die Menschenrechte und auf grundlegende völkerrechtliche und demokratische Prinzipien nicht hinnehmbar sind“, heißt es in einem Brief des Ministers an die Lehrer. Auf dem Bildungsportal des niedersächsischen Kultusministeriums finden Lehrkräfte weitere Empfehlungen und Informationen zur Schulpsychologie.
„Dass unterschiedlich damit umgegangen worden ist, das ist unbestreitbar. Ich erlebe aber an ganz vielen Schulen, dass es eine sehr breite Form gibt, damit umzugehen.“
Grant Hendrik Tonne
Das Politikjournal Rundblick hatte am Donnerstag darüber berichtet, dass in mehreren Schulen die Lehrer den Ukraine-Krieg erst Tage später oder bisher gar nicht im Unterricht erwähnt hatten. „Dass unterschiedlich damit umgegangen worden ist, das ist unbestreitbar. Ich erlebe aber an ganz vielen Schulen, dass es eine sehr breite Form gibt, damit umzugehen“, betonte Tonne daraufhin am Freitag in der Landespressekonferenz. „Es kann auch bei Lehrkräften selbstverständlich vorkommen, dass sie Zeit brauchen, wie sie mit dieser Situation umgehen wollen.“ Diesen Eindruck bestätigten auch zahlreiche Leserbriefe, die zu dem Thema beim Politikjournal Rundblick eingingen. So erklärte der Vater eines Gymnasiasten im Landkreis Rotenburg (Wümme): „Hinsichtlich der Behandlung des Themas im Unterricht ist überwiegend Fehlanzeige zu vermelden.“ An einer weiterführenden Schule im Landkreis Peine hingegen „zirkulierte bereits vor der Invasion die Aufforderung, dieses Thema im Unterricht zu behandeln“, so ein anderer Leser. „Da wird viel an den Schulen bereits geleistet und das trotz bekannter Probleme, mit denen Lehrkräfte im Alltag konfrontiert sind und die sie eigentlich davon abhalten.“ Auch an der BBS Walsrode und der Oberschule Hodenhagen wurde der Krieg in der Ukraine thematisiert, wie der Lehrer Thorsten Zimmer erzählt. „Eine 8. Klasse in meinem Musikunterricht beschäftigt der Krieg dermaßen, dass sie ein Stück Programmmusik entworfen haben, in dem sie ihre persönlichen Ängste und Eindrücke vertonen.“
Gymnasium Soltau veranstaltet Thementag zum Krieg in der Ukraine
Ein weiteres positives Beispiel ist das Gymnasium Soltau, das als Zeichen der Solidarität seit Kriegsbeginn eine ukrainische Flagge vor dem Schulgebäude gehisst hat. Zusätzlich wurde am vergangenen Donnerstag ein Thementag zum Krieg in der Ukraine veranstaltet und in der großen Pause das Friedenssymbol auf dem Sportplatz gebildet. Das Besondere: Zeitgleich fand diese Aktion auch in der polnischen Partnerschule in Brzesko statt, die etwa zwei Autostunden von der ukrainischen Grenze entfernt liegt. „Täter und Opfer lassen sich in diesem Konflikt zweifelsfrei benennen“, schrieb dazu Schulleiter Volker Wrigge in einem Rundschreiben an die Elternschaft. „Wir haben daraufhin ungewohnt viele positive Rückmeldungen bekommen“, erzählt Wrigge im Gespräch mit dem Rundblick.
„Täter und Opfer lassen sich in diesem Konflikt zweifelsfrei benennen.“
Volker Wrigge
Im Rundschreiben positionierte er sich auch klar gegen abweichende Meinung, wie zum Beispiel die Aussage, dass der Westen Putin zu sehr gereizt habe. „Diesen Personen sei dringend empfohlen, ihre Meinungen noch einmal einem kritischen Faktencheck zu unterziehen und zwar in unabhängigen Medien.“ Diese Haltung vertritt der Schulleiter auch im Umgang mit Schülern. So habe sich bei der Friedensdemo ein Schüler geweigert mitzumachen, weil die Sicht auf den Ukraine-Krieg zu einseitig sei, schilderte Wrigge. „Ich habe den Schüler dann gefragt, ob er so eine Meinung wohl auch in Russland offen sagen dürfe“, sagt Wrigge. Der Schulleiter hätte sich dennoch gewünscht, dass das Ministerium etwas früher Hinweise herausgegeben hätte, wie man mit der Ukraine am besten im Unterricht umgehen soll. „Für die ein oder andere Schule wäre das sicherlich schön gewesen. Wir haben das zum Glück nicht gebraucht.“
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