Tierschützer protestieren: Elternschutz muss im Jagdgesetz weiter gelten
Im Oktober will der Landtag ein neues Jagdgesetz verabschieden, um für die drohende Gefahr durch die Afrikanische Schweinepest (ASP) gerüstet zu sein. Der Gesetzesentwurf enthält weitreichende Befugnisse für die Jäger. Allerdings geht das Naturschützern und auch einigen Jägern viel zu weit. Denn der Entwurf ermöglicht es unter anderem, Elterntiere während der Aufzuchtzeit zu schießen.
Der CDU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Landesjägerschaft, Helmut Dammann-Tamke, versichert, bei dieser Neuerung ginge es nur darum, der obersten Jagdbehörde diese Möglichkeit einzuräumen, falls die ASP ausbreche. „Der Ermächtigungskatalog ist erst mal nicht für die jagdliche Praxis gedacht“, sagte Dammann-Tamke kürzlich im Landwirtschaftsausschuss. Doch der Gesetzesentwurf vermittelt einen anderen Eindruck. Denn künftig sollen in Niedersachsen auch Wildarten während der Elternzeit gejagt werden dürfen, für die das Bundesjagdgesetz keine Ausnahmen vorsieht. Für die von der ASP gefährdeten Wildschweine gibt es die Ausnahme allerdings schon, nur für Rehe und Damtiere bisher nicht. Und für die Nutrias (eine Biberart) wird die Erlaubnis zur Jagd auf Elterntiere sogar explizit im Entwurf genannt. „Hier soll unter dem Deckmantel der Seuchengefahr das legalisiert werden, was viele, schlecht ausgebildete Hobbyjäger ohnehin schon tun. Denn die können gar nicht einschätzen, ob ein Wildschwein oder ein Reh Nachwuchs hat“, sagt der Jäger Seeben Arjes.
Arjes lebt im Heidekreis, ist seit genau 60 Jahren Jäger und war viele Jahre als Förster tätig. Früher hat ihn die Jagd fasziniert, erzählt er, doch mittlerweile kann er ihr nur noch wenig abgewinnen. Vor allem, nachdem er über zwanzig Jahre lang in der Nachsuche tätig war, also das Wild aufgespürt und getötet hat, das den Jägern schwer verletzt entkommen ist. „Die Jagd hat sich sehr verändert. Der Kommerz hat sie völlig vereinnahmt.“ Heute gehe es nicht mehr darum, in den Wald zu gehen, um ein Tier zu schießen, das man anschließend isst. „Heute zählen nur noch Abschussquoten und die Trophäen, die man sich später an die Wand hängt.“ Auch die Ausbildung zum Jäger sei wesentlich oberflächlicher geworden. „Heute kann man den Jagdschein schon in ein paar Wochen machen, früher musste man alle vier Jahreszeiten einmal aus Jägersicht erlebt haben“, sagt Arjes. Der Hobbyjäger von heute habe deshalb nicht genug Wissen und könne viele gesetzliche Bestimmungen, etwa zum Elterntierschutz, gar nicht einhalten.
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Anders als bei den Wildschweinen dient die geplante Aufhebung der Schonzeit von Elterntieren bei den Nutrias einem anderen Zweck. Da die Biberratte eingewandert ist und daher kaum natürliche Feinde hat, vermehrt sie sich sehr schnell. Experten sehen in den Tieren eine Gefahr für den Deich- und Hochwasserschutz, weil die Tiere ihre Höhlen nahe am Wasser graben. In Anbetracht der Summen, die es koste, die Dämme wiederherzurichten, sei die Jagd auf die Nutrias notwendig, um die Population kleinzuhalten, heißt es im Gesetzesentwurf. Allerdings bekämen Nutrias mehrfach im Jahr Junge und es sei für einen Jäger kaum zu erkennen, ob das Tier Nachwuchs habe.
Aus Sicht des Landestierschutzverbands ist diese Maßnahme „eine Bankrotterklärung für den Tierschutz wie auch die Jagd selbst.“ Anstatt Maßnahmen zu ergreifen, die nicht tödlich wirken, werden Elterntiere getötet und damit in Kauf genommen, dass die Jungtiere verhungerten. Auch der Naturschutzbund Nabu fordert einen Managementplan anstelle der ganzjährig erlaubten Jagd auf Nutrias. Die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte sieht darin einen Tabubruch, der Schule machen könnte. „Nutrias sind ja nicht die einzigen Tiere, die als Schädlinge gesehen werden. Dann trifft es als nächstes zum Beispiel den Waschbären.“ Arjes geht indessen davon aus, dass die erweiterten Befugnisse nur wenig an der Zahl der Tiere ändern werden. „Bei anderen, zur Jagd freigegebenen Tierarten sieht man, dass die Jäger eine Population nicht eindämmen können, wenn sie allein dafür zuständig sind. Das wird auch bei den Nutrias nicht anders sein.“