Das Taxi-Gewerbe verzweifelt an der Bürokratie in Niedersachsen. „Die Trägheit einiger Verkehrsbehörden ist eine Schande und absolut inakzeptabel“, schimpft Benjamin Sokolovic, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN), über die Genehmigungspraxis bei den Taxi-Tarifen im Land. Für Sokolovic grenzt das Verhalten einiger Behörden geradezu an Arbeitsverweigerung. „In einem Großteil der über 50 Städte, Landkreise und Kommunen ist immer noch nicht der Mindestlohn von 12 Euro eingepreist worden“, sagt er.

Der Jurist erinnert daran, dass die Unternehmen nicht „Herr ihrer Preise“ sind und spricht von „existenzbedrohenden“ Zuständen: „Das geht voll zu Lasten unserer Mitglieder und ihrer Mitarbeiter. Insbesondere die Personalkosten treiben den Mitgliedern Schweißperlen auf die Stirn.“ Dabei ist die Lösung aus Sicht des GVN-Hauptgeschäftsführers ganz einfach: „Wir brauchen einen einheitlichen Niedersachsen-Tarif.“
Konkret geht es dem Branchenverband darum, die Zahl der Taxi-Tarife von aktuell 53 auf zwei zu reduzieren. Aktuell haben nicht nur alle Landkreise und kreisfreien Städte einen eigenen Tarif, sondern auch etwa die Inseln Borkum und Norderney oder kreisangehörige Städte wie Hildesheim, Celle und Goslar. Aus Sicht des Taxi-Gewerbes reicht es völlig aus, wenn es für Niedersachsen nur noch zwei Preismodelle gibt: eines für die städtischen und eines für die ländlichen Bereiche. „Davon werden nicht nur Unternehmer und Mitarbeiter, sondern auch die Verbraucher profitieren – durch mehr Transparenz“, behauptet Sokolovic.

Tatsächlich ist es für Taxi-Anbieter von wachsender Bedeutung, dass ihre Preise schon vor Fahrtantritt feststehen und dem Kunden mitgeteilt werden können. „Wir müssen in die Mobilitätsketten rein“, betont Michael Frenzel, Geschäftsführer von „Leine-Taxen“ und Vorstandsvorsitzender der Hannoverschen Funk-Taxi-Zentrale. Wer online eine Reise bucht, erwarte schließlich auch eine möglichst verbindliche Preisauskunft. Aufgrund der komplizierten Tarifstruktur könnten viele Taxi-Reise-Apps diese für Taxi-Fahrten aber nicht zur Verfügung stellen. Das habe dann entweder den Effekt, dass Taxi-Verbindungen überhaupt nicht von den App-Anbietern berücksichtigt oder von den Kunden mangels Transparenz abgestraft werden. Laut Frenzel steht die gesamte Taxi-Sparte des GVN hinter der Forderung ihres Hauptgeschäftsführers. Ein entsprechender Beschluss sei von den Mitgliedern einstimmig gefasst worden.

Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) ließ kürzlich seine Unterstützung für die Forderung aus der Taxibranche durchblicken. Auch er finde die Idee eines Niedersachsen-Tarifs für den Taxi-Verkehr sehr sympathisch. „Mobilitätsgarantie heißt nicht nur Busverkehr, sondern auch On-Demand-Verkehre“, betonte Lies. Für eine große niedersächsische Taxi-Tarifreform ist das schon fast die halbe Miete: Laut dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sind nämlich die Landesregierungen für die Festlegung der Beförderungsentgelte zuständig.
Allerdings ist es in den Flächenländern üblich, diese Aufgabe an die Landkreise und kreisfreien Städte zu übertragen, weshalb es in Deutschland rund 390 verschiedene Taxi-Tarifzonen gibt. Neben Hamburg, Bremen und Berlin hat aber auch das Saarland einen Einheitstarif. In der Landeshauptstadt Saarbrücken ist das Taxifahren deswegen auch genauso teuer wie im kaum besiedelten Landkreis Merzig-Wadern. Als Ausgleichsmaßnahme gilt für Wegstrecken über zehn Kilometer ein um 40 Cent höherer Kilometerpreis als für Fahrtstrecken, die kürzer als zwei Kilometer sind. Touren zwischen zwei und zehn Kilometer kosten 20 Cent weniger pro Kilometer.
Unzufrieden ist die niedersächsische Taxi-Branche auch mit der Förderung der Elektromobilität. „Das Taxi der Zukunft muss elektrisch sein“, hob zwar Verkehrsminister Lies hervor. Die Wirklichkeit sieht allerdings so aus, dass die Bundesförderung für E-Taxen unter der Ampelkoalition eingestellt wurde und es keine Unterstützung vom Land gibt. Zudem berichten die Unternehmer, dass Standorte für Ladesäulen von den Kommunen – wenn überhaupt – nur in sehr begrenztem Rahmen zur Verfügung gestellt werden. Auch hier blicken die Taxi-Anbieter neidvoll nach Hamburg, das im April 2021 das Förderprogramm „Zukunftstaxi“ gestartet hat und den Anteil von Elektrofahrzeugen mit Taxameter von fünf auf 325 steigern konnte. Diese Zahl soll noch in diesem Jahr verdoppelt werden. Etwa 12 Prozent der Hamburger Taxiflotte ist bereits mit alternativen Antrieben unterwegs.

Überhaupt gilt die Hansestadt als das Musterbeispiel für eine gelungene Regulierung des Taxi-Markts – auch deswegen, weil schwarze Schafe der Branche durch Kontrollen aussortiert werden und die Verkehrsbehörde auch die Wettbewerber von Uber, Moia und „Free Now“ streng überwacht. Aus Sicht der Taxi-Unternehmer wäre es also Zeit für eine große Taxi-Reform in Niedersachsen mit mehr Fordern und Fördern, damit sich die Branche in Zukunft nicht nur mittels von den Krankenkassen finanzierten Krankentransporten über Wasser halten kann.
