Darum geht es: In der Linkspartei ist ein Streit über das künftige Führungspersonal ausgebrochen. Dazu ein Kommentar von Klaus Wallbaum:
Es gibt sie also noch, die Linkspartei in Niedersachsen. Dass sich parteiintern eine heftige Debatte darüber entwickelt, ob die vier altgedienten Bundestagsabgeordneten wieder die Landesliste für die nächste Wahl anführen sollen, spricht sehr für die Lebendigkeit der Organisation. Was wäre wohl geschehen, wenn die Wiederaufstellung der bestehenden Mannschaft widerspruchs- und diskussionslos hingenommen worden wäre? Der Landesverband hätte dann das Image eines verschlafenen, erschlafften und antriebslosen Vereins – müde und ohne Ehrgeiz. Das ist nun offensichtlich nicht so. Mit der Linken muss man hierzulande also weiterhin rechnen.
Aber Personalfragen sind immer auch Richtungsfragen. Für Niedersachsen bedeutsam ist dabei nicht nur, ob eine Verjüngung und Erneuerung klappt. Es geht auch darum, wie sich der Landesverband zur Landtagswahl im Januar 2018 aufstellt. Die Liste für die Bundestagswahl kann dafür schon ein Gradmesser sein. Kann der Spiritus rector der niedersächsischen Linken, der Vordenker, Kampagnenmacher und Strippenzieher, seine bisherige Machtstellung behaupten? Es geht um den Musikmanager und Bundestagsabgeordneten Diether Dehm, einen Mann mit vielen Qualitäten, der allerdings auch wie kaum ein anderer die Menschen polarisiert. Seine Anhänger schätzen seinen wachen Geist, sein unkonventionelles Auftreten und die Gabe, auf Andersdenkende zuzugehen. Er ist eine Type. Seine Gegner meinen, Dehm sei ein Provokateur um der Provokation willen, er gehe mit zugespitzten Äußerungen zu weit und setze dabei die feste Verankerung im linken Spektrum aufs Spiel. Erst jüngst hat er beispielsweise gegen „zu viel political correctness“ gewettert – eine Position, die für viele bei der Linkspartei ein Tabu ist. Der Jugendverband Solid, dessen Vorstand massiv gegen seine neue Kandidatur für den Bundestag mobil macht, spricht von „irritierenden Gesprächspartnern“ Dehms. In der Tat: Der Bundestagsabgeordnete, Unternehmer und Millionär nennt den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff seinen Freund, arbeitet eng mit CSU-Urgestein Peter Gauweiler zusammen und pflegt seit seiner Zeit in der SPD gute Kontakte zu Parteigrößen in Niedersachsen, auch zu Stephan Weil.
Ende des Monats, beim nächsten Delegiertentreffen, könnte Dehm abgestraft werden. Wenn er bei der Aufstellung der Liste für die Bundestagswahl das Opfer wird und durchfällt, ist seine Autorität dahin. Dann ist offen, ob es in der kommenden Zeit eine andere prägende Figur der Linken geben wird und wer diese Rolle übernehmen könnte. Wenn Dehm sich aber durchsetzt, bleibt sein Gewicht – auch für die Zeit nach der nächsten Landtagswahl. Und dort wäre ja durchaus denkbar, dass SPD, Grüne und Linke eine Mehrheit bilden können. Mit Dehm könnte ein solches Projekt, auch wegen seiner guten Kontakte zur SPD und zur Bundestagsfraktion der Linken, bestimmt besser gelingen als ohne ihn – denn mit Dehm wäre die Partei für Sozialdemokraten und Grüne kalkulierbarer. Die Linke hat also ihr Schicksal selbst in der Hand. Ob sie sich im Vorwärtsdrang zur Erneuerung selbst ein Bein stellen wird?
Mail an den Autor dieses KommentarsDieser Artikel erschien in Ausgabe #3.