TagesKolumne: Was darf die Regierung?
An manchen Tagen lassen sich die politischen Ereignisse, die das Land prägen, unter eine gemeinsame Überschrift fassen. Dieser 2. Mai 2024 war so ein Tag. Die Überschrift lautet: „Wie weit gehen die Rechte der Regierung – und überschreitet sie die Position des Landtags als gewählter Volksvertretung?“ Es geht also, kurz gesagt, um das schöne alte Prinzip der Gewaltenteilung. Demnach trifft die Volksvertretung die grundlegenden Entscheidungen über Gesetze, die in öffentlicher Debatte unter Einbeziehung der Meinung aller möglicher Gruppen festgelegt werden. Die Regierung ist dann für die Ausführung zuständig – und muss sich dabei „an Recht und Gesetz halten“, darf also nicht einmal den Anschein von Willkür vermitteln.
Das ist im Kern das, was die „Büroleiter-Affäre“ von Ministerpräsident Stephan Weil ausmacht. Gestern hat der Untersuchungsausschuss zu dieser Frage das erste Mal getagt, mehrere Zeugen wurden vernommen. Es gibt Zeitgenossen, die rümpfen angesichts dieser Arbeit die Nase und meinen, die Beförderung einer Mitarbeiterin, und sei es auch eine Genossin, rechtfertige doch keine so intensive politische Befassung des Landtags. Aber die, die das sagen, verkennen den tieferen Grund: Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Büroleiterin des Ministerpräsidenten mit Nachdruck gegen erhebliche Widerstände der Fachbeamten in Finanzministerium und Staatskanzlei hochgestuft werden sollte. Als das engere Umfeld des Ministerpräsidenten dann merkte, dass die Gegenwehr nach dem bestehenden Regelwerk zu groß war, wurde der Plan entwickelt, das Regelwerk eben mal zu ändern. Dann wurde die Mitarbeiterin in Windeseile auf Basis eines neuen Rechts mit einem AT-Vertrag bedacht, ohne dass die neue Vorschrift schon allgemein bekannt gegeben wurde. Die Veröffentlichung geschah erst, als die Medien diesen Vorgängen auf die Schliche gekommen waren. Warum das alles so lief und wer daran gedreht hat, will der Ausschuss aufklären. Da liegt noch ein gehöriges Stück Arbeit vor den Abgeordneten.
Auch das zweite große Thema der Landespolitik kreist um die Rechte der Regierung. Der Staatsgerichtshof in Bückeburg urteilte über eine Klage des AfD-Abgeordneten Stephan Bothe. Bothe wollte die Vornamen der 19 Tatverdächtigen wissen, die in der Silvesternacht 2022 auf 2023 an mehreren Orten in Niedersachsen randaliert haben sollen. Die Regierung verweigerte die Auskunft dazu – und verwies auf „schutzwürdige Interessen Dritter“. Die spannende Frage war vom Gericht zu klären, was nun in diesem konkreten Fall stärker wiegt – das Auskunftsrecht der Abgeordneten gegenüber der Regierung, oder das Persönlichkeitsrecht von Tatverdächtigen. Zu der Entscheidung der Richter lesen Sie heute mehr.
Die andere Bückeburger Entscheidung betrifft die Frage, wie schnell die Landesregierung eine Gesetzesänderung durch den Landtag bringen kann – auch dann, wenn objektiv die Eilbedürftigkeit gar nicht gegeben ist. Es geht um das kommunale Verschuldungsrecht und die Unzufriedenheit des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), der sich wegen einer tatsächlichen Frist zur Anhörung zu dem Gesetzentwurf unter Zugzwang gesetzt sah. In nur fünf Tagen nämlich, meinte der NLT, habe er sich dazu äußern sollen. Das gehe beim besten Willen nicht.
Zu all diesen Fragen rund um Regierung, Parlament und Rechtsanwendung, die im heutigen Rundblick breiten Raum einnehmen, kommt dann noch ein Text über die Bilanz der jüngsten Hannover-Messe hinzu – und der Grundtenor ist hier: Optimismus.
Abschließend noch ein kleiner, nicht sehr ernst gemeinter Hinweis an die Opposition, die immer darauf aus ist, die gerade Regierenden abzulösen. Warum sollte man das tun, fragte sich der 2006 verstorbene Lyriker Wolfgang J. Reus. Er meinte:
„Warum die Regierung übernehmen? Sie über-nimmt sich doch immer selbst…“
Ich wünsche Ihnen trotz allem einen entspannten Freitag,
Klaus Wallbaum
Karrieren, Krisen & Kontroversen
Meilensteine der niedersächsischen Landespolitik
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