Ich erlebe dieser Tage in meinem direkten Umfeld ein deutlich gesteigertes Bedürfnis, sich über Politik auszutauschen. „Ich muss da jetzt mal drüber sprechen“, sagte beispielsweise meine Cousine neulich, als wir uns im Feierabend trafen. Wir analysierten dann zunächst ihre persönlichen Wahl-O-Mat-Ergebnisse, nahmen eine Nachbetrachtung des jüngsten TV-Duells vor und beratschlagten, wie sich die Wahlrechtsform auf die Bedeutung der Erststimme auswirken könnte. Ich lieb‘s.

Wahlkampf ist für Politiknerds vermutlich in etwa so intensiv wie die Uefa-Champions-League für wahre Fußballfans. Da ich keine Ahnung habe, wie sich die Champions-League überhaupt zusammensetzt, ist dieser Vergleich zwar etwas gewagt. Aber vielleicht passt er ja auch gerade deshalb so gut. Fußballfans müssen sich die meiste Zeit ihres Lebens schließlich auch nicht so wahnsinnig viel mit Politik beschäftigen.
Zurzeit sieht das aber ganz anders aus. Es fühlt sich eher so an wie Weltmeisterschaft im eigenen Land: Plötzlich ist das alles ganz nah dran. Wie diese Bundestagswahl die Menschen umtreibt, erkennt man an der regen Teilnahme an den verschiedenen Demonstrationen der vergangenen Tage. Noch deutlicher wird der Politik-Hype an den Nutzerzahlen des Wahl-O-Mat. Und spitzt man die Ohren, hört man die Diskussionen sogar an jeder Straßenecke.
Woher kommt diese allgemeine Elektrisierung? Der Wahlkampf in diesem Jahr wirkt insgesamt besonders überdreht, ja sogar: überreizt. Ein Blick auf die Begriffe, die diesen Wahlkampf bisher geprägt haben, erklärt vielleicht schon ausreichend, wie ich das meine: Ampel-Aus. Sittliche Reife. D-Day. Offene Feldschlacht. Operation Silberlocke. Tünkram. Fritze Merz. Verscholzt. Windräder der Schande. Brandmauer. Tabubruch. Manöver. Märchenschloss. Politikwechsel. Migrationswende. Hofnarr.
Da knistert es, aber nicht romantisch. Kein Wunder also, dass sich diese Anspannung überträgt. Wie schön wäre es, wenn die Politisierung doch kein Krisensymptom wäre – sondern Teil der Lösung.
Im Politikjournal Rundblick nehmen wir nun schon die Zeit nach der Wahl in den Blick, darum geht’s heute:
Starten Sie gut in die letzte Wahlkampf-Woche!
Ihr Niklas Kleinwächter