Ein kalter Winterwind hat die leere Pappschachtel in den Hauseingang geweht. Jemand in der Nachbarschaft hatte es sich offenbar daheim gemütlich gemacht. „Deko-Schale mit vier Teelichtern“ stand auf der Schachtel. Hm. Ich hätte das, was da abgebildet ist, als „Adventskranz“ bezeichnet. Im Prospekt des Gartencenters das Gleiche: Das Ding ist rund, hat vier Kerzen, soll aber kein Adventskranz sein, sondern ein „Kerzenhalter aus Teakholz“. Als ich anfing, mich zu wundern, fiel mir das schöne alte Treppenhaus der katholischen Grundschule ein, durch das ich jede Woche zum Pilates-Training gehe. Dort stand schon vor dem ersten Advent – nein, natürlich kein Adventskranz, sondern ein vollständig geschmückter Tannenbaum. Ja, ich weiß: Fans des frühen Tannenbaums argumentieren, dann „haben sie noch etwas davon“ – bevor sie sich in den Weihnachtsurlaub verabschieden oder auf Familienbesuch fahren. Sogar im Vatikan erstrahlt am zweiten Advent schon der Christbaum. 

Nicht mit mir. Ich zünde eisern jeden Tag zwei Kerzen an und freue mich auf die dritte. Und nächste Woche freue ich mich auf die vierte. Na gut, manchmal denke ich auch: Noch so viel zu tun und so wenig übrig von diesem Jahr, wären wir doch noch bei Kerze eins. Aber ich versuche, mich zu freuen. Auch wenn nicht ganz klar ist, worauf. Weihnachten, haben wir im Zuge des Erwachsenwerdens gelernt, kommt sowieso – ob wir den Zauber spüren oder nicht. Selbst wer mit dem Fest noch eine christliche Hoffnung verbindet, muss einsehen: Mit der Geburt eines Kindes vor zweitausend Jahren ist nicht alles gut geworden. Und dieses Jahr wird es wieder nicht klappen.

Aber könnte es nicht ein bisschen besser werden? Vielleicht ist uns die Fantasie abhandengekommen, worin das bestehen könnte. Die Statistik sagt: Wer arm ist, bleibt arm – und zieht die nächste Generation mit hinein. Wer arbeitslos ist, bleibt arbeitslos – trotz Fachkräftemangel. Von den Krisen, die uns alle betreffen, brauche ich hier gar nicht anzufangen. Parteien und Politiker haben Konjunktur, die in die Vergangenheit blicken und das als Neuanfang verkaufen. Jetzt, in der Jahreszeit der Wünsche, würde ich mir gerne so etwas Altmodisches wie „Sehnsucht“ gönnen. Dieses Gefühl, dass es besser werden könnte, auch wenn man noch nicht genau weiß, wie. Dafür zünde ich gerne mal eine Kerze an. Also: Eine Kerze nach der anderen.

In Niedersachsen tut sich viel, aber es bleibt auch viel zu wünschen übrig:

  • Ministerpräsident Stephan Weil erwartet weiter eine Einigung im VW-Tarifkonflikt noch vor Weihnachten – und er sieht schon Fortschritte auf diesem Weg in seiner Regierungserklärung im Landtag.
  • Niemand weiß so genau, welche und wie viele Ärzte Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Sowohl Rot-Grün als auch die CDU fordern Transparenz.
  • Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Büroleiter-Affäre beendet seine Arbeit – und der Vorsitzende Dirk Toepffer äußert scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft Hannover. Diese habe die Tätigkeit des Landtagsgremiums nicht ernst genommen – und das sei untragbar.
  • Asylbewerber müssen ab Montag mit Karte zahlen. Nur 50 Euro pro Monat dürfen in bar abgehoben werden.

Ich wünsche Ihnen einen Mittwoch mit Kerzenschein und, optional, ein bisschen Sehnsucht.

Ihre Anne Beelte-Altwig