Wenn Sie diese Kolumne lesen, klingen in Olaf Scholz wohl noch die letzten Töne seines Großen Zapfenstreichs nach. Im Schein von hunderten Fackeln spielte das Stabsmusikkorps am Montagabend drei Stücke auf Wunsch des scheidenden Kanzlers. „In My Life“ von den Beatles, Bachs Brandenburgisches Konzert Nr. 2 sowie – wie sollte es anders sein – „Respect“ von Aretha Franklin.

Beim Kirchentag in Hannover verriet Scholz am Freitag, wie sehr ihm das Aussuchen der Lieder gefallen habe. „Die Liederauswahl war schön, weil es nicht so substanziell um Deutschland geht.“ Überhaupt hält er sich ja für sehr entscheidungsfreudig – wir erinnern uns an: „Wer Führung bestellt, der kriegt Führung.“ Was die Dauer des vorgelagerten Meinungsfindungsprozesses angeht, hat er nun präzisiert: „Man darf nicht länger brauchen, als es die Situation erfordert.“ Dem Musikkorps hat die Zeit zur Vorbereitung wohl gereicht.
Entscheidend bei der Auswahl der Lieder war für Scholz offenbar, dass der Titel eine gute Botschaft hat, aber der Inhalt dann auch zur äußeren Verpackung passt. „Man sieht mal, was in den Texten steht“, sagte Scholz über die Freuden des Liederaussuchens. Einen Song, mit dessen Titel er sich wohl ganz gut identifizieren konnte, habe er dann aufgrund des Inhalts aber doch nicht auswählen können. „80 Millionen“ von Max Giesinger gefiel dem Kanzler gut, sieht er sich selbst doch stets nur als „ein Vierundachtzigmillionstel aller Deutschen“. Noch ein Liebeslied war dann aber doch nicht das Richtige für den Hardcore-Hanseaten.
Ein weiterer Titel, der Scholz gefiel, der es dann aber doch nicht ins Liedblatt des Zapfenstreichs geschafft hat, ist „Power to the People“ – „von der wunderbaren Patti Smith“, wie Scholz schwärmte. Vielleicht haben Kanzler und Musikkorps an dieser Stelle aber auch nur deshalb nicht zueinander gefunden, weil Patti Smith „People Have the Power“ gesungen hat, der andere Song war von John Lennon, meine ich. Aber ich bin kein Musik-Experte.

Politisch hat der Kanzler aber immer goldrichtig gelegen, da ist er sich ziemlich sicher. „Ich denke schon, dass ich überzeugend das Richtige getan habe und dass sich das auch noch herausstellen wird“, antwortete er auf die verwegene Frage von NDR-Moderatorin Christina von Saß. „Welche Antwort erwarten Sie?“, spöttelte er zuvor.
Die norddeutschen Pointen saßen, viele Lacher und eine Menge Applaus erntete Scholz auf einem seiner letzten Auftritte vorm Ende seiner Amtszeit. Ob der Zuspruch noch mal guttun würde, fragte von Saß. „Ja“, antwortete der Kanzler kurz. „Habe ich früher auch gekriegt, hat aber nicht gereicht.“
Scholz tritt ab, ohne nachzutreten. Nur eine kleine Spitze teilte er wohl aus, wenn man sie in Hannover denn heraushören wollte. Ob er bei all diesen schwierigen Fragen in Krisenzeiten gut habe schlafen können? „Das war noch nie mein Problem“, triumphierte der Kanzler.
Wir entdecken heute die Musik in anderen Themen: in der Statistik zur politisch motivierten Gewalt, in Barber-Shops und im Steinmetz-Plan:
Sock it to me, sock it to me, sock it to me, sock it to me, sock it to me…
Ihr Niklas Kleinwächter