Dafür, dass eigentlich Sommerloch sein sollte, passiert gerade eine Menge in Niedersachsen. Für die Eiligen unter Ihnen hier schon mal die Übersicht:
Wenn Sie ein bisschen mehr Zeit haben, verrate ich Ihnen, was für mich persönlich die Nachricht des Tages ist:
Die Zeit der alten Honoratioren, die in Hinterzimmern ihre Politik verabredeten, war jetzt vorbei.
Endlich, dachte ich beim Lesen. Und nicht 2024, sondern schon 1965. Klaus Wallbaum macht mir Hoffnung in seinem absolut lesenswerten Doppelporträt der Landespolitiker Peter von Oertzen und Wilfried Hasselmann. Beide wären in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden und könnten gegensätzlicher nicht gewesen sein. Na gut, vielleicht hat der eine oder andere Honoratior den Moment verpasst und sucht auch heute noch nach Betätigungsfeldern und diskreten Räumlichkeiten. Aber wir versuchen, den Fuß in der Kabuff-Tür zu halten.

Davon ganz abgesehen ist mir beim Abtauchen in diese Biographien, die das 20. Jahrhundert schrieb, ein bisschen warm ums Herz geworden. Ich meinte einen Hauch von frischem Apfelmus in der Nase zu spüren. Meine Großeltern waren älter als von Oertzen und Hasselmann und erlebten die NS-Zeit nicht als begeisterungsfähige Teenager, sondern als Erwachsene. Erzählt wurde in meiner Familie immer, wie mein Opa beim Volkssturm kleinen subversiven Schabernack trieb. Den Nazi-Nachbarn, der vom Endsieg faselte, fragte er cool: „Haste Farbe gesoffen?“ Später, als Jugendliche, entdeckte ich auch andere Spuren dieser Zeit. Im Wollkoffer, den die Frauen meiner Familie über Generationen bestückt haben, das nie realisierte Stickmotiv: Ein Hakenkreuz, das wie die Sonne über einer hügeligen Landschaft aufgeht. Es ist kompliziert.

Solche (und viel heftigere) Reibungen und Brüche gehören auch zu den Lebensgeschichten der beiden prägenden Männer in der niedersächsischen CDU und SPD. Manches ist wieder sehr aktuell, wie die Frage der Abgrenzung nach rechts oder die Konflikte an den Universitäten. Um die Dynamik von Empörung und Radikalisierung zu verstehen, lohnt sich ein Blick in die 1960er und 70er Jahre. Meine Generation hat um die Jahrtausendwende nur verhalten gegen die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge gestreikt. „Wie süß“, signalisierten uns die Alt-68er unter den Professoren. So schlecht, wie wir damals dachten, waren die neuen Abschlüsse auch gar nicht. Aber ich erinnere mich trotzdem an dieses Gefühl, die eigene Macht zu spüren, für einen kurzen Moment das Uni-Leben zum Stillstand bringen zu können.
Es ist kompliziert – aber Geschichte hilft zu verstehen, finden Sie nicht? Deswegen starten wir nächste Woche unsere Serie zu sechzig Jahren Landes- und Rundblick-Geschichte. Freuen Sie sich auf einen Rundblick, den Sie so noch nie gesehen haben.
Ich wünsche Ihnen einen Donnerstag, an den es sich einmal zu erinnern lohnt!
Ihre Anne Beelte-Altwig