Der Aberglaube verbietet sich in der Politik – denn das ist das handfeste Geschäft von Netzwerken, Interessen, Abhängigkeiten, Freundschaften und Feindschaften. Die Politik gehört in die Welt der harten Realität, nicht in die der Magie. Was aber ist, wenn merkwürdige Ereignisse sich scheinbar haargenau wiederholen? Dann kann man ins Grübeln kommen.
Schauplatz Bundestag, der 6. Mai. Im ersten Wahlgang fehlen dem Kanzlerkandidaten von CDU/CSU und SPD, Friedrich Merz, 18 Stimmen aus den eigenen Reihen. 328 Mandate haben die Koalitionsfraktionen zusammen, aber nur 310 plädieren im ersten Wahlgang für ihren Kandidaten. Die Wahl war geheim, man wird wohl nie erfahren, heißt es am Abend dieses Tages, wer die Abweichler gewesen sind. Und so wichtig ist es am Ende ja auch nicht, da im zweiten Wahlgang ausreichend Stimmen für Merz vorhanden waren. Ist ja noch mal gut gegangen.
Schauplatz Bundestag, der 7. Mai. Die 120 SPD-Bundestagsabgeordneten wählen einen neuen Vorsitzenden. Der Kandidat Matthias Miersch aus der Region Hannover erhält eine breite Zustimmung. Aber 18 Abgeordnete stimmen mit Nein. Wer es war, ist ungewiss, auch diese Wahl war geheim. Aber es waren wieder 18, wie am Tag zuvor. Merkwürdig, oder?
Schauplatz Bundestag, der 26. Februar. Wenige Tage nach der Bundestagswahl hatte die neugewählte SPD-Fraktion schon einmal einen Vorsitzenden gewählt, nämlich Lars Klingbeil, der später zum Vizekanzler aufsteigen sollte. Gegen Klingbeil votieren 13 SPD-Abgeordnete, drei enthalten sich der Stimme – und zwei Stimmzettel sind ungültig. Das macht zusammen: 18. Also wieder 18 Abgeordnete, die Klingbeil das Ja-Wort verweigerten. Am 26. Februar, am 6. und am 7. Mai waren es immer 18 Abgeordnete, die in den geheimen Wahlen von der Generallinie abgewichen waren.

Was soll uns das sagen? Wenn es mal 15, mal 12 und mal 17 gewesen wären, würde man von einer amorphen Gruppe an Verweigerern ausgehen. Aber dreimal exakt 18 – das weckt den Verdacht, es könnten immer dieselben 18 gewesen sein, die sich quer stellten und am 6. Mai sogar für fünf Stunden der weltweiten Öffentlichkeit eine vermeintliche deutsche Instabilität vor Augen führten. Sind das also 18 verschworene Rebellen? Sprechen sie sich untereinander ab? Sitzen sie alle in der SPD-Fraktion? Der Zufall will es, dass eine große deutsche Zeitung schon am 1. März Namen von SPD-Abgeordneten nannte, die Merz bei der Kanzlerwahl die Stimme verweigern wollten. Das waren zwar nicht 18 Politiker, die in dem Artikel namentlich erwähnt wurden, aber immerhin acht. Eine Niedersächsin war auch darunter.
In der Zahlenmystik hat die 18 nun mehrere Bedeutungen. Manche sagen, damit werde Knechtschaft und Unterdrückung ausgedrückt. Bei einer Doppelung hingegen – also 1818 – werde „Befreiung“ angezeigt. Andere sprechen der 18 die innere Stärke, Intuition und das Meistern von Herausforderungen zu. Der Aberglaube hält viele Varianten bereit. Wollten also am Ende die 18 Verweigerer, die Merz, Klingbeil und Miersch nicht wählten, am Ende doch nur ein Zeichen für eine gute Zukunft senden? Mal abwarten, wie viele Stimmen im Konklave dem neuen Papst am Ende fehlen werden (falls wir das je erfahren). Wenn es auch 18 sind, können dort allerdings auf keinen Fall die SPD-Bundestagsabgeordneten gewirkt haben. Die sind bei der Papstwahl definitiv nicht dabei.
Der heutige Rundblick beleuchtet andere Themen, fern der Hexerei und Mythologie:
Ich wünsche Ihnen einen schönen Freitag – und beachten Sie: Der weiße Rauch stieg am Donnerstag um 18 Uhr an der Sixtinischen Kapelle auf. Wenn das kein Zeichen ist...
Klaus Wallbaum