Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Sie gehen mit Ihren Freunden in eine Kneipe und geraten dort in Streit mit dem Nachbartisch. Plötzlich schreiten die Türsteher ein und werfen Ihre Gruppe aus dem Laden, während die anderen Streitbeteiligten munter weiterfeiern dürfen. Und das ist noch nicht alles: Während Sie gerade von der breitschultrigen Security nach draußen geleitet werden, kommt einer Ihrer Kumpel von der Herrentoilette zurück, wo er den kompletten Vorgang verpennt hat. Statt nun mit Ihnen nach draußen zu gehen, setzt er sich zurück an den Tisch, trinkt sämtliche noch halbvollen Gläser aus und feiert mit den ätzenden Typen vom Nachbartisch weiter. Bislang gab es in der deutschen Sprache für einen solchen Vorgang keinen Ausdruck – seit vergangener Woche aber schon: Ich schlage „den Wissing machen“ zur Aufnahme in den nächsten Duden vor.

Warum eigentlich Neuwahlen? Die aktuelle Regierungskonstellation ist doch mal was ganz Besonderes. | Grafik: SPD, Grüne, BMDV, Montage: Rundblick

Nicht ganz so kurios wie der Bruch der Ampelkoalition war die gestrige Bundestagsaussprache dazu, allerdings hatte auch sie ihre Momente. Zum Beispiel, als Bundeskanzler Olaf Scholz sagte: „Wir sind besser dran, wenn wir zusammenhalten, wenn wir uns auch nach einer Auseinandersetzung noch in die Augen schauen können“ – und die Kamera des TV-Senders Phoenix daraufhin zu Christian Lindner schwenkte, gegen den Scholz nach dem Koalitionsbruch ziemlich übel nachgetreten hatte. Der FDP-Chef machte daraufhin dem Kanzler heftige Vorwürfe und begründete das Ampel-Aus interessanterweise mit einer Art von babylonischer Sprachverwirrung: „Die Regierung Scholz ist auch daran gescheitert, dass wir im Kabinett nicht mehr über dasselbe Land gesprochen haben.“

Friedrich Merz wollte eigentlich mit dem Kanzler streiten, musste aber zwischendurch die AfD-Fraktion maßregeln, die ihn immer wieder mit Zwischenrufen störte. „Ist das eigentlich alles, was Sie können? Dazwischen schreien, rumgrölen? Ist das alles, zu dem Sie noch in der Lage sind?“, schimpfte Merz. Als die Kamera auf Alice Weidel & Co. draufhielt, zeigte die Mimik der AfD-Abgeordneten wenig Schuldbewusstsein. Stattdessen erinnerte die „Truppe von Rechtsnationalen“ (Zitat: Merz) an eine Schulklasse, die von ihrem Lehrer gerade gefragt wurde, wer den übergroßen Penis auf die Tafel gemalt hat.

Die Lümmel aus dem Bundestag, nachdem sie von Friedrich Merz bei ihrem jüngsten Lausbubenstreich erwischt wurden. | Foto: Phoenix/Screenshot: Link

Betroffen reagierte dagegen die SPD-Führung, nachdem sich Merz darüber beschwert hatte, dass ein Mitglied ihrer Bundestagsfraktion über Instagram ein KI-generiertes Fake-Video geteilt hatte, in dem der CDU-Bundesvorsitzende lächerlich gemacht wird. „Berechenbarkeit und Integrität sind existenziell für die Demokratie und insbesondere für die parlamentarische Demokratie“, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und forderte „ein Mindestmaß an Kompromissen und Anstand“. „Wenn es stimmt, dass sich ein Kollege meiner Fraktion dieser fragwürdigen Technik bedient hat, dann werde ich dafür sorgen, dass dieser Abgeordnete sich bei Ihnen entschuldigt“, versprach Mützenich mit strengem Blick. Leider konnte man auf Phoenix nicht sehen, wie genau in diesem Moment der SPD-Bundestagsabgeordnete Bengt Bergt aus Schleswig-Holstein unauffällig unter den Tisch rutschte. Wenn Mützenich nämlich zwei Dinge nicht versteht, dann sind das Spaß und Deepfakes.

Völlig authentisch und überhaupt nicht spaßbefreit kommt dagegen die heutige Rundblick-Ausgabe daher. Das sind unsere Themen:

Zeit für einen Erlass: 500 Schüler haben die jüngste Job-Messe in Braunschweig besucht – darunter kein einziger Gymnasiast. Die Rufe nach einer besseren Berufsorientierung in Niedersachsen werden immer lauter.
Kampf um die Spitze: Die Parteien müssen ihre Landeslisten für die Bundestagswahl aufstellen. Bei SPD, Grünen, CDU, FDP, Linken und BSW beginnt das Gerangel um die vorderen Plätze.
Spiel mir das Lied vom Boris: Der Verteidigungsminister hat das Gelöbnis zum Gründungstag der Bundeswehr erstmals nach Hannover gebracht. War das schon eine Wahlkampfveranstaltung für Boris Pistorius, oder steckte dann doch mehr dahinter? Wir haben genau hingeschaut.

Mit schelmischen Grüßen verabschiedet sich
Ihr Christian Wilhelm Link