Die Steuerhinterziehung kennt verschlungene Wege – und besonders perfide kriminelle Machenschaften zeigen sich in jüngster Zeit in ungewohnten Bereichen. Das erläuterte Jörg Sievers, Vorsteher des „Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen“, am Montag nach einem Besuch von Finanzminister Gerald Heere (Grüne). So habe es auch in Niedersachsen mehrere Fälle von Umsatzsteuerbetrug beim Handel mit FFP2-Masken und mit Hygieneartikeln gegeben.

Das sei nach der üblichen Masche gelaufen, dass verschachtelte Lieferketten vorgetäuscht und Scheinfirmen angegeben wurden, damit beim Handel eine Umsatzsteuererstattung geltend gemacht werden konnte. Teilweise waren dabei auch ausländische Lieferanten beteiligt. „Wir haben in Niedersachsen in den vergangenen zwei Jahren in diesem Bereich als Ergebnis unserer Fahndungen Nachzahlungen an Steuern in Höhe von 8 Millionen Euro erzielen können“, sagte Sievers. Der organisierte Betrug sei hier effektiv ausgestaltet worden.
Der zweite Bereich sei das illegale Glücksspiel. So wird von den Tätern bei der späteren Versteuerung der Einnahmen aus den Spielhallen nicht der vollständige Gewinn angegeben. Über eine Manipulation der Geräte kann zudem der Umsatz geringer dargestellt werden, als er tatsächlich war. Allein im Jahr 2020 hätten niedersächsische Spieler insgesamt 556 Millionen Euro in Spielhallen eingesetzt – das entspricht einer täglichen Summe von 1,5 Millionen Euro. Die Fahndung des Finanzamtes nach illegalen Aktionen ergab beim Glücksspiel eine Nachzahlung an Steuern in Höhe von 6 Millionen Euro.
Auch noch einen dritten Bereich nennt Sievers – den der Clan-Kriminalität, die sich durch vernetzte Familienverbünde auszeichnet, die dann in verschiedenen Branchen aktiv sind und planmäßig Steuern hinterziehen. Das auf Fahndung spezialisierte Finanzamt hat eine Kooperation gegründet mit den Polizeiinspektionen in Diepholz, Hameln, Holzminden und Hannover. Sievers ist stolz auf eine „gut ausgebildete, motivierte Mannschaft“. Im Finanzamt für Fahndung und Strafsachen arbeiten 140 Beschäftigte, 2022 gab es insgesamt 574 Fahndungsprüfungen. In den vergangenen fünf Jahren waren es 10.500 Prüfungen – mit einem Ergebnis von 1,3 Milliarden Euro an Steuernachzahlungen.

Seit 2017 sind durch das Wirken seiner Behörde nach den Worten von Sievers 5500 Strafverfahren wegen Steuerbetrugs gestartet worden, 15 Millionen Euro an Geldstrafen wurden verhängt – und zusammen „195 Jahre an Haftstrafen“ für die Betroffenen. Finanzminister Gerald Heere nennt das einen „großen Erfolg“ und spricht zugleich von einem Missverhältnis: Auf der einen Seite gebe es immer mehr Fälle, die von den Fahndern bearbeitet werden müssen, auf der anderen aber tendenziell weniger Personal.
So lobt Heere den perspektivischen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Steuerfahndung. In Zusammenarbeit mit der Uni Oldenburg sei man dabei, neue Verfahren zu entwickeln, mit denen der „Kollege Computer“ die bisher von Menschen erledigten Schritte vereinfachen könne. Eine Variante sei, aus einer Fülle an Daten möglichst die Fälle herauszupicken, die sich für eine erfolgreiche Fahndung womöglich lohnen – weil dort dann tatsächlich kriminelle Energie am Werk ist. Daneben gehe es prinzipiell auch um die Verarbeitung großer Datenmengen durch die Computer.
Meldeportal wird vorbereitet: Das von Heere vor geraumer Zeit angekündigte digitale Meldeportal für Steuerdelikte ist noch nicht eingeführt. Der Minister erklärte, das Landesamt für Steuern bereite diesen Schritt gerade vor. Der Vorteil sei, dass Hinweisgeber nicht nur Fälle schildern, sondern auch im Dialog mit den Behörden auf Nachfragen weitere Details nennen können. Dadurch hoffe er „auf eine höhere Qualität der anonymen Anzeigen“, betonte der Minister. In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein habe man mit diesem Weg schon positive Erfahrungen sammeln können.