Die Tagesordnung im Landtag wurde am Donnerstagmorgen abrupt geändert. Neues Thema war der Angriff Russlands auf die Ukraine. / Foto: Kleinwächter

Der von Russland in der Nacht zu Donnerstag begonnene Angriffskrieg auf die Ukraine hat Donnerstagmorgen im Landtag große Betroffenheit ausgelöst. Die CDU hatte früh auf eine Änderung der Tagesordnung gedrungen, SPD und Grüne zogen ihre eigentlich geplanten aktuellen Themen zurück – und Ministerpräsident Stephan Weil teilte kurzfristig mit, eine Regierungserklärung zu halten.

Ministerpräsident Stephan Weil sprach im Landtag über die Russland-Ukraine-Krise. / Foto: Kleinwächter

In dieser ging der SPD-Politiker deutlich auf Distanz zu Russland. Das ist mit Blick auf Weil besonders bemerkenswert, da er bisher zum russlandfreundlichen Lager in der SPD gerechnet worden war und in der Vergangenheit wiederholt auch Zweifel an Sanktionen gegen Moskau geäußert hatte. Jetzt vollzog Weil eine radikale Kehrtwende. „Es ist und bleibt eine Schande, was derzeit in der Ukraine geschieht“, sagte der Ministerpräsident. Er empfinde „Abscheu und Wut gegenüber der Aggression Russlands“, der russische Präsident Wladimir Putin und seine Regierung seien „verantwortlich für Tote und Verletzte“, Putins Hinweis auf einen angeblichen Genozid an Russen in der Ost-Ukraine sei „eine Lüge“ und ein „billiger Vorwand“ für den Einmarsch. Dann fügte Weil hinzu: „Was wir erleben, ist Imperialismus in der reinsten, unverhülltesten und widerwärtigsten Form.“

CDU-Fraktionschef Toepffer ringt mit den Tränen

Weil wirkte während der folgenden Debatte sehr nachdenklich und aufmerksam. Anders als sonst war er nicht ins Aktenstudium vertieft, sondern hörte allen Rednern aufmerksam zu. So erlebte der Landtag, auch mit den dann folgenden Reden, eine Sternstunde des Parlamentarismus. CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer war in seiner Ansprache den Tränen nah, er sprach von seiner Kindheit im kalten Krieg und seiner tiefen Überzeugung von der Notwendigkeit einer wehrhaften Politik: „Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sie muss immer erkämpft und verteidigt werden.“ Es seien immer Politiker wie Winston Churchill gewesen, der sich Aggressoren entschlossen entgegenstellt hatte, die anfangs unterschätzt wurden und dann Recht behielten, nicht jene wie Neville Chamberlain, die Aggressoren mit Appeasement, also Entgegenkommen, begegnet waren.

In den vergangenen Jahren, betonte Toepffer, habe er oft mit Stephan Weil gestritten, da Weil wiederholt Kritik an Sanktionen gegen Russland geübt habe. Schon vergangenen Dienstag im Kabinett habe Weil aber seine Bezeichnung Putins als „Imperialisten“ vorgetragen – und Toepffer sagte mit Blick auf den Ministerpräsidenten: „Ich stelle fest, dass wir jetzt ganz dicht beieinander stehen!“ Er denke auch an die russischen Soldaten, die von Putin in den Krieg geschickt werden – und an die 600 Soldaten der Panzerlehrbrigade 9, die sich gerade in Litauen aufhalten.

Kritik am früheren Kanzler Gerhard Schröder

Auch die SPD-Fraktionschefin Johanne Modder schilderte ihre persönliche Betroffenheit. An diesem „tiefschwarzen Morgen“ habe sie nach dem Hören der ersten Nachrichten „wackelige Beine“ gehabt. Leider seien alle diplomatischen Bemühungen in Leere gelaufen. Dann sagte sie einen Satz, den man auch als Kritik an einigen Parteifreunden verstehen kann: „Es gab viele Stimmen, die den Konflikt verharmlost oder Russlands Position gerechtfertigt hatten. Jetzt sollten sie erkennen: Das war falsch, sie haben sich geirrt und Putins Absichten völlig unterschätzt.“ Toepffer dankte Modder für diesen „klaren Hinweis“, während an dieser Stelle der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner später sehr konkret wurde: „Welche Rolle hat der frühere Kanzler und frühere Ministerpräsident Gerhard Schröder? Er hat erst kürzlich der Ukraine ,Säbelrasseln‘ vorgeworfen, ist als Lobbyist für russische Gasfirmen tätig, die jetzt Gegenstand von Sanktionen werden. Zugleich ist er noch Träger der niedersächsischen Landesmedaille. Das macht uns nachdenklich.“ Daraufhin erntete Birkner kräftigen Applaus von FDP, CDU und auch Teilen der Grünen. Birkner ist nicht der erste Politiker, der sich klar gegen Schröder positionierte. So sprach unter anderem CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner bereits am Dienstag im Rundblick über die Rolle vom Altkanzler Schröder.

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Rundblick-Redakteur Niklas Kleinwächter twitterte am Donnerstagmorgen live auf den Landtag.

Während Weil angekündigt hatte, man treffe jetzt Vorkehrungen gegen mögliche russische  Cyber-Attacken und für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine, bat Birkner noch einmal um eine Diskussion darüber, „wie es so weit kommen konnte“. Schon nach der russischen Besetzung der Krim 2014 hätte man seiner Meinung nach protestieren müssen, „aber damals haben wir uns nicht so aufgeregt“. Erst danach sei der Bau von der Gas-Pipeline Nord-Stream II begonnen worden. Ministerpräsident Weil habe noch 2019 Sanktionen gegen Russland sehr skeptisch beurteilt und gemeint, solche Schritte würden die russische Regierung nicht beeindrucken. Dass Weil jetzt klar für harte Sanktionen werbe, „war eben nicht immer so“, betonte Birkner. Die Grünen-Fraktionschefin Julia Hamburg hob hervor, mit Blick auf die Sanktionen müsse man „den Ankündigungen auch Taten folgen lassen“, andernfalls werde „der Schaden für Deutschland noch größer sein“. Klaus Wichmann (AfD) warb für die Fortsetzung von Diplomatie, fügte aber hinzu: „Mit Stuhlkreisen kann man keinen Aggressor abwehren“.