18. Feb. 2024 · Inneres

Staatskanzlei räumt ein: Das Land Niedersachsen hat die Verfassungspflicht verletzt

Mit einem knappen Schreiben hat Jörg Mielke, der Chef der niedersächsischen Staatskanzlei, dem Staatsgerichtshof als oberstem Gericht des Landes viel Arbeit erspart. Es geht um eine Klage des CDU-Landtagsabgeordneten Ulf Thiele gegen die Landesregierung. Thiele fühlt sich in seinen Rechten verletzt, da das Finanzministerium auf eine Anfrage im Landtag nicht wie in der Verfassung vorgegeben geantwortet hatte.

Staatskanzlei-Chef Jörg Mielke (links) hat eingeräumt, dass der CDU-Landtagsabgeordnete Ulf Thiele (rechts) in seinen Rechten beschränkt wurde. | Fotos: Staatskanzlei, CDU

Im vergangenen Oktober reichte der CDU-Politiker daher seine Organklage ein, nach dem normalen Lauf der Dinge hätte es demnächst eine mündliche Verhandlung geben müssen, danach ein Urteil. In jedem Fall wäre der Fall in Bückeburg mit einiger medialer Aufmerksamkeit begleitet worden. Doch dazu kommt es nun höchstwahrscheinlich nicht, da die Landesregierung jetzt – sehr spät – ihr Fehlverhalten eingeräumt hat. Das allerdings geschah nicht öffentlich, sondern in einem Schriftsatz vor dem Staatsgerichtshof.

Der Chef der Staatskanzlei, Jörg Mielke (SPD), teilte dem Gericht in Bückeburg am 12. Februar mit: „Die Landesregierung hat mit ihrer Antwort vom 3. Juli 2023 ihrer Auskunftspflicht nach Artikel 24 Absatz 1 der niedersächsischen Verfassung nicht vollumfänglich genügt. Ich gehe davon aus, dass der Antragsteller seinen Antrag vor dem Staatsgerichtshof nun mehr nicht mehr weiterverfolgen wird.“ Das heißt, dass die Staatskanzlei jetzt den Verstoß gegen die Landesverfassung eingesteht und gleichzeitig erklärt, dass damit die Angelegenheit auch ohne die Klage und den Prozess vor dem Gericht erledigt sei.

Dass diese Rechtsauffassung berechtigt ist, liegt sogar nahe. Denn das „Rechtsschutzinteresse“ von Thiele hätte ohnehin nur darin bestanden, dass das Gericht die Beeinträchtigung seiner Rechte als Abgeordneter festgestellt hätte. Wenn aber die Landesregierung als Beklagte von sich aus zugibt, die Rechte des Politikers nicht beachtet zu haben, bedarf es dazu keiner Feststellung des Staatsgerichtshofs mehr. Das ist die rechtliche Seite. Die politische Seite sieht so aus, dass die neue Mitteilung der Staatskanzlei die Landesregierung vor einem öffentlichen Streit über den von Thiele behaupteten Verstoß gegen die Auskunftspflicht bewahrt.

Es ging in der Angelegenheit um die Frage, in welchem Umfang die Behörden des Landes ihrer Aufgabe nachgekommen sind, im Zuge der Grundsteuerreform die nötigen Grundsteuererklärungen gegenüber den Finanzämtern abzugeben. Dazu verpflichtet sind alle staatlichen Eigentümer von Grundstücken, die nicht öffentlich genutzt werden und nicht öffentlich zugänglich sind. Thiele hakte mehrfach nach, erhielt aber vom Finanzministerium mehrfach den Hinweis, eine zentrale Übersicht über diese Daten fehle. Dann hatte Finanz-Staatssekretärin Sabine Tegtmeyer-Dette im Juli 2023 in einem Schreiben an Thiele mitgeteilt, dass die Möglichkeit der Ermittlung dieser Angaben schon bestehe, aber daraus resultiere „ein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand, dem verwaltungsseitig kein Bedarf gegenübersteht“. Diese Position motivierte die CDU zur Klage, denn in Artikel 24 der Landesverfassung heißt es, die Landesregierung müsse Anfragen von Abgeordneten „nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig“ beantworten.

Dabei spielt dann auch eine Rolle, ob der Aufwand für die Antwort womöglich in keinem Verhältnis zu den Auskunftsinteressen des Abgeordneten steht. Thiele bekräftigte hier das Interesse, da der Staat eine Vorbildfunktion habe und das Land daher seiner Pflicht zu Grundsteuererklärungen unbedingt folgen müsse. Aus den jetzt von Mielke nachgereichten Zahlen geht hervor, dass bei Ende der Abgabefrist im Januar 2023 nur 1300 Erklärungen von Landes-Institutionen abgegeben worden waren, 2100 hätten noch ausgestanden. Bis Mitte November 2023 hätten noch 159 dieser Grundsteuererklärungen gefehlt.

Dieser Artikel erschien am 19.2.2024 in Ausgabe #031.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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