Staatsgerichtshof weist AfD-Klage als „unbegründet“ zurück
Die AfD-Landtagsfraktion hat vor dem Staatsgerichtshof, dem höchsten Gericht des Landes, am Dienstag eine Niederlage kassiert. Der Antrag, die Regierung wegen eines Verstoßes gegen die in der Verfassung verankerte Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament zu rügen, wurde als „unbegründet“ zurückgewiesen. Dies geschah in einer schon historisch zu nennenden Konstellation. Das höchste Gericht tagte erstmals nicht in Bückeburg, seinem Sitz, sondern – zur Vermeidung von Reiseaufwand – im Fachgerichtszentrum in Hannover.
Neben Gerichtspräsident Thomas Smollich waren auch nur zwei weitere Richterinnen anwesend. Dies geschehe, erklärte Smollich, mit Rücksicht auf die außergewöhnliche Situation der weitgehenden Kontaktsperren. Man müsse auch in der Justiz vermeiden, dass mit größeren Zusammenkünften das Corona-Virus schneller übertragen wird. Da aber die Rechtspflege als dritte Gewalt neben dem Parlament (das am Mittwoch tagen will) und der Landesregierung (die weiter regelmäßig tagt) ihre Handlungsfähigkeit zeigen will, habe man sich zu dem Verkündungstermin entschlossen.
Lesen Sie auch:
Prozess in Bückeburg: Darf die Regierung schweigen?
Agrarministerium rügt: AfD wollte Tierschutz mit Ausländerfeindlichkeit verknüpfen
Unumstritten war diese Haltung aber offenbar bis zuletzt nicht, denn noch am Montag, berichtete Smollich, sei überlegt worden, ob man den Termin absagt oder verschiebt. Die Gerichte bemühen sich derzeit, viele Termine ausfallen zu lassen oder auf einen späteren Zeitpunkt zu vertagen. Das gilt beispielsweise auch für das Landgericht Hannover, dass im Prozess gegen den früheren OB Stefan Schostok einen für nächsten Montag geplanten Termin auf den 14. April verschoben hat.
Guth wollte wissen, welche Betriebe „Schächten“ praktizieren
In dem Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ging es um die Frage, ob Agrarministerin Barbara Otte-Kinast im August 2019 richtig gehandelt hatte, als sie eine Frage der AfD-Fraktionsvorsitzenden Dana Guth im Landtag in einem Detail nicht beantwortete. Guth hatte wissen wollen, wie viele Ausnahmegenehmigungen das Land erteilt habe, damit das betäubungslose Töten von Tieren, das sogenannte „Schächten“, stattfinden konnte. Aus religiösen Gründen ist dieser Weg statthaft, das Land muss aber eine Ausnahme vom Tierschutz billigen.
Die Frage von Guth war beantwortet worden, doch eine andere nach dem Namen des Betriebes blieb unbeantwortet. Otte-Kinast verweigerte dazu eine Angabe und bezog sich auf Artikel 24 der Landesverfassung. Danach braucht die Regierung eine Auskunft nicht zu geben, wenn „schutzwürdige Interessen Dritter“ berührt sind. Dies sah Otte-Kinast als gegeben an, weil es immer wieder militante Übergriffe auf Schlachtbetriebe gegeben habe. In der mündlichen Verhandlung in Bückeburg entgegnete die Rechtsvertreterin der AfD Mitte Februar, die „schutzwürdigen Interessen“ könnten sich nur auf Umsatzzahlen und Preise beziehen, nicht aber auf den Namen des Betriebes.
Betriebe wären Gefahr durch Schächt-Gegner oder Rechtsextremisten ausgesetzt
Der Staatsgerichtshof urteilte jetzt, dass die Landesregierung völlig richtig gehandelt habe. In der Abwägung zwischen dem schutzwürdigen Interesse des Schlachtbetriebes und dem Auskunftsrecht der Landtagsabgeordneten Guth sei der Name des Unternehmen zu Recht als Geschäftsgeheimnis angesehen worden. Das hänge an einer Mischung unterschiedlicher Themen, die jede für sich emotional und teilweise aggressiv diskutiert würden – die Migration von Zuwanderern, die religiösen Traditionen des Schächtens und der Tierschutz. Tierschutzfragen führten regelmäßig zu starken Polarisierungen, sie würden auch mit Fragen der Religionsfreiheit und der Einwanderung verknüpft.
Die AfD-Landtagsfraktion selbst habe eine solche Verknüpfung bereits hergestellt. Die Gefahr habe bestanden, dass Personen mit rechtsextremistischer Gesinnung vom Namen des Betriebes erfahren hätten. Die Landesregierung habe „nachvollziehbar dargelegt“, dass nicht nur in Einzelfällen von radikalen Gegnern des Schächtens und von Rechtsextremisten „Anschläge und körperliche Angriffe“ ausgehen könnten. Das gelte auch für Übergriffe auf das Sacheigentum.