Seit Dienstag befindet sich ein Staatsanwalt aus Hannover in Untersuchungshaft. Wie das niedersächsische Justizministerium bestätigt, ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover derzeit gegen einen ihrer eigenen Ermittler und hat beim zuständigen Amtsgericht einen entsprechenden Haftbefehl erwirkt. Vorgeworfen wird dem Betroffenen Bestechlichkeit im Amt, Geheimnisverrat sowie Strafvereitelung, wie Ministeriumssprecherin Verena Brinkmann gegenüber dem Politikjournal Rundblick bestätigte. Aus ermittlungstaktischen Gründen könne sie zu dem Verfahren allerdings keine weiteren Angaben machen, erklärte sie am Mittwoch und verwies auf die Unschuldsvermutung. Aufgrund der Unterbringung in Untersuchungshaft könne allerdings von einem raschen Verfahren ausgegangen werden. Bis zu sechs Monate darf ein Tatverdächtiger auf diese Weise regulär festgesetzt werden. Die „Bild“-Zeitung berichtete am Mittwochvormittag zuerst über den Vorgang und setzte ihn in Bezug zu einem vermeintlichen Maulwurf in der Justizbehörde, der ein Drogen-Kartell gegen Geldzahlungen mit Informationen versorgt und vor Razzien gewarnt haben soll.

Demnach steht die Festnahme offenbar in Zusammenhang mit einem vereitelten Drogenschmuggel aus dem Frühjahr 2021. Ermittler konnten damals 16 Tonnen Kokain aus Südamerika mit einem Straßenverkaufswert von 448 Millionen Euro sicherstellen, das über den Hamburger Hafen nach Deutschland importiert werden sollte. Bei einer Razzia im März 2021 stießen die Ermittler allerdings nur auf 19 der 31 Beschuldigten, die Köpfe der Bande konnten rechtzeitig untertauchen. Im anschließenden Gerichtsverfahren hatten Ermittler des Landeskriminalamts darauf hingewiesen, dass die Schmuggler gewarnt worden sein müssen. Anders ließe sich die große Zahl der flüchtigen Verdächtigen nicht erklären, hieß es. Sowohl sichergestellte Chatverläufe als auch Aussagen der beteiligten Bandenmitglieder erhärteten den Verdacht eines Maulwurfs. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt noch unklar, ob es sich dabei um einen Polizisten oder Justizbediensteten handelte – in den Chats der Drogenhändler war von einem „Cop“ die Rede. Zunächst führten die Ermittlungen zu keinem eindeutigen Tatverdächtigen. Besagter Staatsanwalt galt damals als Chefermittler, wurde zwischenzeitig aber auf eine andere Position versetzt, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. Laut aktueller Berichterstattung soll es nun „handfeste Beweise“ geben, die den Staatsanwalt belasten.

Das Vorgehen des niedersächsischen Justizministeriums in dieser Angelegenheit sorgt unterdessen für Unmut in der Landtags-Opposition. Die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion Carina Hermann kritisierte noch am Mittwoch die Informationspolitik der zuständigen SPD-Ministerin Kathrin Wahlmann. Hermann bezeichnete den Verdacht als „mehr als besorgniserregend“ und ließ sich in einer Mitteilung der Fraktion ferner wie folgt zitieren: „Wir sind höchst irritiert, dass sich das Justizministerium heute nicht proaktiv zu diesen schweren Vorgängen im Rechtsausschuss geäußert hat, aber einer Zeitung bereits ein Statement geben konnte.“ Die CDU fordere deshalb nun unverzüglich eine umfassende Aufklärung und Unterrichtung. „Die Ministerin darf bei dieser Sachlage nicht wegschauen und schweigen, sondern muss sich umgehend und intensiv um diese Angelegenheit kümmern.“

Ministeriumssprecherin Brinkmann erklärte auf Rundblick-Nachfrage, das Justizministerium sei bereits eine Woche im Voraus über die geplante Festnahme informiert worden. Für den Erfolg der Aktion sei es aber wichtig gewesen, dass keine Informationen frühzeitig nach außen dringen konnten. Die Pressestelle sei direkt erst am Mittwochvormittag mit einer Medien-Anfrage konfrontiert worden und habe daraufhin reagieren müssen. Eine unverzügliche Unterrichtung im zeitgleich tagenden Rechtsausschuss des Landtags sei zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht möglich gewesen, solle aber selbstverständlich nachgeholt werden. Evrim Camuz, rechtspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, verteidigte die Justizministerin gegen die Angriffe aus der Union: Es gebe das gängige Verfahren einer Unterrichtung in den Ausschüssen, erklärte Camuz gegenüber dem Politikjournal Rundblick. Die Koalitionsfraktionen hätten einer Unterrichtung durch das Justizministerium in der kommenden Woche selbstverständlich zugestimmt. „Die CDU suggeriert, Justizministerin Wahlmann schaue in der Sache nicht hin und kümmere sich nicht um die Angelegenheit. Diese Vorwürfe, die in den Sätzen von Carina Hermann mitschwingen, sind völlig aus der Luft gegriffen.“