Solarförderung aus dem Corona-Topf
„Die Zeit wird knapp“, stellt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) erschrocken fest. Wenn Deutschland beim Klimaschutz so weiter macht wie bisher, wird die angestrebte Klimaneutralität erst im Jahr 2069 erreicht – deutlich zu spät. Die Zielmarke der Europäischen Union sieht vor, dass der Kontinent bis 2050 klimaneutral sein muss. Soll allerdings erreicht werden, dass die Durchschnittstemperatur nur um 1,5 Grad Celsius im Vergleich zu 1990 ansteigt, muss der CO2-Ausstoß spätestens bis 2034 auf Null sein.
Doch die Corona-Krise hat die Klima-Krise in den Schatten gestellt. „Wir merken die Auswirkungen nicht so schnell wie jetzt bei Corona, aber wir müssen das Problem schnell angehen, sonst wird es noch dramatischer“, erklärt der Umweltminister. Wie dramatisch es werden kann, müssten etwa die niedrigen Pegelstände der Talsperren bereits deutlich gemacht haben, meint Lies. „Die Botschaft müssen die allermeisten inzwischen verstanden haben.“
Lesen Sie auch:
Wie erneuerbare Energien blockiert werden
SPD und CDU halten Klimaschutz-Ziele der Grünen für überzogen und unseriös
Um den Klimaschutz nun voranzubringen, setzt das Umweltministerium auf einen stärkeren Ausbau der erneuerbaren Energien. In Niedersachsen denke man dabei zuerst an die Windenergie, räumt Minister Lies ein. Doch darum soll es diesmal nicht gehen. Denn auch bei der Solarenergie habe Niedersachsen noch enorme Potenziale, die ausgeschöpft werden sollen. Zurzeit würden lediglich vier Gigawatt Energie mithilfe von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern gewonnen. Einer Studie aus dem Jahr 2016 zufolge liegt das Dachflächenpotenzial in Niedersachsen aber deutlich höher.
Insgesamt könnten Anlagen mit einer Leistung von 50 Gigawatt installiert werden. Auf Freiflächen liegt zudem ein zusätzliches Potenzial von weiteren 15 Gigawatt, besagt eine Studie aus diesem Jahr. Mit einem neuen Förderprogramm möchte die Landesregierung den Ausbau der Photovoltaik nun anstoßen und setzt dabei auf viele kleine Partner. Mit insgesamt 75 Millionen Euro sollen in den nächsten Jahren Privatpersonen und Kommunen aber auch Gewerbetreibende, Verbände und die Landwirtschaft dazu animiert werden, sich neue Solar-Panels aufs Dach zu setzen.
75 Millionen für Solar-Batterien
Das Förderprogramm des Umweltministers hat zwar den Klimaschutz zum Ziel, eigentlich handelt es sich dabei aber um ein Corona-Konjunkturpaket. Der Millionenbetrag entspringt dem zweiten Nachtragshaushalt und soll die krisengeschüttelte Wirtschaft wiederbeleben. Der Neubau von Photovoltaik-Anlagen wird daher gar nicht direkt gefördert, sondern indirekt über einen Zuschuss bei der Anschaffung eines Photovoltaik-Batteriespeichers angeregt. Das Ziel dieses Modells ist es, dass die 75 Millionen Euro letztlich Investitionen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro generieren. „Das ist allerdings nur die konservative Schätzung. Beispiele aus Baden-Württemberg zeigen, dass man durchaus auch mit dem Faktor zehn rechnen kann“, fügt Umweltminister Lies an.
Das Land gibt also einen Zuschuss, wenn sich jemand einen stationären Batteriespeicher zulegt und dabei zugleich eine neue Photovoltaikanlage von mindestens vier Kilowatt-Spitzenleistung aufs Dach baut oder eine schon bestehende Solaranlage auf dem Dach auf diesen Leistungswert ausweitet. Es gehe auch darum, die Wertschöpfung ins Land zurück zu holen. Weil der Ausbau der Photovoltaik hierzulande nach 2012 eingebrochen ist, sei es zu einer massiven Abwanderung der Produktion ins Ausland gekommen. Lies möchte den Klimaschutz vom Schreckgespenst zur großen Chance der Wirtschaft umdeuten.
Lies wirbt für Energiedemokratie
Was bietet das Förderprogramm nun konkret? Angenommen, eine vierköpfige Familie baut sich auf das Dach ihres Eigenheims eine Photovoltaikanlage mit 14 Kilowatt-Spitzenleistung, ergänzt diese noch um ein Batteriespeichersystem für zehn Kilowattstunden und eine Ladestation für ein E-Auto, so entstehen Gesamtkosten von etwa 25.000 Euro. Die Batterie macht dabei Kosten von rund 8000 Euro aus, wovon über das Förderpaket 40 Prozent übernommen werden können – also etwa 3200 Euro. Zusätzlich sind in der Förderrichtlinie noch Boni vorgesehen, wenn die Photovoltaikanlage eine gewisse Größe überschreitet und wenn eine Ladeinfrastruktur für ein E-Auto angeschafft wird. Insgesamt könnte in diesem Rechenbeispiel dann eine staatliche Förderung in Höhe von 4500 Euro erzielt werden. Laut Berechnung des Umweltministeriums würden sich diese Investitionen dann nach acht bis zehn Jahren amortisieren und eine sechzigprozentige Energieautarkie hergestellt werden. Lies spricht in dem Zusammenhang von einer „Energiedemokratie“, die zusätzlich erzielt werde.
Ein ähnliches Ergebnis können auch Gewerbebetriebe erzielen. Hier kann die Photovoltaikanlage natürlich deutlich größer sein, im Modell des Umweltministeriums beispielsweise mit 50 Kilowatt-Spitzenleistung und einem Speichersystem mit 30 Kilowattstunden. Die Kosten betrügen rund 65.000 Euro, der staatliche Zuschuss machte dann etwa ein Fünftel der Investitionen aus.
Fokus auf Sektorkopplung
Begeisterung ruft diese Klimaschutz- und Konjunkturmaßnahme bei Carsten Körnig, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, hervor. „Dieses Programm wird den Ausbau der Solarenergie in Norddeutschland voranbringen“, lobt er. Besonders innovativ sei das Förderprogramm, weil es die Sektorkopplung in den Fokus rücke. Körnig nennt es ein „Dreamteam“, wenn die Solarenergie auf dem Dach, der Speicher im Keller und das Elektro-Auto vor der Tür stehe. „Nur so macht es Sinn.“
Doch dem Verbandsgeschäftsführer und dem Umweltminister bereitet die derzeitige Bundespolitik große Sorgen. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sei mutlos, klagen sie. Wenn Deutschland beim Ausbau der Erneuerbaren weiter so schlecht bleibe, würden die Klimaziele von Paris nicht erreicht und das Land steuere auf eine Stromerzeugungslücke zu – und zwar schon im Jahr 2023. „Jetzt ist die entscheidende Situation“, meint Körnig und hofft auf eine Abschaffung der EEG-Umlage für Solarstrom vom eigenen Dach, die er eine „Sonnensteuer“ nennt. „Neben unserem niedersächsischen Programm brauchen wir jetzt einen Türöffner und nicht noch einen Schlüssel, der alles wieder abschließt“, ergänzt Olaf Lies, denn: „Die Zeit wird knapp.“
Von Niklas Kleinwächter