14. Juli 2022 · 
Kommunales

So läuft die Integration der über 13.000 Geflüchteten in der Region Hannover

Im ehemaligen hannoverschen Ordnungsamt hinter der Markthalle hätte nach dem 1. Juni zumindest langsam wieder etwas Ruhe einkehren müssen. Tat es aber nicht. Die Landeshauptstadt hatte dort Anfang Mai eine Außenstelle der Ausländerbehörde und des Fachbereichs Soziales mit mehr als 60 zusätzlichen Arbeitsplätzen eingerichtet, um den geflüchteten Ukrainern gebündelt schneller helfen zu können.

Seit Mai gibt es vorm früheren Ordnungsamt an der Leinestraße in Hannover lange Schlangen. Seitdem die Geflüchteten aus der Ukraine die Jobcenter als Anlaufstelle haben, hat sich die Lage deutlich beruhigt. I Foto: Link

Doch der von Bundestag und Bundesrat beschlossene Zuständigkeitswechsel von der Kommune zum Jobcenter dauert in der Umsetzung länger, als viele vermutet hatten. Als Stichtag gilt der 30. August, bis dahin kümmert sich das Sozialamt weiterhin um die Geflüchteten, die noch nicht übermittelt wurden. Das heißt: Der Behördenaufwand ist immer noch hoch, die Folge sind Verzögerungen und Wartezeiten.

Erstanträge von hilfesuchenden Ukrainern seien allerdings nur noch sehr vereinzelt unter den Fällen, berichtet die hannoversche Sozialdezernentin Sylvia Bruns im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Stattdessen gehe es meistens um Folgeanträge, wie zu Beispiel Anträge für Geld für die Ausstattung einer Wohnung, oder das Abholen eines Krankenscheins. „Wir schicken niemanden weg. Unsere Mitarbeiter arbeiten in zwei Schichten und gehen oft bis ans Limit“, sagt Bruns. Aktuell sind rund 6700 Geflüchtete im Sozialamt der Landeshauptstadt registriert, hinzu kommen weitere knapp 6700 Geflüchtete aus der Region, also den Umlandgemeinden. Das Jobcenter Region Hannover verweist in dem Zusammenhang auf einen erheblichen Mehraufwand, den es für die Mitarbeiter zu bewältigen gilt. Aktuell bilden sich wochentags jeden Morgen längere Schlangen vor den Behörden. Das zeigt, dass in der Praxis die Aufnahme der Ukrainer immer noch alles andere als einfach ist.

Wechsel zum Arbeitsamt ist mit einigen Hürden verbunden

Mit dem Wechsel von der Zuständigkeit des Asylbewerberleistungsgesetzes in die der Grundsicherung werden die Ukrainer wie anerkannte Flüchtlinge behandelt, bekommen mehr Geld und haben unter anderem Anspruch auf Kindergeld. Nur wer vorher im Ausländerregister registriert ist, kann an das Jobcenter überwiesen werden. Zusätzlich muss man einen Aufenthaltstitel zumindest bereits beantragt haben. Lediglich Erwerbsunfähige und Rentner bleiben im Sozialamt – nach Schätzungen der Stadt betrifft das etwa 700 Geflüchtete.

"Unsere Amtssprache ist aber nun einmal Deutsch. Das können wir nicht ändern."

Sylvia Bruns

„Wir versenden die Informationen über alle Netzwerke. Unsere Amtssprache ist aber nun einmal Deutsch. Das können wir nicht ändern“, sagt Bruns. Eine wesentliche Hilfestellung leistet der „Ukrainische Verein“, bei dem die Stadt unter anderem Flyer auf Ukrainisch ausgelegt hat. Der Großteil der Informationskampagne spielt sich jedoch im Internet ab. Auf der Homepage der Landeshauptstadt gibt es FAQs auf Ukrainisch, die fortlaufend aktualisiert werden. Weitere Informationen soll die „Integreat-App“ vermitteln, die vor wenigen Wochen an den Start ging. Dort finden die Geflüchteten gebündelte Informationen auf Ukrainisch und Russisch, die ihnen auch offline eine Orientierung bieten soll.

Sozialdezernentin Sylvia Bruns I Foto: Stadt Hannover

„Perspektivisch soll die App auch auf weitere Sprachen von Geflüchteten anderer Nationalitäten ausgeweitet werden“, sagt Bruns. Zusätzlich gingen bei der Koordinierungsstelle immer noch Fragen über eine extra eingerichtete Hotline ein – vorwiegend von Privatleuten, die die Geflüchteten unterstützen. Das nehme jedoch stetig ab, weil viele Kontakte längst schon vermittelt sind. In der Höchstphase arbeiteten in der Koordinierungsstelle 25 Menschen, teilweise aus anderen Fachbereichen abgeordnet worden sind oder auch als studentische Aushilfskraft tätig werden.

Kommt bald Internet-Plattform für wohnungssuchende Geflüchtete?

Ein wesentlicher Punkt bei der Integration spielt die Unterbringung. Schätzungsweise 800 Geflüchtete wohnen derzeit in städtischen Unterkünften, der Rest lebt bei Bekannten oder hannoverschen Familien. „Die große Herausforderung ist jetzt, für alle guten und bezahlbaren Wohnraum zu finden“, erklärt Bruns. Die Bezuschussung für Wohnungen hat die Region längst aufgestockt – auch für Sozialhilfeempfänger. Ein Modell, das die Stadt im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsstrom ausprobiert hat, ist der Solidaritätscheck. Wohnungseigentümer bekommen zusätzlich zur Miete eine Pauschale, wenn sie ihre Wohnung an Geflüchtete vermieten. „Die Stadt versucht vor allem Wohnungen zu finden, die nicht auf dem freien Wohnungsmarkt sind, also noch nicht aktiv vermittelt werden“, sagt Bruns. Zusätzlich gebe es aktuelle Überlegungen in der Stadtverwaltung, eine Internet-Plattform einzurichten, worüber speziell Wohnraum an Geflüchtete vermittelt wird. Eine Möglichkeit sei die von der Stadt freigeschaltete Wohnungsbörse der „Integreat-App“. Da sei man aber noch sehr in der Anfangsphase, so Bruns. Fest steht: „Angebote dieser Art richten sich ausdrücklich an alle Geflüchtete und nicht nur an die Menschen aus der Ukraine.“

Zu wenig Betreuungsangebote für ukrainische Kinder

Mehr als 1000 Kinder wurden mittlerweile an Grundschulen und weiterführenden Schulen in Hannover untergebracht. Für ein Schulplatzangebot müssen sich die Eltern selbstständig an das Bildungsbüro der Landeshauptstadt Hannover wenden. Dank der jetzt verlängerten Ausnahmeregelung, die die kurzfristige Überbelegung von einem zusätzlichen Platz je Kindergartengruppe ermöglicht, können 66 Kinder in 47 Kindergärten betreut werden. „Es gibt weitere Bedarfe im oberen zweistelligen Bereich, für die jedoch nicht in gleichem Maße Betreuungsangebote zur Verfügung stehen“, heißt es dazu vom Bildungsdezernat.

Dieser Artikel erschien am 14.7.2022 in Ausgabe #132.
Audrey-Lynn Struck
AutorAudrey-Lynn Struck

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