Dana Guth, die neue starke Frau der AfD im niedersächsischen Landtag, sieht sich selbst als „zutiefst bürgerlichen Menschen“. Was aber genau soll das heißen? In der öffentlichen Wahrnehmung sind AfD-Politiker häufig emotional aufgewühlte Leute, die schnell mal aus der Haut fahren, das politische System mindestens kritisch sehen, wenn nicht gar ablehnen, und gern auch provozieren wollen. Allein deshalb schon haben sich die anderen, „etablierten“ Parteien geschworen, künftig auf die Einhaltung parlamentarischer Regeln im Landtag noch genauer als bisher schon achten zu wollen. Man stellt sich auf härtere Auseinandersetzungen ein.

Dana Guth führt die niedersächsische AfD in den Landtagswahlkampf – Foto: KW

Kann also die 47-jährige Guth, Fraktionschefin der AfD und Immobilienmaklerin aus Herzberg (Kreis Göttingen), künftig in die Rolle der obersten Provokateurin geraten? Und was sind das sonst so für Leute, die jetzt für diese rechtskonservative Partei im niedersächsischen Landtag sitzen? „Ich bin die, die die Gartenzwerge im Garten hat“, sagt Guth – mit anderen Worten: Sie sei derart „normal“ oder gar „spießig“, dass ihr ein Rebellentum nach der Art des AfD-Rechtsauslegers Björn Höcke absolut fremd sei. Dana Guth wurde 1970 im Dorf Mehrow östlich von Berlin geboren, sie hat danach lange in Sachsen gelebt und wollte eigentlich nach ihrem Abitur Lehrerin werden.

Doch dann fiel die Mauer, sie ging in den Westen, lernte in Herzberg ihren Mann kennen. Erst hatte sie Jura in Göttingen studiert, dann aber nach zwei Jahren abgebrochen und umgesattelt in eine kaufmännische Ausbildung. Vor ihrem Eintritt in die AfD 2015, auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstroms, sei sie in keiner Partei gewesen. Sie nennt sich „konservativ“, schätzt Regeln und Tugenden wie „Pünktlichkeit, Ehrlichkeit und Anstand“. Wer sie reden hört mit ihrem brandenburgischen Einschlag in der Stimme, glaubt eine sehr pragmatische Frau vor sich zu haben. Bestimmt keine Ideologin.

Ich bin die, die die Gartenzwerge im Garten hat – Dana Guth

Aber Guth ist auch nicht unumstritten, der Flügel des Landesvorsitzenden Armin-Paul Hampel und vor allem Hampel selbst sehen sie äußerst kritisch. So soll sie sich nicht klar genug von einem jungen Mitglied in ihrem Kreisverband, Lars Steinke (24), distanziert haben. Steinke steht im Verdacht, Kontakte zur Identitären Bewegung zu haben, einem prominenten Vertreter dieser Gruppe ein Forum geboten zu haben und als Redner bei Mahnwachen des „Freundeskreises Niedersachsen-Thüringen“ aufgetreten zu sein.

Tatsächlich räumt er das ein, sagt aber, dies sei zu einer Zeit geschehen, als sowohl die Identitäre Bewegung als auch der Freundeskreis noch nicht rechtsextrem abgedriftet seien. „Inzwischen habe ich mich dort verabschiedet.“ Guth meint, sie habe sich nur dagegen gewehrt, dass Hampel mit wenig gehaltvollen Vorwürfen den Parteiausschluss von Steinke betreiben wollte. Dies Verfahren schwebe nun seit zwei Jahren, und zu Steinke habe sie keinen engen Kontakt, wie ihr immer wieder unterstellt werde.

Die Grenzziehung zum rechten Rand bleibt ein Thema

Immerhin: Der Fall verdeutlicht, dass die Grenzziehung zum rechten Rand auch für die neue neunköpfige AfD-Landtagsfraktion ein Thema bleibt, wie für die AfD bundesweit. Auch Stephan Bothe, Listenplatz zwei und einziger Hampel-Anhänger in der neuen Landtagsfraktion, war im vergangenen Jahr in seiner Heimat Lüneburg von den Jusos attackiert worden, da er angeblich Sympathien für die Identitäre Bewegung gezeigt habe – was Bothe empört zurückwies.

Wenn man die frischgebackenen AfD-Landtagsabgeordneten fragt, wie sie zu ihrer Partei gekommen sind, dann hört man oft ähnliche Antworten – die an die „Wutbürger“ erinnern. „Die Einwanderung in die Sozialsysteme“ habe ihn verärgert, sagt Harm Rykena, bisher Konrektor einer Grundschule in Ahlhorn (Kreis Oldenburg). Auch die „Gleichmacherei in den Schulen“ störe ihn, deshalb habe er, „früher stets Wechselwähler zwischen CDU und FDP“, schon 2013 den Weg zur AfD gefunden.

Peer Lilienthal (38) aus Barsinghausen (Region Hannover) ist seit 2012 Finanzbeamter, hat aber eigentlich erst ganz andere Wege eingeschlagen – er ging für zwölf Jahre zur Bundeswehr, hatte auch mehrere Auslandseinsätze in Afghanistan, studierte bei der Bundeswehr dann Politikwissenschaft und ging zum Finanzamt vor allem, weil der Beruf familienfreundlich war. Ihn hat die Euro-Krise und die Kritik an den Griechenland-Rettungsplänen zur Politik geführt – und ein Mentor, der Hamburger Wirtschaftsprofessor und dortige AfD-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Jörn Kruse.

Ex-Kabarettist nun Parlamentarischer Geschäftsführer

Als sich der Amtsrichter Christopher Emden aus Oyten (Kreis Verden), der bisher im ostfriesischen Norden tätig war, im August bei der AfD-Aufstellungsversammlung bewarb, schimpfte er auf „die Bundesregierung, die jeden Tag das Recht bricht“. Er meinte damit die Zuwanderung, die er für illegal hält. Ähnlich argumentiert Klaus Wichmann, der ebenfalls aus Verden kommt und auch Jurist ist, er arbeitet als Rechtsanwalt mit dem Spezialgebiet Erbrecht. Wichmann spricht von „Rechtsbruch“ im Zusammenhang mit der Aufnahme vieler Flüchtlinge: „Es war richtig, die Grenze zu öffnen für die Leute auf der Flucht. Aber gleich danach hätte man sie wieder schließen müssen.“

Auf den 53-Jährigen kommt künftig eine besondere Aufgabe zu, als Parlamentarischer Geschäftsführer fällt ihm eine wichtige organisatorische Rolle zu – und er wird als spontaner Redner gefordert sein. Dass Wichmann das kann, wird ihm in seiner Fraktion zugetraut. Er hat zunächst Deutsch und Geschichte in Münster studiert, später dann Jura in Bremen – und in Münster gehörte er zu einer Kabarett-Gruppe mit dem Namen „Die Buschtrommel“, die es heute noch gibt. „Provozieren kann ich also“, sagt er – doch das klingt bei ihm etwas anders als das, was Politiker von CDU, SPD, FDP und Grüne im Landtag befürchten, wenn sie auf die AfD blicken.

Bis auf einen eint die neue Landtagsfraktion eine – mehr oder weniger stark ausgeprägte – Abneigung gegen den Führungsstil des Landesvorsitzenden Hampel. Für manche ist Hampel ein rotes Tuch, die Gegnerschaft wirkt einigend. Sie raufen sich zusammen, und Vorzeichen einer nahenden Spaltung, wie bei der AfD in anderen Landtagen, sind in Niedersachsen nicht erkennbar. Ansätze für ein Abdriften in das extreme rechte Lager auch nicht. (kw)