8. Juni 2023 · 
Wirtschaft

Scheunenfeste leichter genehmigen? Da haben die Juristen noch einige Einwände

Im Landtag ist derzeit ein praktisches Beispiel für ein heikles politisches Problem zu beobachten: Wenn eine Reform angekündigt wird, meistens mit großem Getöse, dann klingen die Ziele noch ganz einleuchtend und nachvollziehbar. Sobald es später aber an die Detailarbeit der Gesetzgebung geht, tauchen auf einmal viele mehr oder weniger bedeutende Probleme auf – und die machen die versprochene „einfache, klare und schlanke Lösung“ dann oft unmöglich.

Die von Rot-Grün geplante Vereinfachung der Genehmigungen von Scheunenfesten stößt bei den Landtagsjuristen auf Vorbehalte. | Foto: GettyImages/DaveLongMedia

Es geht um das leidige Thema der Scheunenfeste, die vor allem in ländlichen Gegenden beliebt sind. Oft sind es örtliche Vereine, die Landjugend oder der Sportverein, die für ein größeres Event eine Scheune reservieren wollen und viele Menschen dahin einladen. Jahrelang sah die Versammlungsstättenverordnung dafür eine großzügige Genehmigungspraxis vor, doch im November 2021 änderte die damalige Große Koalition im Landtag die Bauordnung, um „zu mehr Rechtssicherheit beizutragen und einem gestiegenen Gefahrenbewusstsein Rechnung zu tragen“, wie es in einer aktuellen Gesetzesbeschreibung heißt. Das Resultat führte aber zur Verwirrung in den Fällen, in denen mit mehr als 200 Besuchern bei Veranstaltungen gerechnet wurde.

Die ab Januar 2022 gültige Vorschrift verlangte nämlich, dass dann eine Baugenehmigung beantragt werden müsse – und diese müsse „ein bauvorlageberechtigter Entwurfsverfasser“ (also ein Architekt) anfertigen. Ein Sturm der Entrüstung folgte, denn die Vorgabe bedeutete nicht nur einen anstrengenden bürokratischen Akt, sondern zugleich hohe Kosten für die Einschaltung eines Architekten. Damit die Aufregung sich wieder legt, verfügte die Landesregierung vor einem Jahr in einem Erlass an die Landkreise, Städte und Gemeinden, dass man „in Einzelfällen pragmatische Lösungen finden“ solle. Doch vielerorts war der nötige Pragmatismus in den Kommunalbehörden dann leider nicht vorhanden.



Im März 2023, nach einer neuen Welle von Protesten aus dem ländlichen Raum, teilte Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) mit, Scheunenfeste müssten wieder möglich sein – und auch Ehrenamtliche sollten in der Lage sein, solche Feste zu veranstalten. CDU-Wirtschaftssprecher Jörn Schepelmann forderte damals, dass die Vorgaben „das Ehrenamt nicht behindern dürfen“. Inzwischen nun liegt der rot-grüne Gesetzentwurf vor, und in den Landtagsgremien wird intensiv darüber verhandelt.

Ob aber das große Ziel der Entbürokratisierung und des Pragmatismus tatsächlich umgesetzt wird? Daran darf man zweifeln, sobald man auf die vom unabhängigen „Gesetzgebungs- und Beratungsdienst“ (GBD) der Landtagsverwaltung vorgetragenen Hinweise schaut. Zwar rät der GBD nicht von der geplanten Vereinfachung der Vorgaben ab – aber er äußert doch Bedenken, die in diese Richtung weisen:

Verzicht auf Architekten

Die von Rot-Grün angepeilte Änderung der Bauordnung sieht vor, dass im Regelfall kein „besonders qualifizierter Entwurfsverfasser“ mehr den Antrag für ein solches Fest stellen muss. Ausnahmen sollen aber möglich sein – allerdings nur, „wenn wegen des Brandschutzes besondere Fachkenntnisse erforderlich sind“. Das könne, heißt es in der Begründung, „bei großen, mehrgeschossigen Gebäuden, die vorübergehend von vielen Personen genutzt werden“, der Fall sein.

Hierzu hat der GBD nun einige Fragen: Dieser „Entwurfsverfasser“ könne dann ja auch ein Innenarchitekt sein – doch dagegen spreche, dass Innenarchitekten laut eines anderen Paragraphen in dem Gesetz nicht zur Erstellung bautechnischer Nachweise berechtigt seien. Also ein Widerspruch in sich. Ein anderes Problem hätten die kommunalen Bauaufsichtsbehörden. Sie müssten nach diesem Gesetzesvorschlag nämlich bei jedem Antrag detailliert prüfen, ob besondere Fachkenntnisse für den Brandschutznachweis erforderlich sind.

Eine „zurückhaltende Bauaufsichtsbehörde“ – so meint der GBD – könne dann annehmen, dass für Veranstaltungen mit mehreren hundert Personen wegen der möglichen Gefahren grundsätzlich besondere Fachkenntnisse nötig seien. Die eigentlich als Ausnahme angelegte Vorschrift im Gesetzentwurf könne so also zur Regel werden, die Vereinfachung der Abläufe werde folglich nur vorgegeben.

Vorschlag der Kommunen abgelehnt

Die Kommunalverbände hatten vorgeschlagen, den Hinweis auf möglicherweise „erforderliche besondere Fachkenntnisse“ aus dem Gesetz zu streichen – und die Klärung der Frage den Kommunen vor Ort zu überlassen. Aber weder das Wirtschaftsministerium noch der GBD sind mit dieser Idee einverstanden. Gleichzeitig weisen die Landtagsjuristen aber darauf hin, dass diese Fachkenntnis-Frage zu juristischem Streit führen könnte (wenn etwa ein Antrag auf ein Scheunenfest abgelehnt wird und der Antragsteller dagegen angeht). Gerichte müssten die Gründe, die zur Entscheidung einer Baubehörde führen, dann überprüfen können.

Nur den Brandschutz prüfen?

Der rot-grüne Gesetzesvorschlag sieht für die geplanten „vereinfachten Baugenehmigungsverfahren“ vor, dass die vorübergehende Nutzung von Räumen (etwa Scheunen) für Veranstaltungen immer dann möglich ist, wenn der Raum nicht mehr als drei Tage im Jahr für Zwecke einer Feier vorgesehen ist. Geprüft werden solle von den Baubehörden in diesen Fällen ausschließlich die Frage, ob „der Brandschutz gewährleistet ist“. Gegen diese Formulierungen hat der GBD nun auch Bedenken. Er weist darauf hin, dass diese formelle Erleichterung gut klinge, tatsächlich aber laut Bauordnung natürlich auch alle anderen Belange neben dem Brandschutz (so die Standsicherheit) eingehalten werden müssten.

Foto: GettyImages/Marco Richter

Der Hinweis darauf, alles auf den Brandschutz zu beschränken, klinge deshalb eigenartig. Auf der anderen Seite sei nämlich klar: Sobald die Behörde dann zufällig feststelle, dass das geplante Gebäude nicht standfest sei, müsse sie auf der Basis anderer Rechtsvorschriften dagegen vorgehen. Deshalb sollten in die Prüfung nun neben dem Brandschutz auch „Sicherheitsbelange“ einbezogen werden. Der GBD sieht es außerdem als vorteilhaft an, dass die Baubehörde notfalls auch „ein Brandschutzkonzept“ vom Veranstalter anfordern können soll – ein Schritt, der im Gesetzentwurf nicht vorgesehen ist.

Umfangreiche Schritte nötig

Der GBD unterstreicht in seiner Bewertung noch einmal, dass trotz aller geplanten Vereinfachungen bei der Genehmigung von Scheunenfesten wichtige in der Bauordnung verankerte Bedingungen weiterhin zwingend beachtet werden müssen. Auch ohne Verpflichtung für Brandschutznachweise und Brandschutzkonzepte müsse es in der Veranstaltung gleichwohl Brandschutzbeauftragte geben undes müsse eine Brandschutzordnung aufgestellt werden. Das Risiko liege dann darin, dass die Bauaufsicht bei Beginn der Veranstaltung kurzfristig einschreiten und Auflagen verlangen kann.

Was am Ende der Gesetzesberatungen von dem großen Ziel übrig bleibt, die Genehmigung von größeren Dorffesten in Scheunen zu erleichtern und von Bürokratie zu befreien, wird sich in einigen Wochen zeigen – denn das Gesetz soll schon bald vom Landtag beschlossen werden. Das große Ziel eint alle politischen Lager, aber die juristische Umsetzung fällt enorm schwer.


Dieser Artikel erschien am 9.6.2023 in Ausgabe #105.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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