Vor einigen Monaten war Umweltminister Olaf Lies in Brüssel, um bei der Europäischen Union für eine Änderung der Wolfspolitik zu werben. Vor allem will er erreichen, dass Wölfe nicht nur dann abgeschossen werden dürfen, wenn sie eine unmittelbare Gefahr für den Menschen darstellen. Um zu unterstreichen, wie wichtig eine Änderung der Wolfspolitik ist, hatte Lies den Generaldirektor Umwelt der EU-Kommission, Humberto Delgado Rosa, zu einem Besuch in Niedersachsen eingeladen. Gemeinsam mit der Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, kamen sie in den Landkreisen Celle und Cuxhaven mit Weidetierhaltern ins Gespräch. Deren Botschaft lautete, dass sie sehr wohl wissen, wie langfristig man sich mit dem Wolf arrangieren müsse. Doch dafür müssten die – vor allem finanziellen – Bedingungen stimmen.

Umweltminister Olaf Lies, EU- Umweltkommissar Humberto Delgado Rosa und die Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, Beate Jessel, begutachten einen „wolfssicheren“ Zaun. Foto: Christian

Langsam schlendern eine Schäferin und ihre beiden Hütehunde über ein Feld bei Faßberg im Landkreis Celle, sie treiben rund 750 Heidschnucken vor sich her. Der Mann, dem die Tiere gehören, beobachtet die Szene. Er heißt Carl-Wilhelm Kuhlmann und ist Vorsitzender des Verbands der Lüneburger Heidschnuckenzüchter. Er will seinen Besuchern aus Hannover und Brüssel vor Augen führen, was ihre Politik vor Ort bewirkt. „In der Theorie wird davon ausgegangen, dass der Wolf den Menschen scheut. Wenn also eine Herde von einem Schäfer beaufsichtigt wird, ist sie sicher vor dem Wolf. Aus eigener Erfahrung kann ich ihnen sagen, dass das nicht stimmt.“ Er und die Hunde seien bei den Heidschnucken gewesen, als vor einigen Monaten plötzlich ein Wolf aus dem Wald trat, sich ein Lamm schnappte und damit davonrannte. „Als ich den Schaden beim Land melden wollte, haben sie gesagt, das sei ganz schwierig zu belegen. Denn es gebe ja keinen Riss und keine Spuren. Ob ich nun Geld für die verlorene Schnucke bekomme, ist noch immer offen“, sagt Kuhlmann.

Eine Schäferin treibt die Heidschnucken zum Gatter. Foto: Christian

Er und einige andere Viehhalter aus der Gegend fordern den Abschuss des Wolfes, im Idealfall des ganzen Rudels, das dort lebt. „Denn das Wissen um die Jagd auf Nutztiere wird weitergegeben“, sagt Kuhlmann. Doch die Viehhalter wissen auch, dass sie sich langfristig mit dem Wolf arrangieren müssen. „Er wird von allein nicht wieder verschwinden.“ Daher wollen sie der Politik einen anderen Vorschlag machen. „Wir wollen, dass es jährlich für jedes registrierte Tier eine Prämie von etwa 75 Euro aus der Nutztierkasse gibt, in Gegenden mit vielen Wölfen etwas mehr, weil der Aufwand dort höher ist“, sagt Kuhlmann. Im Gegenzug sollen die Subventionen für Wolfspräventionsmaßnahmen und die Entschädigung wegfallen. Denn jeder Schäfer wisse selbst am besten, wie er seine Herde wirkungsvoll schützt. Doch dafür müsse das nötige finanzielle Grundgerüst stehen. „Durch den Wolfsschutz entstehen dem Schäfer Mehrkosten von rund 35.000 Euro, die nicht von der Förderung gedeckt sind“, sagt Kuhlmann. Das seien Kosten für Hütehunde, aber vor allem für zusätzliche Angestellte. „Heidschnucken können nicht den ganzen Tag auf einer Fläche stehen. Damit die Heide richtig wachsen kann, muss die Herde immer weiterziehen. Und deshalb jeden Tag einen wolfssicheren Zaun ab- und woanders wiederaufzubauen, ist arbeits- und kostenintensiv.“


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Umweltminister Lies betonte mehrfach, dass er die Sorgen der Weidetierhalte verstehe. „Der Wolf hat das Fass der Probleme der Weidetierhalter zum Überlaufen gebracht. Deshalb müssen wir jetzt schnell eine Lösung finden, wie die Weidetierhaltung wieder auf eine sichere finanzielle Basis gestellt werden kann.“ Er wolle den Vorschlag der Weidetierhalter nach einer allgemeinen Weidetierprämie aufnehmen, sagte Lies. Doch auch eine Ausweitung der Möglichkeiten zum Abschuss will er dennoch weiterverfolgen. In der kommenden Woche soll das Kabinett eine Bundesratsvorlage beschließen, wonach die Bundesregierung Möglichkeiten zur Übertragung des französischen Modells auf Deutschland prüfen soll. In Frankreich wird seit geraumer Zeit jedes Jahr eine bestimmte Anzahl von Wölfen geschossen. EU-Kommissar Delgado Rosa betonte, die EU interessiere sich für die Konsequenzen ihrer Wolfspolitik, doch Deutschland sei nicht das einzige Land, in das die Wölfe zurückkehrten. „Es ist gerade eine schwierige Zeit, aber der Blick in andere Länder zeigt, dass eine Koexistenz sehr wohl möglich ist.“ Diese Ansicht teilen die Weidetierhalter nur bedingt. „Uns ist klar, dass wir mit dem Wolf leben müssen. Aber um die Akzeptanz der Tiere zu halten, reicht es nicht, immer auf andere Länder zu verweisen. Wenn ein Wolf am helllichten Tag eine Herde angreift, dann muss das Konsequenzen haben“, sagt Kuhlmann.

Der CDU-Umweltpolitiker Martin Bäumer sagte, die Wolfspopulation in Niedersachsen habe mittlerweile eine Größe erreicht, die das Zusammenleben „unverträglich macht“. Auf 1000 Quadratkilometer kämen in Niedersachsen 4,2 Wölfe – besonders kritisch sei die Lage in den Kreisen Uelzen und Celle.