
Teile der Bundesregierung sehen das mit Desinteresse, ärgerte sich nun Niedersachsenmetall-Hauptgeschäftsführer Volker Schmidt, und wenn sich ein Verbandsvertreter zu einer so drastischen Kritik hinreißen lässt, dann ist etwas schiefgelaufen – und das nicht erst seit gestern. In der Tat ist die Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit bei den Investitionen ebenso groß wie die real existierende Lücke zwischen Politik und Industrie. Sie beruht allerdings, was die Bundesebene angeht, auf Beidseitigkeit. So verstehen viele Politiker von der täglichen Realität in einem Industriebetrieb genauso wenig wie viele Wirtschaftskapitäne vom politischen Alltag. Dass es zu einer Entkopplung der Politik gekommen ist, daran hat die Wirtschaft aber eine gehörige Portion Mitschuld.
Jahrelang, bis zum heutigen Tag, meinten und meinen viele Verbands- und Unternehmensvertreter in der Bundeshauptstadt, ihre Anliegen am besten in Kungelrunden in den Hinterzimmern der Macht lösen zu können. Dabei war ihnen vollkommen egal, dass sich der Wind in der Gesellschaft drehte und die Einstellung eines großen Teils immer industriekritischer wurde. Die „Jetzt setzt Ihr das mal schön um“-Aufforderung an die Politik erweist sich als fataler Fehler, der sich heute rächt. Kungeln statt kommunizieren, Brunch im hippen Berliner Soho-House statt Rundgang über das Werksgelände – das alles hat erst zur Beziehungskrise zwischen Wirtschaft und Politik geführt. Das TTIP-Desaster wird gerne auf die Politik abgewälzt. In Wirklichkeit ist es ein vollständiges Kommunikationsversagen der Industrie und deren Verbänden im politischen Berlin. Der Bundesverband der Deutschen Industrie setze dem Ganzen noch die Krone auf, als er zu guter Letzt mit einer halbherzigen Kampagne nur noch den Anschein vorgab, die Stimmung noch einmal drehen zu wollen. Auch hier agierten viele erneut lieber in Hinterzimmern – diesmal allerdings zunehmend panisch. Wer die Politik wieder für seine Interessen erreichen möchte, der muss zunächst einmal wieder in der Gesellschaft ein offenes Ohr für seine Probleme bekommen. Sie ist der Schlüssel für einen besseren Zugang zur Politik. Dafür muss man nicht nur die Werkstore öffnen, sondern auch offen und aktiv kommunizieren. Es stimmt schon, dass es einen personellen Aderlass in der Wirtschaftspolitik gibt. Das liegt aber in Teilen auch daran, dass es für keinen Politiker attraktiv ist, wirtschaftspolitische Forderungen zu erheben, die von den industriepolitischen Verbänden dann nur lustlos und übervorsichtig unterstützt werden. Wer seine Sache engagiert nach außen vertritt, der wird auch wieder die politischen Pendants an seiner Seite finden. Mail an den Autor dieses Kommentars