2. Nov. 2023 · 
Inneres

Rot-Grün und CDU wetteifern mit Anträgen gegen Judenhass und Rassismus

Die aktuelle Lage ist angespannt, auch in Niedersachsen. Wie Landespolizeidirektor Ralf Leopold am Donnerstag im Landtags-Innenausschuss erklärte, verzeichnen die Behörden seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober eine wachsende Zahl von antisemitischen Straftaten. In sechs Fällen ist es seitdem sogar zum Verbot geplanter Versammlungen in Niedersachsen gekommen.

Vor diesem Hintergrund befassen sich die Landtagsfraktionen in der kommenden Woche im Landtagsplenum intensiv mit der Frage, wie die Demokratie vor Angriffen geschützt werden kann – und wie man noch entschiedener als bisher gegen Antisemitismus vorgehen kann.

Foto: Cineberg via Getty Images

Ein Entschließungsantrag der CDU mit der Überschrift „Jüdisches Leben in Niedersachsen schützen“ enthält unter anderem eine ausdrückliche Forderung: „Es muss sichergestellt werden, dass Vereine und Organisationen, die antisemitische Ansichten vertreten, keinerlei Landesförderung erhalten.“ Obwohl es nicht ausdrücklich erwähnt wird, sind hier Projekte des Programms „Demokratie leben!“ gemeint und die Bundes-Pläne im Zusammenhang mit dem vorgesehenen „Demokratiefördergesetz“, Vereinigungen mit dem Ziel einer Stärkung der Demokratie dauerhaft und institutionell zu unterstützen.

Die rot-grüne Koalition in Niedersachsen legt im Kontrast zur CDU einen Antrag vor, der das „Demokratiefördergesetz“ des Bundes ausdrücklich begrüßt. In diesem Antrag von SPD und Grünen ist zwar auch von einer konsequenten Islamismus-Prävention die Rede und von Antisemitismus-Prävention, er enthält aber anders als das CDU-Papier keinen Ruf nach einer Bedingung für die Auszahlung von Fördergeldern.

Landtag wird am 9. November diskutieren

Die beiden Anträge werden am kommenden Donnerstag, dem historischen 9. November (Jahrestag der Novemberrevolution 1918 und der Novemberpogrome 1938) im Landtag diskutiert – allerdings zeitversetzt. Das alles geschieht vor dem Hintergrund einer bundesweiten Diskussion über das „Demokratiefördergesetz“ und das bereits bestehende Förderprogramm „Demokratie leben!“ des von Lisa Paus (Grüne) geführten Bundesfamilienministeriums. Der Vorwurf, der bundesweit aus den Reihen der CDU und auch der FDP erhoben wird, zielt auf solche Empfänger von Förderungen, die selbst Intoleranz und Radikalismus predigen – oder sogar antisemitisch sind. Der Verdacht besteht bei einigen Institutionen, die mit dem Button „Wir sind gegen rechts“ für sich werben. Von bundesweit 700 Projekten bei „Demokratie leben!“ richteten sich sehr viele gegen Rassismus und Muslimfeindlichkeit – aber nur wenige gegen Antisemitismus.

In ihrem Entschließungsantrag gehen SPD und Grüne auf diesen Umstand nicht ein. Dort heißt es jedoch, nach dem geplanten „Demokratiefördergesetz“ des Bundes wäre auch eine entsprechende Landes-Vorschrift sinnvoll, damit Empfänger von Förderungen „Planungssicherheit“ erlangen könnten. Außerdem solle, heißt es im rot-grünen Antrag, das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ vom Land unterstützt werden.

Die CDU geht in ihrem Antrag speziell auf den Antisemitismus näher ein und schreibt: „In diesem Zusammenhang darf nicht verschwiegen werden, dass nach einer aktuellen repräsentativen Erhebung der Konrad-Adenauer-Stiftung antisemitische Einstellungen unter den in Deutschland lebenden Muslimen signifikant stärker ausfallen als im Bevölkerungsdurchschnitt.“ Der in rechtsextremen Netzwerken gepflegte Antisemitismus verbreite „erhebliche Gefahren“, das gelte auch für Verbindungen zur Querdenker- und Reichsbürgerszene. Nötig sei aber ein „ganzheitliches Vorgehen gegen alle Formen des Antisemitismus“, das sich nicht auf eine politische Richtung beschränke. Die CDU fordert zudem ein Bekenntnis zum Existenzrecht Israels für jeden, der deutscher Staatsbürger werden will.


SPD betont Einigkeit: SPD-Fraktionschef Grant Hendrik Tonne antwortete am Donnerstag auf die Frage nach einem Pro-Israel-Bekenntnis als Bedingung für finanzielle Förderung von Demokratie-Projekten. Es gebe „in der Sache überhaupt keinen Dissens“, die Koalition stehe fest an der Seite Israels. Die Frage, welcher Anbieter von Demokratieförderung eine staatliche Zuwendung erhält und welcher nicht, solle nicht Gegenstand eines Gesetzes sein.

Polizei sieht Gefährdungslage: Seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober hat es in Niedersachsen landesweit 84 Versammlungen gegeben, darunter 39 pro-palästinensische und 31 pro-israelische. 17 Strafverfahren gab es, weil beispielsweise verbotene Hamas-Propaganda gezeigt wurde. Es gab auch Beschädigungen jüdischer Einrichtungen oder von Israel-Fahnen. Sechs Versammlungen in Braunschweig, Salzgitter, Osnabrück, Oldenburg und Wolfenbüttel wurden verboten, da Straftaten wie das Zeigen verbotener Symbole befürchtet worden war. Laut Landespolizeidirektor Ralf Leopold hat es bis zum 7. Oktober etwa 200 antisemitische Vorfälle in Niedersachsen gegeben. Danach sei ein Anstieg festzustellen gewesen – „im zweistelligen Bereich“, sagt Leopold. Es gebe auch „spürbar mehr pro-palästinensische Versammlungen“.

Dieser Artikel erschien am 3.11.2023 in Ausgabe #190.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Gerald Heere | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link
Vorbild NRW? Lies und Heere bereiten die Gründung einer Liegenschafts-Anstalt vor
6. Juni 2025 · Klaus Wallbaum4min
Foto: Lada
Mareike Wulf im Podcast: Schüler-ID kann bei der Berufsberatung sehr viel weiterhelfen
3. Juni 2025 · Niklas Kleinwächter4min
An einem geheimen Ort in Oldenburger Land beginnt der CSC  Ganderkesee demnächst mit dem Cannabis-Anbau. | Symbolfoto: GettyImages/Matija Keber
Das Cannabis-Modellprojekt in Hannover stößt auf Kritik bei Ärzten und Apothekern
5. Juni 2025 · Anne Beelte-Altwig3min