Regionalämter: So sähe das Baden-Württemberg-Modell für Niedersachsen aus
Sie wurden von Anfang an kritisch beäugt. Als Rot-Grün Anfang 2014 vier neue „Ämter für Regionalentwicklung“ eingerichtet hatte, war die schwarz-gelbe Opposition vehement dagegen. An die Spitze dieser Behörden wurden auch noch Landesbeauftragte als politische Beamte eingesetzt. „Versorgungsposten“ seien das, schimpften damals empörte Christ- und Freidemokraten. Heute, nach dem Start der ersten Koalitionsgespräche, deutet nun aber viel darauf hin, dass es bei diesen Regionalämtern bleiben wird. Zumindest zwei Landesbeauftragte an der Spitze, Matthias Wunderling-Weilbier (SPD) in Braunschweig und Franz-Josef Sickelmann (parteilos) in Oldenburg, dürften in ihrem Posten gesichert sein. Was aus Karin Beckmann (SPD) in Hildesheim und Jutta Schiecke (Grüne) in Lüneburg wird, steht noch in den Sternen.
[caption id="attachment_28645" align="aligncenter" width="780"] Die Ämter für Regionalentwicklung dürften auch Thema der Koalitionsgespräche werden - Foto: MB.[/caption]
Im Wahlkampf war dieses Thema spannend vor allem mit Blick auf die CDU gewesen. Im Entwurf des Wahlprogramms hatte die Partei noch die Abschaffung der Regionalämter gefordert. Damit hatte sie aber offenbar übersehen, dass wenigstens in Braunschweig und Oldenburg die Landesbeauftragten als Repräsentanten der Region angesehen werden, im weitesten Sinne also als Nachfolger der einstigen, 2005 abgeschafften Regierungspräsidenten (auch wenn die Beauftragten vom Rang und Status her weit tiefer angesiedelt sind).
Kurz bevor das CDU-Wahlprogramm dann beschlossen wurde, hat der kleine Parteitag auf Wunsch des Landesvorstandes die programmatische Kehrtwende vollzogen: Die Ämter sollen bleiben, statt vier soll es aber acht davon geben, diese sollen „Innovationszentren“ heißen und eine bessere Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ebnen. Wenige Tage vor der Wahl kamen dann wieder neue Signale von der CDU, über die Anzahl und das Aufgabenspektrum der Zentren müsse man dann „noch mal reden“, hieß es.
So sähe das Baden-Württemberg-Modell für Niedersachsen aus
Damit scheint nun wahrscheinlich, dass es diese Ämter weiter geben wird, vielleicht werden anstelle von vier künftig sechs Beauftragte tätig werden. Ihre Hauptaufgabe besteht – wie seit 2014 schon – in der Anbahnung von Kontakten. Die Regionalämter führen Bürgermeister, Landräte, lokale Akteure der Wirtschaft und der Hochschulen zusammen. Gemeinsame Anträge für EU-Förderungen werden gestrickt, komplexe Großprojekte gemanagt. Die SPD hatte in ihrem Wahlprogramm angekündigt, „diesen Weg fortsetzen“ und „weitere regional bedeutsame Aufgaben des Landes auf die Ämter übertragen“ zu wollen.
Der Gedanke, der dahinter stecken könnte, ist vor zwölf Jahren in Baden-Württemberg unter dem damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) umgesetzt worden. Teufel hatte – sehr konsequent – die Behördenlandschaft ausgedünnt. Von 450 Landesbehörden wurden 350 abgeschafft, darunter viele Landesämter. Die verbliebenen Aufgaben wurden teilweise auf die Regierungspräsidien, teilweise auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt.
In dieser Logik sähe ein Baden-Württemberg-Modell für Niedersachsen so aus: Mehrere mit Wirtschaftsförderung und Genehmigung betraute Landesämter würden aufgelöst – so etwa der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz, die N-Bank, die Landesämter für Geoinformation, für Statistik oder auch das Landesbergamt. Die Zuständigkeiten könnten dann auf die – vier, sechs oder acht – Regionalämter verteilt werden. Dies hätte den Vorteil, dass die bisher nur mit „weichen Aufgaben“ betrauten Landesbeauftragten an der Spitze der Regionalämter für „harte“ Genehmigungsentscheidungen zuständig wären.
Kommt die „kleine“ Kreisreform?
Gerade von Kommunen kam nämlich wiederholt die Beschwerde, dass etwa der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz zu sehr aus umweltschutzfachlicher Sicht entscheide – und das heiße, dass nötige Genehmigungen oft erst sehr spät erteilt würden. Viele Kommunalvertreter hoffen, die Landesbeauftragten würden pragmatischer entscheiden als die mit einer Umwelt-Brille versehenen Vertreter des Landesbetriebs – das würde dann bedeuten: schneller und weniger von Bedenken geprägt. Die Landesbeauftragten würden damit aber auch mächtiger. Wenn sie noch die Kommunalaufsicht als Aufgabenfeld bekämen, wäre sie auf einmal enorm gestärkt.
Als der damalige Innenminister Uwe Schünemann 2005 – parallel zu Teufel in Baden-Württemberg – sein Reformmodell präsentierte, sprach er sich bewusst gegen gebündelte Mittelbehörden aus: Die Bezirksregierungen wurden abgeschafft, ein Teil der Aufgaben wurde hochgezogen auf Landesämter und Ministerien, der andere Teil an die Kommunen übertragen. Da aber viele Kreise zu klein und schwach für die professionelle Wahrnehmung neuer Aufgaben sind, wäre die Kreisreform der logische nächste Schritt gewesen. Weil aber die Ministerpräsidenten Christian Wulff und David McAllister den mit einer Kreisreform verbundenen Ärger scheuten, blieb Schünemanns Reform auf halbem Wege stecken.
Heute fordert nicht einmal mehr die CDU, hier anzusetzen und das bis 2013 Versäumte nun nachzuholen. Lediglich der Vorsitzende des Landkreistages, Göttingens Landrat Bernhard Reuter (SPD), empfahl vor wenigen Tagen öffentlich, man solle mit Blick auf die Zukunftsaufgaben auch über die Fusion kleiner Kreise nachdenken. Dass von den Kreisen selbst dieser Vorschlag kommt, hat durchaus strategische Bedeutung: Gern würden die Landkreise viel mehr Aufgaben des Landes übernehmen – doch sie wissen, dass das nur geht, wenn alle Kreise dafür auch leistungsfähig genug sind. Eine Reform wäre also unausweichlich.
Dass die Koalitionäre nun das Startsignal zu einer „kleinen“ Kreisreform geben, die etwa nur die auf mittlere Sicht existenzbedrohten Kreise Helmstedt, Lüchow-Dannenberg, Holzminden und Northeim umfasst, ist gleichwohl unwahrscheinlich – es ist vor allem die CDU, die in ihrem Wahlprogramm hier auf die Bremse getreten ist. Andererseits sehen es viele Landkreise nicht ohne Sorge, dass mit möglicherweise zu starken Regionalämtern des Landes eine andere Gefahr drohen könnte – dass nämlich schwächelnde Kreise einige ihrer Aufgaben an die Landesbeauftragten abtreten müssen. „Auf keinen Fall darf es dazu kommen, dass die Landesbeauftragten sich wie Vorgesetzte gegenüber Landräten und Bürgermeistern benehmen können“, betont Hubert Meyer, Hauptgeschäftsführer des Landkreistages. Er warnt schon einmal vorsorglich. (kw)Dieser Artikel erschien in Ausgabe #196.