Die Hoffnungen führender Kommunalpolitiker in der Region Braunschweig richten sich jetzt auf den neuen niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne). Wird Meyer den seit Jahren regen, anscheinend kaum nachlassenden Protest von Bürgerinitiativen gegen das Atommüllendlager „Schacht Konrad“ erhören und den Planfeststellungsbeschluss von 2002 widerrufen? Ein entsprechender Antrag liegt dem Umweltministerium in Hannover schon seit Mai 2021 vor, doch der damalige Minister Olaf Lies (SPD) wollte das heiße Eisen wohl nicht anpacken.

Machen in Hannover Druck (von links): die Oberbürgermeister Thorsten Kornblum, Frank Klingebiel und Dennis Weilmann. | Foto: Klaus Wallbaum

Am Mittwoch haben die Konrad-Gegner in Hannover Druck gemacht – neben Vertretern von Umweltverbänden, Landvolk und IG Metall waren auch vier einflussreiche Kommunalpolitiker erschienen: Die Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) aus Salzgitter, Thorsten Kornblum (SPD) aus Braunschweig und Dennis Weilmann (CDU) aus Wolfsburg, sowie der Landrat Gerhard Radeck (CDU) aus Helmstedt. Klingebiel sagte einleitend, der neue Minister Christian Meyer habe ihm gegenüber erklärt, dass er „für ein Gespräch zur Verfügung steht“. Daraus lässt die Initiative jetzt neue Hoffnung keimen.

Konrad-Gegner: Umweltministerium soll per Verwaltungsakt den Planfeststellungsbeschluss widerrufen

Die Diskussionen und Planungen zum Schacht Konrad, einem stillgelegten Eisenbergwerk, sind schon mehr als 40 Jahre alt. Wie Klingebiel berichtet, hat es zu Beginn schon mehr als 300.000 Einwendungen, unzählige juristische Verfahren, ausgedehnte Protestaktionen und Unterschriftensammlungen gegeben. Der Planfeststellungsbeschluss von 2002 wurde juristisch angefochten, doch aus formalen Gründen wiesen das Oberverwaltungsgericht Lüneburg und das Bundesverwaltungsgericht 2006 und 2007 die Klagen ab.



Damit scheinen die juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft zu sein. Die Konrad-Gegner wählen nun einen anderen Weg – sie wollen erreichen, dass das Umweltministerium in Hannover per Verwaltungsakt den alten Planfeststellungsbeschluss widerruft. Es habe ja vor der Festlegung auf den Schacht Konrad als Endlager kein vernünftiges Standortauswahlverfahren gegeben, was hätte zwingend sein müssen. Zudem sei der Planfeststellungsbeschluss schon 2002, also vor 21 Jahren ergangen, sei damit also veraltet. Die „Rückholbarkeit“ des dorthin zu verbringenden Abfalls sei nicht bedacht worden. Allerdings gilt das Kriterium „Rückholbarkeit“ nur für hochradioaktiven Müll, nicht für schwach- und mittelradioaktiven, wie er in den Schacht Konrad kommen soll.

Aber, so wendet Ursula Schönberger von der Bürgerinitiative ein, die Unterscheidung der Müllarten sei doch überhaupt fragwürdig. Daher könne man den seit wenigen Jahren laufenden Endlager-Suchprozess auch für ein Lager wie das in Salzgitter geplante erweitern – und die Standortsuche folglich noch einmal von vorn starten. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat aber offenbar auf Kontaktversuche der Bürgerinitiative bisher abweisend reagiert.



Was könnte demnächst geschehen? Wenn Umweltminister Meyer den Antrag auf Widerruf des Planfeststellungsbeschlusses verwirft, wäre der Aufschrei der Region vermutlich groß – und die Bürgerinitiative könnte dagegen gerichtlich angehen. „In diesem Fall könnten wir die Kraft der Umweltverbände vor Gericht geltend machen“, sagt Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit. Falls Meyer aber so handelt, wie die Konrad-Gegner es von ihm erhoffen, droht ein politischer Kraftakt: Die Bundesregierung könnte das Umweltministerium in Hannover anweisen, von der Außerkraftsetzung des Planfeststellungsbeschlusses abzusehen – denn Atomrecht ist Bundesrecht, das Land Niedersachsen handelt hier nur im Bundesauftrag.

Braunschweigs OB Kornblum sagt, dass im rot-grünen Koalitionsvertrag des Landes die deutliche Skepsis gegenüber den Plänen für Schacht Konrad niedergeschrieben ist. „Auf dieser Basis könnte Minister Meyer seine ganze Kraft dafür einsetzen, etwa über eine Bundesratsinitiative, neue Bedingungen zur Standortsuche zu definieren. Danach könnte dann die Suche nach einem Lager für schwach- und mittelradioaktive Stoffe neu beginnen.“ Die rechtlichen Grundlagen dafür, dass Schacht Konrad wie bisher geplant 2027 in Betrieb gehen kann, könnten verändert und überarbeitet werden. Wolfsburgs OB Weilmann meinte, der Stand von Technik und Wissenschaft habe sich weiterentwickelt – das müsse auch für Schacht Konrad angewandt werden. Helmstedts Landrat Radeck sagte, die relativ dichtbesiedelte Region sei mit Morsleben und Asse schon genug gebeutelt, da müsse der Schacht Konrad nicht noch hinzukommen.