
Die Aidshilfe warnt vor dramatischen Entwicklungen in Niedersachsens südafrikanischer Partnerregion Eastern Cape. Beinahe über Nacht brach in der Provinz im Südosten des Staates Ende Januar die gesundheitliche Begleitung für HIV-Infizierte sowie lesbische, schwule, bisexuelle und transidente Menschen (LSBT) weg. Der Grund: Etwa 17 Flugstunden weit entfernt hat US-Präsident Donald Trump entschieden, die Förderung durch die US-amerikanische Behörde für internationale Entwicklungshilfe, USAID, zu stoppen. Zuerst wurden Ende Januar die USAID-Programme für 90 Tage eingefroren, kurz darauf kündigte Trump eine radikale Kürzung der Finanzmittel an. Die Auswirkungen waren am südafrikanischen Ostkap unmittelbar zu spüren, wie Mbulelo Xinana, LSBT-Projektleiter vom Nelson Mandela Bay, im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick berichtet. Da die Förderung immer rückwirkend für die vergangenen drei Monate gezahlt wurde, seien zahlreiche Einrichtungen schlagartig zahlungsunfähig gewesen. Die Mitarbeiter rutschten in die Arbeitslosigkeit, Spezialkliniken gingen pleite und zahlreiche Patienten stehen seitdem ohne Hilfe da. „Eine Million positiv Getestete sind über Nacht verschwunden“, schildert Xinana die prekäre Lage in der von Armut geprägten Provinz. Die niedrigschwelligen und teilweise auch aufsuchenden Versorgungsangebote endeten abrupt. Vorsorgeprogramme für Menschen mit risikoreichem Sexualverhalten, die medizinische Versorgung für bereits Infizierte oder auch die Hormonbehandlung für Trans-Menschen bleibt seitdem vielerorts aus.
Die Organisation „Out“, die sich um diese vulnerablen Gruppen kümmert, nennt in einem Bericht Zahlen für ein konkretes Beispiel. Weil das Büro in Gqeberha (früher Port Elizabeth, Sitz der Metropolverwaltung von Nelson Mandela Bay) schließen musste, konnten von da an 850 Klienten nicht mehr therapiert werden. Das UN-Aids-Programm (UNAIDS) warnt vor den globalen Auswirkungen der Streichungen durch die US-Regierung: Weltweit drohten demnach nun täglich 2000 neue HIV-Infektionen sowie eine Verzehnfachung der Aids-bedingten Todesfälle. UNAIDS-Direktorin Winnie Byanyima berichtete von Hochrechnungen ihrer Organisation, wonach es in den kommenden vier Jahren 8,7 Millionen zusätzliche Infektionen und 6,3 Millionen zusätzliche Todesfälle geben könnte, weil Gesundheitsfachkräfte entlassen und Kliniken geschlossen wurden.
Dabei war man im Kampf gegen die Aids-Epidemie in Südafrika gerade auf einem guten Weg – nicht zuletzt im Eastern Cape. Andreas Paruszewski, Geschäftsführer beim Braunschweiger Verein für sexuelle Emanzipation (VSE), berichtet begeistert von seinen früheren Besuchen in Nelson Mandela Bay. Besonders angetan war er von der Trans-Klinik, die ihre Klienten auch durch aufsuchende Arbeit erreichte. In seinen Augen sei das ein „besonders fortschrittliches Projekt“ gewesen, das es so nicht einmal in Deutschland gebe. Doch nun blickt er mit Sorge auf das, was ihn bei der nächsten Delegationsreise im Herbst erwarten sollte. „Du wirst kein Zeichen mehr vom Fortschritt der letzten Jahre wiederfinden“, warnt Mbulelo Xinana in einer gemeinsamen Videokonferenz. Die Kürzung der Fördergelder werfe die Region in Sachen HIV-Eindämmung und LSBT-Rechte um 20 Jahre zurück, meint er. Neben der rein medizinischen Versorgung würden jetzt auch Schutzräume, Empowerment-Programme und psychosoziale Beratungen einfach wegbrechen. Außerdem waren die Programme auch ein Jobmotor für medizinisches Personal und Sozialarbeiter in der strukturschwachen Region.

Was kann nun helfen? „Es gibt mit Sicherheit keine niedersächsische Lösung für dieses Problem“, sagt Christin Engelbrecht, Geschäftsführerin vom Landesverband Sexuelle Gesundheit Niedersachsen (früher: Aidshilfe). „Aber zumindest auf nationaler Ebene könnte das Thema aus Niedersachsen heraus vorangetrieben werden“, hofft sie und warnt vor den Folgen auch für Europa, wenn die HIV-Infektionen wieder rasant ansteigen sollten. Das Land Niedersachsen hat in der Vergangenheit bereits im kleinen Stil dazu beigetragen, den fachlichen Austausch zur HIV-Vermeidung zu vertiefen. 2018 wurde aus der Partnerschaftsarbeit heraus ein Pilotprojekt initiiert, bei dem sich eine Medizinerin der MHH in Südafrika im Bereich der Infektiologie weiterbildete. Im Mai 2018 besuchte sogar der damalige Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Medizinerin Christine Knuth in der HIV-Ambulanz in Eastern Cape. Aktuell besucht die CDU-Landtagsfraktion mit einer Delegation die Partnerregion. Paruszewski vom VSE kann sich gut vorstellen, derartige Programme auszubauen. Braunschweig sei auf dem Weg, Partnerstadt von Gqeberha zu werden. Vielleicht erwächst daraus mehr. Mbulelo Xinana appelliert, sich bei möglichen Unterstützungsmaßnahmen auf die noch bestehenden Organisationen zu fokussieren.