Die Leiterin des Tarifrecht-Referats im Finanzministerium, Corinna Kuhny, hat ihre Verwunderung über das massive Auftreten von Staatskanzlei-Chef Jörg Mielke in der Büroleiter-Affäre ausgedrückt. Kuhny trat als dritte Zeugin im „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss“ (PUA) auf und schilderte dabei ihre Erlebnisse.
Das Tarifrecht-Referat hatte die von der Staatskanzlei gewünschte AT-Vergütung der Büroleiterin des Ministerpräsidenten von EG15 auf B2 zunächst abgelehnt und erhebliche Bedenken geäußert. Nach einer monatelangen internen Diskussion wurde Kuhnys Referat dann angewiesen, die bisherige Verwaltungspraxis zu ändern.
Als Zeugin vor dem PUA fasste die Beamtin die Abläufe so zusammen: „Die Personalie wurde von der Staatskanzlei vorgetragen, wir haben abgelehnt. Dann folgte ein langes Hin und Her, von uns kam ein klares Nein. Daraufhin mussten wir die Regeln ändern – und dann ging es doch.“

Der PUA untersucht die Umstände der umstrittenen Besser-Stellung der Büroleiterin, die zugleich hohe Parteifunktionen im SPD-Unterbezirk Heidekreis innehat. Sie wurde im November 2023 vom Kabinett auf B2 eingestuft, obwohl sie erst seit wenigen Jahren einen Masterabschluss hatte. Zuvor wurde die Verwaltungspraxis geändert, denn nach der alten Regel hätte sie als Angestellte mindestens zehn Jahre auf diese Vergütung warten müssen, da der fiktive Beförderungsweg eines vergleichbaren Beamten der Orientierungsmaßstab war. Dieser Maßstab wurde vom Finanzministerium unmittelbar vor der Entscheidung über die Vergütung der Büroleiterin geändert, dann aber erst zehn Tage später intern veröffentlicht.
„Diese Zeit war sehr anstrengend damals, das können Sie glauben“, sagte Kuhny und bekannte offen, dass sie von der Neuregelung wenig hält: „Die veränderten Vorgaben sind nicht so, dass dabei die fachlichen Auffassungen den ersten Platz gewinnen würden. Es gehen dabei andere Regeln vor.“ Im Kreis der Bundesländer, berichtete sie, gebe es immer wieder Vorfälle mit problematischen Personalentscheidungen. „Wir Niedersachsen reihen uns jetzt ein in den Kreis derjenigen, die auch so eine Geschichte haben.“
Eine rechtliche Bewertung der Neuregelung, betonte die Zeugin, sei nicht verlangt worden. Fachlich aber „hätte ich mir etwas anders gewünscht. Wir hätten am alten Verfahren festgehalten.“ Bei der Einstellung im öffentlichen Dienst müsse es nach Ausbildung und Berufserfahrung gehen, das seien wichtige Kriterien auch für die gerechte Auswahl. Der Versuch, dies mit AT-Verträgen zu durchbrechen, sei verkehrt. „Auch für AT-Verträge muss es klare Vorgaben geben, sonst können wir den Himmel offen lassen für ganz viele AT-Verträge, dann machen alle nur noch AT.“

Kuhny sagte, dass sie das Verhalten der Staatskanzlei als merkwürdig empfunden habe, nachdem im Juni 2023 erstmals der Wunsch nach einer Höherstufung der Büroleiterin vorgetragen wurde. „Normalerweise sind solche Fälle in einer halben Stunde erledigt, wenn wir unsere Einwände vorgetragen haben. Es ist auffällig, dass wir diesen Fall nicht losgeworden sind, obwohl er doch so klar in der Beurteilung war.“ Die „Kollegen in der Staatskanzlei“ hätten „die Spielregeln auch gekannt“. „Man fragt sich, warum sie trotzdem bei uns nachgefragt hatten.“ Vielleicht hätten sie das ja tun müssen.
Im Sommer habe es in diesem Fall „irgendwann einen konkreten Antrag von Herrn Mielke gegeben“. Einwände dagegen habe die Fachebene des Finanzministeriums umgehend zusammengestellt und in einem Antwortbrief an Mielke formuliert. Doch der Brief sei dann nicht abgesandt worden. „Der Brief ist aber nie verschickt worden.“ Einen Tag später dann sei der Auftrag von der Spitze des Finanzministeriums gekommen, Kuhny und ihre Kollegen sollten das bisherige Regelwerk für derartige Fälle verändern.
Am 21. November legte das Kabinett auf Basis der neuen Regeln die AT-Vergütung für die Büroleiterin fest. Tage später dann erkundigte sich Kuhny intern, ob die neue Verwaltungspraxis denn überhaupt schon gültig sei. Noch am 27. November wurde auf Basis der alten Regel eine Personalie im Sozialministerium entschieden. Tatsächlich wurde die neue Praxis erst am 1. Dezember an die obersten Landesbehörden übermittelt.
Kuhny sagt: „Ich halte eine Regelung erst für anwendbar, wenn alle sie kennen und sie zur Kenntnis nehmen können.“ Das sei erst am 1. Dezember der Fall gewesen. Im PUA wurde die Zeugin noch gefragt, wie sie die rückwirkende AT-Vergütung der Büroleiterin zum 1. August bewerte, die vom Kabinett am 21. November beschlossen wurde. „Eine solche Rückwirkung ist nicht üblich, das war auch mit der Neuregelung nicht beabsichtigt. Wir legen eine Änderung des Arbeitsvertrages immer nach vorn fest, etwa zum nächsten 1. eines Folgemonats. Rückwirkungen sind nicht üblich.“