Auch mit dem neuen Glücksspielrecht für Spielhallen wird der Losentscheid nicht vollständig abgeschafft, und der aktuelle Gesetzentwurf birgt immer noch Risiken für mögliche Klagen. Das geht aus der Einschätzung des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) des Landtags hervor. Am Mittwoch wurden die Abgeordneten des Rechtsausschusses darüber informiert und wollten daraufhin noch nicht abschließend über den Gesetzentwurf beraten, zumal noch Entscheidungen des Wirtschaftsausschusses ausstehen, die wiederum rechtliche Risiken nach sich ziehen könnten.


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Schwierigkeiten sehen die Rechtsexperten beim GBD unter anderem bei der „unechten Konkurrenz“, also Spielhallen in ein- und demselben Gebiet, die aber demselben Betreiber gehören. Das kann zum Beispiel in Mehrfachkomplexen der Fall sein. Hier sieht der aktuelle Gesetzentwurf vor, dass zunächst die Betreiber selbst entscheiden sollen, welche der beiden Spielhallen weiterbestehen soll. Passiert das nicht, soll die Behörde entscheiden, und genau an der Stelle sehen die Juristen ein Problem. Denn der Behörde wird freigestellt, ob sie anhand von Kriterien oder durch ein Losverfahren darüber entscheidet. Allerdings gäbe es dafür gar keine im Gesetz formulierten Kriterien, nach denen sich die Behörden vor Ort richten könnten, stellte Dennis Miller vom GBD im Rechtsausschuss fest. Er sieht dadurch ein Prozessrisiko, wenn nicht durch das Los entschieden wird.

Warum dann nicht gleich im Losverfahren?

Warum dann nicht gleich auf das Losverfahren gesetzt werde, fragt der FDP-Rechtspolitiker Marco Genthe im Ausschuss.  Joachim Ernst aus dem Gewerbereferat des Wirtschaftsministeriums antwortete, er halte es für realistisch, dass die „ganz überwiegende Anzahl“ ohnehin im Losverfahren entschieden werde. „Wir können aber nicht ausschließen, dass sich der Behörde bei ausstehenden Entscheidungen noch Erkenntnisse eröffnen, die wir im Gesetz jetzt noch gar nicht formulieren können und wodurch ein Losverfahren gar nicht nötig sein wird“, erklärte er. Was das für Erkenntnisse sein sollen, blieb unklar, und darin liegt dann wohl auch das Risiko, dass es zu Prozessen kommen könnte. Der GBD identifizierte zudem weitere Risiken in der geplanten Neu-Regelung für die Spielhallen.

Kriterien beim Auswahlverfahren: Hier soll unter anderem danach entschieden werden, ob Anbieter darauf verzichten, Spielautomaten in Gruppen aufzustellen oder ob sie ein Rauchverbot in der Spielhalle durchsetzen. Die Kriterien bezeichnet Miller allerdings als rechtlich umstritten, denn hier trifft Glückspielrecht auf Gewerberecht. Dazu gebe es auch schon unterschiedliche Urteile.

Abstand zur Schulen und Einrichtungen der Kinder und Jugendhilfe: Der GDB-Experte sieht an dieser Stelle einen gesetzgeberischer Widerspruch, hat der Landtag doch gerade erst für Wettbüros einen Mindestabstand von mindestens 200 Metern festgelegt. Im Gesetzentwurf für Spielhallen findet sich eine solche generelle Regelung dagegen nicht, hier sei der größere Abstand zu Schulen nur eines der Auswahlkriterien, obwohl laut Oberverwaltungsgericht Lüneburg eine größere Gefahr für Jugendliche von Automaten als von Sportwetten ausgeht. Auch deshalb bleibe an dieser Stelle eine gewisse Unsicherheit, hieß es.

Wiederholung des Erlaubnisverfahrens: Wie geht man mit den Spielhallenbetreibern um, die vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Losverfahren verloren haben? Laut Gesetzentwurf sollen sie eine neue Chance bekommen. Das könnte allerdings dazu führen, dass an manchen Standorten mehr Spielhallen öffnen als es der Glücksspielstaatsvertrag vorsieht. Der GBD warnt deshalb vor einem Rechtsstreit zwischen den Ländern, denn andere Bundesländer könnten in solchen Fällen vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen. Für sehr unwahrscheinlich hält man das allerdings im Wirtschaftsministerium, schließlich gebe es in anderen Ländern teilweise auch Regelungen, die über die niedersächsischen Pläne hinausgingen.

Zertifizierung für alle: Im Wirtschaftsausschuss wird noch darüber nachgedacht, ob sich Spielhallen generell durch akkreditierte Prüforganisationen zertifizieren lassen sollen. Am Freitag will der Ausschuss noch einmal darüber beraten. Eine solche Pflicht zur Zertifizierung sei verfassungsrechtlich allerdings nicht ganz einfach, mahnte Miller im Rechtsausschuss.

Wie komplex und unsicher die neue Regelung ist, war bereits in der Anhörung zum Gesetzentwurf im Januar deutlich geworden. Dabei sprach Joachim Schwind, Geschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistages, von einem „komplizierten System der Vorweg-Hilfskriterien“ und befürchtete, dass man am Ende doch wieder vor Gerichten landen könnte. Auch Axel Holthaus, Sprecher der Geschäftsführung bei Lotto Niedersachsen, rechnete mit neuen juristischen Scharmützeln. „Ich würde eine Wette auf die nächsten gerichtlichen Auseinandersetzungen abschließen“, sagte Holthaus bei der Anhörung.