3. Juni 2020 · 
Finanzen

Rechnungshof: Niedersachsen leistet sich zu viele Ämter

Der Landesrechnungshof (LRH) hat die Pläne der Landesregierung, auf die Corona-Pandemie und die aus ihr folgende tiefe Rezession mit neuen Schulden zu antworten, grundsätzlich begrüßt. Gleichzeitig formuliert die unabhängige Prüfbehörde mit Sitz in Hildesheim in ihrem aktuellen Jahresbericht aber eine wichtige Bedingung: Aus den 2019 beschlossenen Landesvorschriften zur „Schuldenbremse“ gehe eindeutig hervor, dass die neuen Kredite „an den Zweck der Bewältigung der Auswirkungen der Pandemie gebunden“ sind. Mit anderen Worten: Nach Ansicht des LRH sind neue Schulden nur dann zulässig, wenn damit gezielt auch Folgen der Krise bekämpft werden. Eine unbegrenzte Ausweitung neuer Ausgaben sei also nicht statthaft. Der Rechnungshof verknüpft diese Mahnung mit einer dringenden Empfehlung an die Politik, schon im Etat für 2021 Weichen für eine Sparpolitik zu stellen: Zu viele Amtsgerichte: Viele der 80 Amtsgerichte seien zu klein, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Die Zahl könne verringert werden. Zu viele Finanzämter: Niedersachsen hat 56 Finanzämter und zehn Sonder-Finanzämter. Obwohl der Weg zum Zusammenschluss geebnet ist, geht die Reform dem LRH noch nicht weit genug, zumal alle Standorte erhalten blieben. Die Digitalisierung ermögliche, wie auch in der Justiz, viel mutigere Reformen. Zu viele Katasterämter: Auch wenn die Katasterverwaltung seit 2003 ein Drittel der Mitarbeiter verloren habe, gebe es noch 53 Katasterämter, das seien zu viele. Die Unterhaltung der vielen Standorte sei ein Kostentreiber.
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Zu viele Lehrer unterrichten nicht: Zwischen 2008 und 2018 sei der Anteil der Lehrer, die nicht unterrichten, von 9,05 Prozent auf 15,5 Prozent gestiegen – das entspreche 10.000 Vollzeit-Lehrerstellen. Man könne weniger Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden geben. Verwaltungsaufgaben an Schulen müssten nicht von hochbezahlten Lehrern wahrgenommen werden. Rüge für Sondervermögen: Die „Sondervermögen“ für bestimmte Zwecke, die das Land eingerichtet hat, sind aus LRH-Sicht problematisch, denn damit schwinde die Chance des Landtags, auf die genauen Ausgaben für bestimmte Zwecke Einfluss zu nehmen. Zwischen 2012 und 2018 stiegen die Mittel in diesen Sondervermögen von 1,6 auf 6,03 Milliarden Euro. Sorge um die Nord/LB: Den Rechnungshof plagt die Angst, die Wirtschaftskrise könne der Nord/LB zusetzen und damit das Land zur Auszahlung der Garantien von insgesamt 6,8 Milliarden Euro verpflichten. Die Investitionstätigkeit erlahme, im Agrargeschäft wüchsen die Ernteausfälle wegen der Dürren und die Krise des Luftverkehrs beeinträchtige die Flugzeugfinanzierung. Außerdem könnten weitere Fusionen von Landesbanken das Land zu weiteren Stützungen veranlassen. Der LRH rät daher der Landesregierung dringend, „dem Druck Dritte auf finanzielles Entgegenkommen nicht nachzugeben, wenn dem kein angemessener und sicherer Vorteil für das Land gegenübersteht“. https://www.youtube.com/watch?v=GUVkZSotako Sorge um andere Landesbeteiligungen: Der LRH fordert von der Regierung „mehr Transparenz“ über mögliche ungünstige Geschäftsentwicklungen in Unternehmen, an denen das Land Anteile hat – die Messe AG in Hannover, der Flughafen Hannover-Langenhagen, die Salzgitter AG und die Porzellanmanufaktur Fürstenberg. Zweifel an Mediziner-Ausbildung: Bei der Sanierung von MHH und Uni-Medizin in Göttingen sieht der Rechnungshof eine Finanzierungslücke von 3 Milliarden Euro. Weitere Risiken ergäben sich aus dem Plan, die „European Medical School“ (EMS) in Oldenburg auszubauen. Nach bisherigem Plan benötige die Hochschule dafür 140 Millionen Euro, die mit ihr kooperierenden Kliniken hätten einen Bedarf von 500 Millionen Euro. Es fehle ein Konzept, wie das Land die Uni-Medizin insgesamt aufstellen und aufeinander abstimmen wolle. Im Haushaltsausschuss sagte Rechnungshofpräsidentin Sandra von Klaeden, die bisher mageren Ergebnisse der „Regierungskommission“ zur Verbesserung der Verwaltungsstrukturen seien „zu erwarten“ gewesen, da kein ehrgeiziger Auftrag erteilt worden sei: „Wenn man das anders angegangen wäre, könnten wir jetzt strategisch besser auf die gegenwärtige Lage reagieren.“
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #104.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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