10. Okt. 2019 · 
Justiz

Rathausaffäre vor Gericht: Büroleiter von OB Schostok muss illegale Zulage zurückzahlen

In gut zwei Wochen wählen die Hannoveraner ihren neuen Oberbürgermeister. Wann die sogenannte „Rathausaffäre“ vor dem Landgericht behandelt wird, in der es um Untreue und Anstiftung zur Untreue geht, ist derzeit noch offen. Die Staatsanwaltschaft hatte OB Stefan Schostok Ende April angeklagt, dieser schied einige Wochen später aus dem Amt aus und ein Nachfolger wird im ersten Durchgang am 27. Oktober gewählt.
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Eine Hauptperson der Affäre, die Schostok das Amt kostete, trat gestern bereits vor dem Verwaltungsgericht in Hannover auf. Der frühere Büroleiter des Oberbürgermeisters, Frank Herbert, klagt gegen einen Bescheid der Stadt Hannover mit der Aufforderung, er möge die unrechtmäßig an ihn gezahlten Zulagen in Höhe von 49.522 Euro zurückzahlen. Die Summe entstand zwischen dem 1. April 2015 und Ende Mai 2018, Herbert erhielt einen monatlichen Bonus, der den Unterschied zwischen seinem B2-Gehalt und der Besoldung nach B5 ausmachte. [caption id="attachment_44249" align="alignnone" width="780"] Frank Herbert (rechts im Bild) unterlag vor dem Gericht - Foto: kw[/caption] Herbert selbst steht auf dem Standpunkt, ihm habe dieses Geld zugestanden, da er auch im erheblichen Umfang Überstunden geleistet habe. Laut niedersächsischen Besoldungsgesetz sind aber Zulagen für Empfänger der B-Besoldung nicht zulässig, eine mögliche Mehrarbeit ist mit dem Gehalt implizit abgedeckt. Das stellte auch der Vorsitzende Richter Ulrich Schulz-Wenzel in der Verhandlung am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht klar. Eine Rechtsnorm, die Herberts Ansicht stützt, gibt es nach Auffassung des Gerichts auf niedersächsischer und deutscher Gesetzesebene nicht. Allenfalls eine vorübergehende Bonuszahlung für die Vertretung auf einem formal höheren Amt wäre in Betracht gekommen – doch darum sei es im Fall Herbert ausdrücklich nicht gegangen.

Herbert hatte Widerspruch zwei Tage zu spät eingereicht

Das Verwaltungsgericht erteilte in der Sache Herbert eine klare Abfuhr – obwohl das ausschlaggebende Argument für das Scheitern seiner Klage ein anderes, nämlich ein formales war: Herbert hatte den Widerspruch gegen den Rückzahlungsbescheid zwei Tage zu spät eingereicht, da die Anwaltskanzlei die Frist – am 31. Dezember 2018 – versäumt hatte. Das Verwaltungsgericht sieht darin ein „Organisationsverschulden“ der Anwaltskanzlei, für das der Mandant einstehen müsse.
https://www.youtube.com/watch?v=A0XXB0ZdNhY
Herbert steht nun noch der Weg zum Oberverwaltungsgericht offen. Die spannende Frage in dem Verfahren war aber, ob das Verwaltungsgericht einen Fingerzeig geben würde für das Untreue-Verfahren, das irgendwann vor dem Landgericht Hannover beginnen soll. Das kann man jetzt so interpretieren: Die Verwaltungsrichter sehen rechtlich keinen Ansatzpunkt für Herbert, einen Anspruch auf die Zulage zu begründen. Sein in der Gerichtsverhandlung vorgetragener Hinweis auf einen „Haftungsanspruch nach dem Europarecht“, der auf ein von Brüssel verhängtes Verbot übermäßig vieler Überstunden abhebt, hätte nach Ansicht von Richter Schulz-Wenzel ausdrücklich geltend gemacht werden müssen. Herbert tat das bisher nicht. Die Rechtsvertreterin der Stadt Hannover, Anja Möhring, hat jedoch Zweifel, dass Herbert sich jetzt noch auf diese Norm berufen kann. Er habe ja nicht gegen die Überstunden protestiert, sondern diese bewusst in Kauf genommen. Ihm sei es doch vielmehr ausschließlich um die Bezahlung gegangen.

Wer hat entschieden, dass Herbert rechtswidrige Zulagen erhalten soll?

Wichtige Fragen, die in einem wahrscheinlichen, aber noch nicht terminierten Untreue-Prozess vor dem Landgericht Hannover erörtert werden dürften, spielten an diesem Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht noch keine Rolle: Wer hat entschieden, dass Herbert rechtswidrige Zulagen erhalten soll? Wenn es der damalige Personaldezernent Harald Härke im Jahr 2015 war, hat er damals eine Weisung oder ein Einverständnis von einer höheren Warte erhalten – etwa von OB Schostok oder gar aus dem Innenministerium?
https://www.youtube.com/watch?v=C0B30bZAB88
Ein Vermerk in den Rathaus-Akten weckt die Vermutung, Härke habe vom Leiter der Kommunalabteilung im Ministerium, Alexander Götz, ein Einverständnis erhalten. Dabei geht es nicht nur um Herbert, sondern auch um eine Zulage für den damaligen Leiter der Berufsfeuerwehr Hannover. Götz hat allerdings in einer dienstlichen Erklärung im Juni 2018 vehement bestritten, jemals eine solche Erklärung mündlich oder schriftlich abgegeben zu haben.
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Der Hintergrund war, dass Herbert 2015 gern Dezernent geworden wäre, weil dies aus seiner Warte seinen tatsächlichen Aufgaben entsprochen hätte. Der Rat der Stadt Hannover lehnte jedoch die Schaffung eines neuen Dezernates ab – woraufhin bei Herbert die Hoffnung gekeimt haben muss, er könne über Zulagen ein höheres Gehalt für sich erwirken.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #178.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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