22. Juli 2020 · 
P und P

Prof. Brosius-Gersdorf kritisiert Scheitern Paritätsgesetzes in Thüringen

Prof. Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin an der Juristischen Fakultät der Leibniz-Universität Hannover, hat das Scheitern des Thüringer Paritätsgesetzes vor dem Verfassungsgericht des Landes kritisch bewertet. Das Gesetz hatte vorgesehen, dass jede Partei nur quotierte Landeslisten für eine Landtagswahl einreichen darf – also solche, auf deren Plätzen abwechselnd ein Mann und eine Frau stehen. In Thüringen sahen die Verfassungsrichter die Rechtfertigung, der Gleichstellungsauftrag in der Landesverfassung reiche zur Begründung dieser Beschneidung der Auswahlrechte für die Wähler und der Autonomie der Parteien aus, als nicht überzeugend an. [caption id="attachment_52589" align="alignnone" width="405"] Kritisiert die Thüringer Verfassungsrichter: Prof. Frauke Brosius-Gersdorf - Foto: Uni Hannover[/caption] Brosius-Gersdorf meint nun, damit hätten es sich die Thüringer Verfassungsrichter zu einfach gemacht, denn sie hätten zur Abwägung auch das Grundgesetz heranziehen müssen. Im Grundgesetz nämlich ist der Auftrag zur Geschlechter-Gleichstellung schärfer formuliert als in der Thüringer Landesverfassung. So heißt es im Grundgesetz: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Wenn man diese Norm zugrunde lege, kann laut Brosius-Gersdorf eine Verpflichtung für die Parteien verhängt werden, für jeden Wahlkreis einen Mann und eine Frau aufzustellen. Dem Wähler müsse dann überlassen werden, wen davon er auswählt und zum Wahlkreisabgeordneten kürt.
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Mit dem Grundgesetz lasse sich überdies auch das Reißverschlussverfahren auf Landeslisten, wie es in Thüringen geplant war, gesetzlich vorschreiben. „Ohne eine solche Quote bliebe der Gleichstellungsauftrag auf der Strecke“, meint Brosius-Gersdorf. Bisher sorgten Männerbündnisse, männlich geprägte Kommunikations- und Karrieremuster, aber auch die höheren Belastungen der Frauen durch Familie und Beruf dafür, dass nur wenige Frauen auch noch bereit sind, in der Politik mitzuwirken.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #139.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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