29. Sept. 2022 · 
Kommentar

Pro & Contra: Wie hart sollen Kommunen beim Energiesparen vorgehen?

Es wird kühler in Niedersachsens Schwimmbädern und Wellness-Anlagen. Aber reichen die Energiesparmaßnahmen auch oder sind sie sogar übertrieben? | Foto: GettyImages/Galitskaya

Die Deutschen sind in einer Energiekrise – und sie sollen strikt darauf achten, nicht zu viel Gas und Strom zu verbrauchen. Muss dann das Wasser in öffentlichen Gebäuden, Toiletten und Duschen nur noch kalt sein? Soll in der Adventszeit die Festbeleuchtung in den Städten ausfallen? Die Rundblick-Redaktion streitet darüber in einem Pro und Contra.


Pro: Der Stresstest der deutschen Stromnetzbetreiber hat gezeigt, dass die Versorgungssituation im kommenden Winterhalbjahr äußerst angespannt sein wird. Damit wir ohne Blackouts und Lockdowns durch den Winter kommen, ist Energiesparen auf allen Ebenen angesagt. Deswegen müssen gerade auch die Kommunen manchmal auch Maßnahmen ergreifen, die weh tun, meint Christian Wilhelm Link.

Seit Wochen diskutiert Deutschland vor allem über eines: Über finanzielle Entlastungen für Privathaushalte und Wirtschaft aufgrund der hohen Energiepreise. Dabei gerät immer mehr in den Hintergrund, dass es nicht nur monetäre Gründe zum Strom- und Gassparen gibt, sondern auch eine moralische Pflicht angesichts der wackeligen Energieversorgung. Zum Glück gibt es die Kommunen, die mit unpopulären Sparmaßnahmen die öffentliche Debatte dazu am Laufen halten. „Der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil im Hochsommer. Jetzt im Herbst gilt diese Devise umso mehr, denn das kalte Duschen nach dem Sport und Schwimmen wird erst bei niedrigen Temperaturen zur wahren Herausforderung. Meine Hochachtung gilt daher allen Verwaltungschefs und Lokalpolitikern, die sich überhaupt dieser Diskussion stellen – denn sie müssten es eigentlich nicht. Anstatt über kalte Duschen oder Schwimmbadschließungen zu streiten, könnten sie auch einfach nur das Nötigste tun, was vom Land vorgeschrieben wird und mit Spannung abwarten, ob die Gasreserven durch den Winter halten werden.

„Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass das Maßnahmenpaket auch unangenehme Dinge enthält. Niemand soll frieren, aber: Jedes Grad macht einen Unterschied“, kommentierte Oldenburgs Oberbürgermeister Jürgen Krogmann (SPD) die ambitionierten Energiesparmaßnahmen seiner Stadt. Der Einsparerfolg gibt ihm mittlerweile Recht. Durch das Abstellen der Warmwasseraufbereitung konnte Oldenburg den Gasverbrauch in seinen Sporthallen enorm verringern und spart allein dadurch jeden Monat zehntausende Kilowattstunden ein. Für die betroffenen Schüler und Sportler ist das natürlich nicht schön. Die größten Energiekosten in einer öffentlichen Duschanlage entstehen aber dadurch, dass das warme Wasser auch in den Zeiten vorbehalten werden muss, wenn überhaupt niemand duscht. Da ist es einfach sinnvoller, dass sich das Duschen in die Privathaushalte verlagert – sofern das überhaupt stattfindet. Denn OB Krogmann merkte in der jüngsten Ratssitzung an, dass sich der Wasserverbrauch in den Liegenschaften trotz kalter Duschen kaum reduziert habe.

Natürlich hat auch Sportminister Boris Pistorius nicht unrecht, wenn er darauf hinweist, dass die Verlagerung des Warmduschens in die Privathaushalte angesichts der hohen Energiekosten problematisch ist. Sozial gerecht ist es nicht, dass sich Wohlhabende zu Hause ums Heißduschen keine Gedanken machen müssen, während sich einkommensschwache Familien jede warme Brause besser gut überlegen. Hier stehen aber nicht die Kommunen in der Verantwortung, um das Problem zu lösen, sondern der Bund durch finanzielle Entlastungen. Letztlich geht es beim Abstellen der warmen Duschen nämlich nicht ums Geld, sondern um den Energiespareffekt. Deswegen stehen in Oldenburg oder Osnabrück die Ratsmehrheiten auch nach wie vor hinter den Energiesparmaßnahmen ihrer Rathauschefs.

Die Teilschließung des Badeparadieses Eiswiese in Göttingen ist vom Tisch. Außensaunen und Außenbecken bleiben aber geschlossen, um Energie zu sparen. | Foto: Göttinger Sport- und Freizeit GmbH;

In Göttingen ist Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD) mit einer anderen unpopulären Maßnahme dagegen krachend gescheitert. Um Energie zu sparen, wollte die Stadt große Teile des Wellness-Angebots im Badeparadies „Eiswiese“ schließen und nur noch die Schwimmflächen offenlassen. Doch bevor die Maßnahme überhaupt im Rat verhandelt wurde, knickte die Stadt schon wieder ein. „Wie sich jetzt herausstellt, hätten die von der Teilschließung betroffenen Mitarbeiter keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn die Schließung durch den Rat beschlossen wird“, begründete die städtische Betreiberfirma den Rückzug. Man wolle die Beschäftigten nicht im Regen stehen lassen. Das klingt für mich nach einer ganz faulen Ausrede. Denn dass die Stadt Göttingen keine Möglichkeiten hätte, die betroffenen Mitarbeiter nach einem entsprechenden Ratsbeschluss finanziell zu entschädigen, kann ich nicht wirklich glauben. Auf jeden Fall ist es eine verpasste Chance, dass über die Saunaschließung nicht zumindest im Rat diskutiert wurde. Denn wir brauchen in diesem Winter noch viele weitere Ideen zum Strom- und Gassparen. Und vor allem brauchen wir eine öffentliche Debatte darüber. Am Ende geht es auch um die Frage, worauf die Gesellschaft bereit ist, zum Wohle aller zu verzichten. Da ist in diesem Ausnahmewinter noch mehr möglich und beim kommunalen Energiesparen gilt zudem die Devise: Geteiltes Leid, ist halbes Leid.


Contra: So richtig und sinnvoll die Appelle zum Maßhalten und zum Sparen sind, die Politiker sollten das nicht übertreiben. Sie drohten dann nämlich nicht mehr ernst genommen zu werden, meint Tomas Lada.

Wer allen Ernstes glaubt, Politik werde nur in Parlamenten gemacht, der hat noch nie zusammen mit Mannschaftskollegen nach einer anstrengenden Sporteinheit in der Sammeldusche gestanden. „Wenn die hier das warme Wasser abdrehen, dusche ich eben zu Hause warm“ ist eine Aussage, die mir nach der letzten Sporteinheit im „Duschparlament“ zugeflogen kam. Hier werden eben nicht nur die eigene Performance beim Sport und taktische Feinheiten analysiert, hier wird auch über politische Streitfragen gesprochen. Es ist in den vergangenen Wochen ein Ort geworden, der zunehmend ins Blickfeld der Politik geraten ist: die Dusche. Als einer der ersten hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Hinblick auf raketenhaft angestiegene Energiepreise dazu geraten, das eigene Duschverhalten zu überdenken und „kurz und kalt“ zu duschen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg ging sogar noch einen Schritt weiter: Man solle am besten gar nicht mehr duschen, ein Lappen reiche für das tägliche Hygienebedürfnis aus. Brühwarm gab es hierfür bereits genügend Hohn und Spott. Und eine Menge Bilder im Kopf, um die niemand gebeten hat.  

Um eine Sache klarzustellen: Natürlich müssen wir in diesem Winter Energie sparen. Natürlich müssen sich die Bürger bei kommenden Abrechnungen von Strom- und Gaslieferanten auf hohe Nachzahlungen einstellen, deren Ausmaß man mit sparsamen Verhalten eingrenzen kann. Ja, das wissen wir. Doch was einige Politiker in dieser Situation fabriziert, ist eine Bevormundung der Bürger. Sie traut uns nicht zu, in angemessenem Rahmen selbst über die Maßnahmen zu entscheiden, welche wir zum Einsparen von Energie für erforderlich halten – und halten wollen. Dass öffentlich über angemessenes Duschverhalten im privaten Bereich und in öffentlichen Sporteinrichtungen debattiert wird, ist schlichtweg absurd. Duschen – und das gilt nicht nur für Warmduscher – sollte bitte auch Privatangelegenheit bleiben.

Die vorgeschriebenen Energiespar-Regeln der Bundesregierung sehen vor, dass die Temperatur in Büros maximal 19 Grad betragen soll, Werbeanlagen sollen nachts nicht mehr beleuchtet und Türen in Geschäften geschlossen bleiben. Zusätzlich gibt jede Kommune eigene Verhaltensregeln aus, viele davon betreffen zum Beispiel die Absenkung der Wassertemperatur in öffentlichen Schwimmbädern und das Verbot warmer Duschen nach dem Sport. Die meisten dieser Punkte erscheinen sehr sinnvoll und dürften in der breiten Masse Zustimmung finden. Denkmäler und öffentliche Gebäude müssen nachts nicht zwingend beleuchtet werden, und die Temperaturvorgabe in Büros erspart in Großraumbüros zumindest die Streitereien um die geeignete Raumtemperatur im Winter. Der Bürofrieden dürfte von einigen dieser Vorgaben profitieren – es sei denn, Sie gehören zu den Frostbeulen im Großraumbüro. Hier hilft nur: Heißen Tee trinken (zumindest bis zum Verbot von Wasserkochern in Büros) und am Casual Friday den dicken Wollpullover anziehen. 

Foto: GettyImages/Eivaisla

Die Hinweise auf eine angeblich angemessene Duschtemperatur indes finde ich anmaßend. Politiker mit hohem Einkommen wollen allen Bürgern sagen, wie sie sich angeblich einschränken sollen – das geht zu weit. Für viele Menschen im Niedriglohnsektor wirken diese nett gemeinten Hinweise wie reiner Spott. Oder für Menschen, die noch mit finanziellen Sorgen nach der Corona-Pandemie zu kämpfen haben. Sparen ist für sie kein neues Konstrukt, sondern bereits bittere Realität, die jetzt noch weiter verschärft wird. Andererseits haben gerade Freizeitsportler in den vergangenen Jahren der Corona-Pandemie viel einstecken müssen. Sportvereine waren lange Zeit geschlossen, auch waren in Fitnessstudios teilweise die Duschen gesperrt, um Abstände einhalten zu können und enge Kontakte zu vermeiden. Dennoch haben viele Sportler ihre Motivation und Leidenschaft nicht aufgegeben. Sport ist gut für Geist und Körper, lässt uns mit anderen Menschen in Kontakt kommen, den stressigen Alltag kurzzeitig vergessen. Kurzum: Sport ist wichtig. Genauso die warme Dusche nach dem Sport, auf die die meisten Sportler nicht verzichten wollen. Demnach würde ein Dusch-Verbot das Problem lediglich verschieben und die meisten Sportler würden sich eher verschwitzt auf den Heimweg machen (allzu gesund kann dies auch nicht sein) und dann in den eigenen vier Wänden duschen, vermutlich sogar deutlich länger und heißer – das wäre unterm Strich gesamtgesellschaftlich eher vom Nachteil. 

Innenminister Boris Pistorius hatte Ende August einen Rat an die Kommunen und ihre Freizeiteinrichtungen. Der Sportbetrieb solle trotz Energiekrise nicht weiter eingeschränkt werden. Jeder Sportler müsse nach dem Sport oder Schwimmen kurz warm duschen können. Es bleibt zu hoffen, dass der Appell des Politikers auch in den Kommunen ankommen wird. In einigen Sparten sind die Kosten für Mitgliedschaften aufgrund der Energiepreisentwicklungen bereits gestiegen, die Fitnessstudios werden vermutlich alsbald nachziehen müssen. Sport wird somit insgesamt teurer werden und mittelfristig wird die Anzahl der aktiven Freizeitsportler in Vereinsstrukturen bei dieser Entwicklung vermutlich sinken, der Zugang zu Sport als Freizeitbetätigung wird weiter erschwert. Eishockey-Spieler wissen zu berichten, dass die Beiträge in den vergangenen Wochen schon deutlich angehoben wurden. Klar, der Betrieb eines Eisstadions ist sehr energieaufwändig. Aber eine Sporteinrichtung, die für die Besucher keine annehmbaren Aufenthaltsbedingungen mehr bietet, wird irgendwann verlassen werden und sich gar nicht mehr tragen können. Am Ende muss das, was in der Gesellschaft als Angebot zur Freizeitgestaltung besteht, den Leuten auch gefallen.

Dieser Artikel erschien am 30.9.2022 in Ausgabe #172.

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