17. Juli 2022 · 
Inneres

Pro & Contra: Sollte die Regierung bei Facebook und Instagram aktiv mitwirken?

Muss die Landesregierung bei Facebook aktiv sein? Die Rundblick-Redaktion streitet darüber. | Foto: GettyImages/filo

Der Streit besteht schon länger, und immer wieder mal flammt er auf: Die Pressestellen von Regierungen wollen die sozialen Medien intensiv nutzen – und dort auch offiziell vertreten sein. Die Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel hält das nicht nur für unangebracht, sondern auch für rechtswidrig. Die Rundblick-Redaktion diskutiert über dieses Thema in einem Pro und Contra.


PRO: Die Regierung sollte unbedingt ihre Politik erklären und auch verkaufen können. Und zwar überall dort, wo sich die Bevölkerung auch tummelt. Sie sollte dabei allerdings nicht vergessen, wie wichtig eine funktionierende und vielfältige Medienlandschaft für eine lebendige Demokratie ist, meint Niklas Kleinwächter.

Niedersachsens Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel kann einem wirklich leidtun. Das Maß der Missachtung ihrer Tätigkeit durch Parlament und Regierung ist schon eklatant. Dabei macht sie nur ihren vom Gesetzgeber zugewiesenen Job auf Grundlage von (EU-)Recht und Gesetz. Noch dazu verhält sie sich sehr deutsch dabei, denn der Schutz unserer Daten ist den Bürgern dieses Landes für gewöhnlich sehr wichtig. Und doch interessiert es kaum jemanden, wenn Thiel Jahr für Jahr anmahnt, dass die Landesregierung ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken einstellen soll. Denn wie, so ihre Argumentation, soll sie denn bitteschön gegen Konzerne vorgehen, wenn sich nicht einmal die Regierung selbst an ihre Vorgaben hält? Das muss man für diese juristische Debatte wissen: Laut EU-Gesetzgebung ist der Betreiber einer Fanpage bei Facebook genauso für den Datenschutz verantwortlich wie der Meta-Konzern selbst. Zwar haben die Betreiber einer solchen Fanpage keinerlei Handhabe, dennoch gilt: mit gehangen, mit gefangen. In der Staatskanzlei straft man die Datenschützer und ihre Sicht der Dinge derweil mit Nichtbeachtung und einem entschiedenen „Weiter so“.

Wie schwer wiegt der Datenschutz?

So sehr ich mich auf einer intellektuellen und auch persönlichen Ebene über diesen Vorgang ereifern könnte, so überzeugt bin ich doch auch davon, dass die Regierung hier im Sinne der Niedersachsen handelt. Natürlich wird der Datenschutzbeauftragten durch das Handeln der Regierung jener Hebel angeknackst, den sie bräuchte, um sich an anderer Stelle durchsetzen zu können. Doch in der Staatskanzlei gibt es eine simple Abwägung: Wiegt der Datenschutz schwerer als das Informationsinteresse der Bevölkerung? Regierungssprecherin Anke Pörksen beantwortet diese Frage ganz klar: Die Menschen müssen informiert werden. Noch dazu hat der Gesetzgeber eine eklatante Lücke im Datenschutzrecht hinterlassen. Gegen staatliche Behörden können Datenschutzbeauftragte nichts tun. Offiziell, weil staatliche Behörden sich sicher an Recht und Gesetz halten werden. Inoffiziell wohl eher deshalb, weil die Politik nicht so gern von einer Datenschutzbeauftragten gegängelt werden will.

Nun kann man natürlich darüber streiten, ob die Bevölkerung ausgerechnet über die Sozialen Netzwerke unterrichtet werden sollte. Sicher gäbe es edlere und qualitativ hochwertigere Wege. Ein Beispiel der jüngsten Zeit zeigt aber, wieso es die Ergänzung brauchte: Gerade während der Corona-Pandemie war das Informationsbedürfnis der Bevölkerung enorm. Es ging dabei um nackte Zahlen, wie etwa die 7-Tage-Inzidenz in Land und Landkreis. Und es ging um die Regeln, die plötzlich das Leben jedes Niedersachsen berührt haben. Natürlich haben auch die klassischen Medien sich redlich bemüht, über das Corona-Regelwerk zu berichten. Doch aufgrund der zahlreichen und mitunter recht kurzfristig verkündeten Änderungen blieb die Primärquelle (Regierungskreise) im Vorteil und damit wichtig. Die mal mehr mal weniger schön gestalteten Informationsgrafiken der Staatskanzlei haben mit Sicherheit mehr Menschen erreicht als ein Fließtext, der am Tag nach Verkündung der neuen Verordnung in einer Zeitung versteckt wurde.

"Am Ende muss man mit seiner Information dort hingehen, wo die Menschen sind."

Niklas Kleinwächter

Am Ende muss man mit seiner Information dort hingehen, wo die Menschen sind. Die Auflagen der Tageszeitungen sinken. Auch Nachrichtenformate (zumal die Regionalen) in Funk und Fernsehen erreichen nur Bruchteile. Die Kommunikationswege müssen sich also den modernen Konsumgewohnheiten der Menschen anpassen. Gemäß dem Adenauerschen Bonmot: Man muss die Menschen nehmen, wie sie sind, andere gibt es nicht. Und wenn diese Menschen eben über die klassischen Wege nicht mehr erreicht werden, oder zumindest nicht mehr ausreichend viele, dann muss man die Wege ändern oder am besten eben ergänzen. Wenn um die 30 Prozent der Menschen Facebook und mitunter noch einmal deutlich mehr Menschen Instagram nutzen, dann sollte die Landesregierung auch dort versuchen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Und, übrigens: Niemand meldet sich bei Facebook an, weil der Ministerpräsident dort ist. Wer dem Ministerpräsidenten dort also folgt, hat sich schon längst darauf eingelassen, dass Meta mit seinen Daten alles tut, was es will und in den USA darf. Eine „Mittäterschaft“ mag zwar rechtlich gegeben sein, logisch ist sie nicht so zwingend zu erkennen.

Regierung darf nicht Medien überspringen

Doch eine Anmerkung noch zum Schluss: Ich halte es für angemessen, dass sich die Regierung bemüht, ihre Politik – vor allem in Ausnahmesituationen – auch über die Kanäle der Sozialen Netzwerke zu verbreiten. Außerdem ist es auch für uns Journalisten eine mögliche Quelle der Berichterstattung, wenn sich Regierungsvertreter online äußern. Gleichwohl zeigt sich hier ein Problem größeren Ausmaßes. Die Medien als Mittler werden übersprungen. Ihre Funktion der Auswahl, Bewertung und Gewichtung wird ignoriert. Die Pressestellen der Regierung sind inzwischen personell deutlich besser ausgestattet als manche Redaktion, die Etats für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung wachsen. Noch funktioniert das Zusammenspiel aus Politik, Medien und Gesellschaft. Richtet sich die Regierung aber irgendwann nur noch direkt an die Bevölkerung, werden die Medien erst vermeintlich überflüssig – und dann schmerzlich vermisst werden.

Christian Wilhelm Link (links) und Niklas Kleinwächter streiten darüber, wie ernst Ministerien, Behörden und Kommunen das Thema Datenschutz bei Sozialen Medien nehmen sollten. | Foto: Canva, Henning Scheffen, Montage: Rundblick

CONTRA: Die Rechtslage ist klar, der Nutzen für die Öffentlichkeit dagegen eher fragwürdig: Auf den Fanseiten der niedersächsischen Landesregierung greift die Datenkrake Facebook zahlreiche und teilweise wohl auch sensible Nutzerdaten ab, ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage gibt. Dem ohnehin schon unterentwickelten Datenschutz-Bewusstsein der Niedersachsen erweist die Staatskanzlei damit einen Bärendienst, meint Christian Wilhelm Link.

„Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein!“ – diese Forderung aus der Politik ist fast so alt wie das Internet selbst. Doch wenn es um Datenschutz geht, drücken auch Politiker gerne beide Augen fest zu. Das beste Beispiel dafür sind die Facebook-Fanseiten von Bundes- und Landesregierungen, Behörden, Kommunen oder anderer öffentlicher Einrichtungen. Während alle Datenschutzbeauftragten von nah und fern immer wieder betonen, dass der Betrieb solcher Seiten rechtswidrig ist, zucken die Betreiber nur müde mit den Schultern. „Kann man nichts machen“, heißt es sinngemäß auch aus der niedersächsischen Staatskanzlei. Die Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil hat sich dazu entschieden, das Problem einfach auszusitzen, weil man sich hier im rechtsfreien Raum bewegt. „Wiederholen würde ich gerne den Hinweis, dass die Landesdatenschutzbeauftragte ihre Forderungen uns gegenüber nicht gerichtlich durchsetzen kann“, heißt es in einer E-Mail aus der Staatskanzlei vom 3. Januar dieses Jahres. Die Strategieanweisung der Landesregierung lautet:  „Wir werden jetzt erst einmal abwarten.“

Selbst der Bundesdatenschutzbeauftragte macht Druck

Die niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel ist mit ihrer Kritik nicht allein. „Es ist gegenwärtig nicht möglich, solche Facebook-Seiten in datenschutzkonformer Weise zu betreiben“, sagt zum Beispiel auch ihr hessischer Kollege Prof. Alexander Roßnagel, ein Experte für Öffentliches Recht mit dem Schwerpunkt Recht der Technik. Roßnagel sagt ganz klar: „Gerade öffentliche Stellen sind an Recht und Gesetz gebunden und erfüllen eine Vorbildfunktion.“

"Gerade öffentliche Stellen sind an Recht und Gesetz gebunden und erfüllen eine Vorbildfunktion.“

Prof. Alexander Roßnagel

Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hatte auch eine Task-Force „Facebook Fanpages“ eingerichtet, die in einem Kurzgutachten im März zu dem gleichen Ergebnis gekommen ist. Deswegen macht auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) jetzt endlich Druck. „Ab Januar 2022 beabsichtige ich – im Interesse der betroffenen Bürgerinnen und Bürger – schrittweise von den mir nach Art. 58 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zur Verfügung stehenden Abhilfemaßnahmen Gebrauch zu machen“, kündigte der Diplom-Informatiker schon vor einem Jahr an. Die Behörden rührten sich aber nicht. Deshalb hat Kelber, der auch die Vorbildfunktion öffentlicher Stellen betont, dem Bundespresseamt bis Mitte August Zeit für eine Stellungnahme eingeräumt. Wenn sich die Behörden dann immer noch nicht bewegen, landet die Sache wohl vor Gericht. Dass es so weit kommen muss, passt zum bräsigen und rückständigen Image, das die Bundesrepublik bei der Digitalisierung immer noch genießt. Gerade beim Datenschutz ist die EU-Mitgliedschaft für die Bundesbürger trotz aller berechtigter Kritik an der DSGVO eben doch ein riesiger Glücksfall. Ohne den Druck aus Brüssel wären wir weiterhin auf dem Stand von 2013, als Bundeskanzlerin Angela Merkel das Internet noch als „Neuland“ bezeichnete.

"Wem es um den Austausch mit den Bürgern geht, der kann dafür auch auf Plattformen ausweichen, die datenschutzrechtlich unproblematisch sind."

Christian Wilhelm Link

Zu dem rückständigen Denken beim Datenschutz passt das sture Festhalten an Facebook. Die Social-Media-Plattform von Marc Zuckerberg, der seinem Meta-Konzern auch Instagram und WhatsApp einverleibt hat, ist alles, nur nicht alternativlos oder „unverzichtbar“, wie Regierungssprecherin Anke Pörksen dazu kürzlich zitiert wurde. Wem es um den Austausch mit den Bürgern geht, der kann dafür auch auf Plattformen ausweichen, die datenschutzrechtlich unproblematisch sind. Zugegeben: Auf Alternativseiten wie „Mastodon“ oder „Minds“ ist noch nicht viel los und eine Plattform für „Reddit“ ist für Facebook-Nutzer keine ganz einfache Umstellung. Die Nutzer haben aber auch den Weg von „StudiVZ“ oder „Wer-kennt-wen“ zu Facebook gefunden, sodass man sich nicht einfach mit der Bequemlichkeit der Bürger herausreden darf.

Hessische Regierung als mögliches Vorbild

Wer mit der Landesregierung, seiner Kommune oder einer Behörde ernsthaft in Kontakt treten will, findet schon den Weg – solange er von der öffentlichen Stelle entsprechend beworben wird. Ein Beispiel könnte sich Niedersachsen hier an Hessen oder Rheinland-Pfalz nehmen: Die beiden Landesregierungen sind neben Facebook auch auf Mastodon vertreten. Damit haben zumindest die Nutzer auch eine datenschutzkonforme Plattform zur Auswahl. Und das ist nun wirklich das Mindeste, was man eigentlich leisten müsste, wenn man schon nicht bereit ist, die Facebook-Fanseiten abzuschalten.

Dieser Artikel erschien am 18.7.2022 in Ausgabe #134.

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