
„Wie gehen wir mit den extrem gestiegenen Baupreisen um?“ Nicht nur für Umwelt- und Bauminister Olaf Lies (SPD) ist das eine der zentralen Fragen unserer Zeit. Auch der niedersächsische DGB-Bezirkschef Mehrdad Payandeh warnt vor dem „sozialen Sprengstoff“, den das Thema Wohnen mittlerweile beinhaltet. „Der Traum vom Eigenheim verblasst. Betroffen sind alle, die Mieter sind, und die, die Eigentümer werden wollen“, fasste Payandeh das Problem beim jüngsten Treffen des niedersächsischen „Bündnisses für bezahlbares Wohnen“ zusammen. Seit fünf Jahren arbeitet diese Runde aus Politik, Immobilien- und Bauwirtschaft, Sozialverbänden und Gewerkschaften daran, der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt entgegenzuwirken. In Berlin ist das nicht unbemerkt geblieben. „Der Bund macht jetzt nach, was hier in Niedersachsen vorgemacht wurde. Es ist wichtig, dass man alle an einen Tisch bekommt“, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz kürzlich in Hannover.
„Solche Preissteigerungen gab es letztmalig 1970.“
„Die Frage ist, wie wir zumindest preisgedämpft bauen können. Preisreduziert sagen wir schon gar nicht mehr“, meinte Geywitz und stellte ernüchternde Zahlen vor. Das Ziel der Bundesregierung, in diesem Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, sei angesichts der Baukosten nicht mehr zu halten. „Wir sind wieder auf unter 300.000 Fertigstellungen gegangen. Gleichzeitig ist die Nachfrage aber weiter ungebremst“, sagte die Bundesbauministerin. Laut dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie lagen die Preise für Neubauleistungen im Rohbau im Mai 2022 um 20 Prozent über dem Vorjahreswert, bei Ausbauleistungen betrug die Steigerung 17,7 Prozent. „Solche Preissteigerungen gab es letztmalig 1970“, berichtet die Bauindustrie. Schuld an der Entwicklung seien die starken Preissteigerungen bei Baumaterialien und Energie. Welche Auswirkungen das auf die Mietpreise haben wird, machte Susanne Schmitt deutlich. Die Direktorin des niedersächsischen Verbands für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (vdw) sagte: „Wir können preisgedämpften Wohnraum mit einer Nettokaltmiete von 7 bis 8 Euro pro Quadratmeter betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellen.“ Die Durchschnittsmiete im Verband liege derzeit noch bei 6 Euro pro Quadratmeter. Eine Konsequenz der Baukrise müsse es nun sein, die „völlig überzogenen Fördervoraussetzungen“ zurückzunehmen. Schmitt: „Ich habe ansonsten die große Sorge, dass vor allem die soziale Wohnungswirtschaft notleiden wird.“
Auch Bauminister Lies setzte sich dafür ein, die Ansprüche an die Energieeffizienz von Gebäuden herunterzuschrauben. „Wir dürfen uns jetzt nicht verzetteln angesichts der bescheidenen Kapazitäten, die das Handwerk hat“, betonte er und kritisierte: „Wir machen in Deutschland lieber 10 Prozent perfekt als 60 Prozent gar nicht so schlecht.“ Letztere Variante würde bei der Gebäudedämmung und -sanierung aber den größeren Nutzen für Gesellschaft und Umwelt entfalten. Das bestätigten auch andere Bündnisteilnehmer. „Wir können die strengsten Vorgaben machen, aber wenn das niemand bezahlen kann, haben wir nichts gewonnen. Wir brauchen pragmatische Lösungen“, sagte DGB-Chef Payandeh. Tibor Herczeg, Geschäftsführer des Verbands Wohneigentum (VWE) Niedersachsen, sprach sich für niedrigere Anforderungen an Bestandssanierung aus. Randolph Fries, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds (DMB) Hannover, betonte: „Wir müssen sehen, dass wir beim Bauen und beim Sanieren die privaten Kleineigentümer mobilisieren.“
„Es ist nicht darstellbar, dass der Staat Baumaterial subventioniert oder Prämien für jeden Neubau zahlt."
Klara Geywitz
Auch beim Bürokratieabbau und bei der Verwaltungsdigitalisierung steigt der Erwartungsdruck auf den Bund. „Wir haben auf beiden Seiten nicht genug Fachkräfte. Ich kann nur dringend dafür plädieren, das Vergaberecht zu verschlanken“, sagte Marco Trips, Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes (NSGB). Die Digitalisierung helfe sowohl Behörden als auch Architekturbüros dabei, besser und schneller zu werden. „Digitalisierung und serielles Bauen werden die Baupreissteigerungen etwas dämpfen“, sagte auch die Bundesbauministerin und fügte hinzu: „Es ist nicht darstellbar, dass der Staat Baumaterial subventioniert oder Prämien für jeden Neubau zahlt. Wir sind gezwungen, die Produktivität zu erhöhen.“ Außerdem will Geywitz künftig Anreize dafür schaffen, dass auch kleinere Kommunen ihre Bebauungspläne häufiger aktualisieren. Für 2023 kündigte Geywitz eine „große Novelle des Bundesbaugesetzes“ an, zudem wies sie auf die kommende Holzbauinitiative von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hin.