Der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner hat sich für eine „Politik ohne Tabus“ ausgesprochen. Was etwa die Forderungen nach dem Bau neuer Autobahnen angeht, befürworte die FDP „den schnellstmöglichen Bau der Küstenautobahn A20“. Dies sei nötig auch deshalb, weil mit der verstärkten Energieerzeugung und -verarbeitung an und in der Nordsee das Verkehrsaufkommen im Norden zunehmen werde. „Die Grünen müssen ihre Widerstände gegen diese Pläne einstellen“, forderte Birkner.

Spitzenkandidat Stefan Birkner (links) und Generalsekretär Konstantin Kuhle stellen das FDP-Programm zur Landtagswahl 2022 vor. | Foto: Wallbaum

Er sprach sich außerdem dafür aus, das „Fracking“ in Niedersachen „vorurteilsfrei zu prüfen“: „Vor Jahren, als wir schon einmal intensiv über Fracking diskutiert hatten, waren wir uns alle einig, dass wir das nicht wollen. Ich finde aber, dass die Frage sich unter den neuen Bedingungen der Notwendigkeit eine unabhängigen Energieversorgung neu stellt. Wir müssen die Debatte neu führen und dabei auch offen bleiben. Am Ende müssen wir zu nüchternen Entscheidungen kommen. Diese dringende Bitte richtet sich vor allem an die Grünen. Allzu oft habe ich erlebt, dass von ihnen nur eine sehr emotionalisierte Debatte geführt wurde.“ Die niedersächsische Gasindustrie hatte kürzlich angeboten, auch hiesige Standorte auszuschöpfen, wenn das gewünscht ist. Dies dürfte dann wohl nur über „Fracking“ möglich sein. Beim „Fracking“ wird eine chemische Flüssigkeit in die Tiefe gepresst, damit sich das Gas aus Schiefergestein lösen kann.


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Birkner äußerte sich zu den wesentlichen Punkten des FDP-Programms und übte scharfe Kritik an der amtierenden SPD/CDU-Koalition. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) habe das Land in seiner nunmehr neunjährigen Amtszeit „mehr verwaltet als gestaltet“, er habe „nur das Nötigste getan und das Land nicht vorangebracht“. Was Vize-Ministerpräsident Bernd Althusmann (CDU) angehe, sei dessen Bilanz als Digitalisierungsminister „ziemlich schlecht“. So angemessen es sein könne, sich große Ziele zu setzen und diese mit reichlich Mitteln zu unterlegen, so sehr müsse man sich dann aber an den Resultaten messen lassen – und wenn das Geld nur schlecht abfließe, dann zeuge das eben von fehlender politischer Durchsetzungskraft. Die FDP will nach der Wahl einen „Digitalisierungsminister“ berufen, der dies nicht als einzige Aufgabe haben solle, aber als Minister ein „Durchgriffsrecht auf alle Ressorts bei der Digitalisierung“ haben müsse. So gehe es nicht an, dass für die Verwaltungsmodernisierung beispielsweise das Innenministerium zuständig sei und der derzeitige Digitalisierungs-Staatssekretär sich nur auf Ratschläge beschränken müsse.


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Die FDP-Spitze, Landesvorsitzender Birkner und Generalsekretär Konstantin Kuhle, hoben noch weitere Kernforderungen für den Wahlkampf hervor:

Bürokratieabbau: Die Clearingstelle im Wirtschaftsministerium solle zum „Bürokratiewächter“ weiterentwickelt werden. Für jede neue Vorschrift, die in Kraft trete, müssten zwei bestehende gestrichen werden. Dieses Verfahren müsse „institutionalisierter geregelt werden“.

Kernunterricht stärken: Die FDP will die Förderschule Lernen weiter aufrechthalten. In allen Schulen sollten die Lehrkräfte auf den Kernunterricht konzentriert werden, sodass nachmittags in Ganztagsschulen eine Betreuung auch in Kooperationen mit Vereinen und Verbänden geschehen kann. Eine „Unterrichtsgarantie“ könne so geboten werden. Alle Lehrer sollten mindestens A13 verdienen, die Berufsschulen müssten gestärkt werden. In Kindergärten sollten die Kommunen schon von 2023 an die dritte Kraft einstellen können – sie müssten alle Kosten dafür dann vom Land erstattet bekommen. Das SPD-Wahlversprechen, jedem Schüler ein Tablet zu spendieren, „vernebelt“ laut Birkner das Problem. Die eigentliche Herausforderung liege in den neuen Formen der digitalen Bildungsvermittlung – und dazu habe die Große Koalition keine Idee.

Hochschulen stärken: Die Landesregierung solle mit den Hochschulpräsidien und Studentenvertretern beraten über eine strategische Ausrichtung der Einrichtungen. Eine Detailsteuerung der Unis durch das Ministerium sei verkehrt, die Hochschulen sollten für ihre tägliche Arbeit mehr Freiheiten bekommen.

Russland-Connection aufhellen: FDP-Generalsekretär Kuhle hielt der SPD „Salami-Taktik“ bei der Klärung der Frage nach der Russland-Politik von Ministerpräsident Weil vor. Im Landtag habe die SPD auf FDP-Anfragen erklärt, sie wisse nicht, ob für Russland-Gesprächsrunden mit Weil von den Teilnehmern Beiträge verlangt worden seien. „Dann hätte die Staatskanzlei bei den Veranstaltern nachfragen müssen“, meinte Birkner und ergänzte: „Wenn Weil im Herbst für Vertrauen wirbt, ist er jetzt gut beraten, für Transparenz zu sorgen.“