4. Juli 2022 · Bildung

Philologenverband: Lehrerausbildung muss in neuem Bildungsministerium gebündelt werden

Christoph Rabbow (links) und Matthias Pretz. | Foto: Kleinwächter

Eine Woche, nachdem Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) sein Konzept zur Lehrkräftegewinnung vorgestellt hat, legt nun der niedersächsische Philologenverband mit seinen Vorstellungen nach. Der Vorsitzende des Lehrerverbands, Christoph Rabbow, bezeichnete Tonnes Pläne am Montag vor Journalisten als „nicht überzeugend“ und warnte vor einer Bildungskatastrophe, sollte die Lehrkräftegewinnung nicht gelingen. Er drückte seine Erwartung aus, dass nun auch der Ministerpräsident „Farbe bekennen“ müsse, brachte sogar die Einrichtung eines Krisenstabs ins Gespräch und meinte, die Ministerpräsidentenkonferenz sollte sich des Themas einmal annehmen.

Vorschlag: Referendariat soll immer am 1. Mai und 1. November anfangen

Die Philologen haben konkrete Vorstellungen, wie es besser funktionieren könnte: Zentrale Forderung ist die Bündelung aller Angelegenheiten der Lehrerausbildung in einem einzigen Ministerium. Derzeit sind sowohl das Kultus- als auch das Wissenschaftsministerium damit befasst. Nach der Landtagswahl im Herbst sollte nach Ansicht des Verbands die neue Landesregierung ein Bildungsministerium einrichten, in dem beide Zuständigkeiten zusammenfallen. Bei der dringend benötigten besseren Abstimmung zwischen Studium und Referendariat gehe es schon bei der Synchronisierung von Terminen los, erklärte Matthias Pretz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Fach- und Seminarleiter. Das Referendariat beginne immer zum neuen Schuljahr beziehungsweise zum Schulhalbjahr. Diese Startzeitpunkte passten allerdings nicht zu den Studienabschlüssen der Absolventen. Der Philologenverband regt deshalb an, das Referendariat immer am 1. Mai und am 1. November anfangen zu lassen.

Praxiserfahrungen noch vor der Bachelorprüfung sammeln

Der Lehrerverband sieht in den 18 Studienseminaren einen entscheidenden Schlüssel für eine gelingende Lehrkräftegewinnung. Die Studienseminare seien der Ort, an dem die angehenden Lehrer das nötige Rüstzeug erhielten, um 40 Jahre im Schuldienst bestehen zu können, sagte Rabbow. Dies gelinge aber nur durch eine auskömmliche Beratung der Studenten und Referendare. Künftig solle es im vierten Semester, noch vor der Bachelorprüfung, ein verpflichtendes Praxissemester an den Studienseminaren geben, schlägt der Philologenverband vor. Dort sollen die angehenden Lehrer feststellen können, ob sie wirklich für den Schuldienst geeignet sind. Einstiegshürden wie besonders niedrige Numerus Clausi für Lehramtsstudiengänge oder ein gezieltes Aussieben in den ersten Wochen des Studiums halten die Verbandsvertreter hingegen für falsch.

"Regelmäßige Unterrichtshospitationen sind das Herzstück der Ausbildung."

Matthias Pretz

Die Pläne des Kultusministeriums, den „eigenverantwortlichen Unterricht“ für Referendare auszuweiten, bezeichnet Pretz als „fatales Signal“. Das Kultusministerium verkaufe dies als einen größeren Praxisanteil, in Pretz’ Augen handele es sich dabei allerdings um eine „Mogelpackung“, mit der man kurzfristig die schlechte Unterrichtsversorgung zu kaschieren versuche. Dass die Zahl der Hospitationen womöglich von derzeit zehn bis zwölf auf künftig nur noch fünf verringert werden soll, wie man beim Philologenverband mutmaßt, kritisieren Pretz und Rabbow ebenfalls. „Regelmäßige Unterrichtshospitationen sind das Herzstück der Ausbildung“, sagte Pretz und Rabbow ergänzte, dass die Ausbilder nicht als „Externe“ betrachtet werden dürften, die allein für eine Beurteilung der Referendare da seien, vielmehr gehe es um Beratung und Begleitung.

Philologenverband: Quereinsteiger soll in Vorbereitungsdienst münden

Was die vermehrte Anwerbung von Quereinsteigern betrifft, unterstützt der Philologenverband die Ansicht des Kultusministeriums. „Mittelfristig können wir gar nicht anders“, kommentiert Rabbow. Allerdings pocht der Philologenverband darauf, dass der Quereinstieg in den Vorbereitungsdienst münden müsse – und nicht direkt in den Schuldienst. „Die Grundlage für den Einstieg in den niedersächsischen Schuldienst muss das Referendariat sein und bleiben“, unterstreicht der Verbandsvorsitzende. Mit Verweis auf den kürzlich vorgestellten IQB-Bildungstrend erklärte Rabbow, dass der Quereinstieg mit dazu beitrage, dass die Mathematikkenntnisse von Grundschülern unzureichend seien, da den Lehrkräften die fachdidaktische und pädagogische Qualifikation fehle. Er warnte vor einer „Schmalspurausbildung“ und sprach auch von einer „Fürsorge für die Quereinsteiger“, die schließlich auf den Lehrerberuf vorbereitet werden müssten.

Eine Lockerung bei den Zugangsvoraussetzungen für den Quereinstieg, die das Kultusministerium angekündigt hat, begrüßt der Philologenverband derweil. Wenn Bewerbern Leistungspunkte aus dem Studium fehlten, sollten diese über Zusatzqualifikationen in den Studienseminaren ausgeglichen werden können. „Ob jemand ein guter Lehrer wird, entscheidet sich im Referendariat“, sagte Rabbow.

Dieser Artikel erschien am 5.7.2022 in Ausgabe #125.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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