1. Juli 2020 · 
Soziales

Pflegekammer: Reimann gerät im Landtag erheblich unter Druck

Von Martin Brüning „Wer arbeitet und Verantwortung trägt, der kann auch Fehler machen“, sagt der SPD-Sozialexperte Uwe Schwarz. „Aber doch nicht immer!“, ruft FDP-Fraktionschef Stefan Birkner dazwischen. Beide meinen Sozialministerin Carola Reimann, die von FDP und AfD im Landtag an diesem Mittwoch ein weiteres Mal angezählt wird. Es geht um die Pannen rund um die Pflegekammer. Sowohl Birkner als auch der AfD-Sozialpolitiker Stephan Bothe fordern Reimanns Rücktritt. „Es ist ein komplettes Desaster, Ihr Desaster“, sagt Bothe an Reimann gerichtet. Dass Fehler passiert sind, können in dieser aktuellen Debatte des Landtags auch die Regierungsfraktionen nicht verhehlen. „Auch wir finden die noch nicht geschehene Mittelzuweisung für die Beitragsfreiheit und die Probleme bei der Umfrage nicht gut. Auch wir hoffen, dass das jetzt schnell umgesetzt wird“, sagt Schwarz und setzt der Opposition die politische Pistole auf die Brust. „Wenn das alles so schlimm und unerträglich ist, dann frage ich mich, warum FDP und AfD keinen Abwahlantrag stellen.“ „Können wir ja beim nächsten Mal noch machen“, antwortet Birkner von seinem Platz in der erste Abgeordneten-Reihe aus.
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Die Regierungsfraktionen wirken inzwischen selbst ein wenig müde angesichts der Probleme, die die Pflegekammer seit ihrem Start begleiten und die inzwischen mehr die Sozialministerin als die Kammer belasten. Dabei sind die von FDP und AfD angesprochenen Defizite nicht neu, sie sind nur immer noch nicht politisch abgeräumt. Reimann habe es bis heute nicht geschafft, die vom Landtag bereitgestellten sechs Millionen Euro an die Kammer zu überweisen, um die Beitragsfreiheit zu realisieren. Die Ministerin wolle das offensichtlich nicht umsetzen, das sei nicht hinnehmbar, schimpft der FDP-Fraktionsvorsitzende. Auch die Online-Befragung der Mitglieder habe Reimann nicht korrekt umgesetzt und eine Frage zur Zukunft der Kammer gestellt, die weder offen noch fair sei. Allerdings habe dies der Landtag zuvor unmissverständlich gefordert. Angesichts des „Unwillens oder Unvermögens, die klaren politischen Willensäußerungen umzusetzen“, müsse Reimann ihren Platz räumen und einen Neustart ermöglichen. „Es wäre richtig, Sie würden zurücktreten“, sagt Birkner. Der AfD-Politiker Bothe nennt die im ersten Anlauf gescheiterte Umfrage ein einziges Desaster und die noch nicht gezahlten Mittel für die Beitragsfreiheit „Zechprellerei“. „Das ist Missachtung des Parlaments und eine Veräppelung der Bevölkerung“, sagt Bothe und fordert Reimann auf, die Konsequenzen zu ziehen.

Erst kein Glück und dann auch noch Pech

CDU-Fraktionsvize Jörg Hillmer bemüht derweil die Weisheit von Fußballer Jürgen Wegmann, wonach die Kammer erst kein Glück hatte und dann noch Pech dazu gekommen sei. Hilmer versucht den Ball weg von der Sozialministerin, hin zur Kammer zu schieben. Die Kammer sei „mit traumwandlerischer Sicherheit von Fettnapf zu Fettnapf gestiegen“. Es sei gut, dass in der Umfrage nun die Pflegekräfte das Wort hätten. „Das warten wir jetzt mit Demut ab“, sagt Hillmer. Uwe Schwarz von der SPD wiederum sieht keinen Grund für Rücktrittsforderungen. Es sei nicht die Schuld Reimanns, dass sie durch die Corona-Krise seit Februar im Ministerium sämtliche Arbeitskapazitäten eingebüßt habe. Sie sei auch nicht dafür verantwortlich, dass die Befragung durch den Corona-Ausbruch verschoben und später von außen sabotiert worden sei. Diese Argumentation ist auch Reimanns Strategie. In ihrer Rede kommt sie erst auf die internen Konflikte der Kammer zu sprechen, die im März in der Wahl der neuen Präsidentin Nadya Klarmann mündeten. „Mein Eindruck ist, dass die Kammer personell wieder in ruhigem Fahrwasser ist“, erklärt Reimann, die auch beklagt, dass durch das Corona-Virus wichtige Aktivitäten ausgebremst worden seien. Jetzt will Reimann die Probleme vom Tisch bekommen. Der Antrag auf institutionelle Förderung sei für 2020 gestellt, die Auszahlung könne in Kürze geschehen. „Wenn die letzten offenen Fragen für die Beitragsrückzahlung 2018 und 2019 geklärt sind, kann auch diese zeitnah beginnen“, sagt die Sozialministerin. Den technischen Fehler bei der Online-Umfrage nennt Reimann ärgerlich. „Wir werden die Befragung so schnell und so sicher wie möglich neu starten.“ Sie gehe davon aus, dass der Neustart im Juli sein könne, die Teilnahme solle bis nach den Sommerferien möglich sein. Informationen des Politikjournals Rundblick zufolge schwebt dem Ministerium ein konkreter Neustart rund um den 20. Juli vor. Auch die umstrittene Frage zur Zukunft der Kammer soll Reimann zufolge „differenzierter gefasst und an den Anfang gestellt“ werden.

Allein die Grünen halten an der Kammer fest

Probleme abräumen oder Kammer abschaffen - das sind die zwei politischen Leitlinien in dieser Debatte, in der sich die Mehrheit der Fraktionen zugleich aber nicht mehr für Kammer verkämpfen möchte. Allein die Grünen halten unverbrüchlich an der Kammer fest. Grünen-Sozialexpertin Meta Janssen-Kucz beklagt in ihrer Rede die destruktive Haltung der FDP zur Pflegekammer, schließlich gehe es darum, die Situation in der Pflege langfristig zu verbessern. https://www.youtube.com/watch?v=YmM0tmgxi1A Nach den Misshandlungen in einem Pflegeheim in Celle brauche es zudem eine neutrale unabhängige Beschwerdestelle, hier biete sich die Pflegekammer mit ihrer fachlichen Expertise direkt an, bevor man weitere neue undurchsichtige Strukturen aufbaue. Der Sozialministerin wollte Janssen-Kucz aber auch keinen Freibrief ausstellen. Die Vereinbarungen der Konzertierten Aktion Pflege seien nicht einmal ansatzweise umgesetzt, auf das neue Pflegegesetz warte nicht nur der Sozialausschuss. „Frau Ministerin Reimann, wo bleibt ihr Engagement für die Pflege?  Corona ist keine Ausrede fürs Nichthandeln, sondern sollte ein Antrieb sein“, sagt die Grünen-Politikerin.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #124.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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