25. März 2024 · 
Inneres

Pensionär deckt auf: Bürgermeister dürfen nach kurzer Amtszeit wieder aufhören

Der frühere Gemeindedirektor von Bösel (Kreis Cloppenburg), Hermann Gerdes, ist ein umtriebiger Mann und vertieft sich leidenschaftlich in die Kommunalpolitik und in das Wahlrecht. Nun ist der Pensionär nach längeren Recherchen auf eine Besonderheit in den einschlägigen Vorschriften gestoßen: In Paragraph 80, Absatz 10 des Kommunalverfassungsgesetzes heißt es, dass alle Bürgermeister oder Landräte, deren Amtszeit erst nach dem 31. Oktober 2026 abläuft, durch schriftliche Erklärung vorzeitig aus dem Amt ausscheiden dürfen – nämlich am 31. Oktober 2026.

Hermann Gerdes | Foto: privat

Das ist auf den ersten Blick eine Übergangsregel, wie sie in Gesetzestexten häufiger auftaucht. Gerdes aber hat nachgehakt und erfahren, dass es in zweieinhalb Jahren, also im Oktober 2026, zu mehreren kuriosen Fällen kommen könnte. Es könnten dann auch Bürgermeister ihren Abschied nehmen, die nur ein, zwei, drei oder vier Jahre in ihren Positionen tätig waren. Die Vorgabe in Paragraph 80 würde es ihnen erlauben. „Aus einer verständlichen Wunscherfüllung für eine Handvoll Bürgermeister könnte ein Ungestüm für eine Vielzahl von Fällen werden. So hat sich das eigentlich keiner der Betroffenen gedacht“, sagt Gerdes dem Politikjournal Rundblick.

Die Übergangsregel war, fügt er hinzu, eigentlich ganz anders gedacht. Laut Kommunalverfassung beträgt die Amtszeit von Bürgermeistern und Landräten fünf Jahre. Sie sollen parallel zur Kommunalwahl gewählt werden – und ihre Amtszeit soll enden, wenn die nächste Kommunalwahl ansteht. Nun gibt es aber Sondervorschriften für solche Fälle, in denen eine Bürgermeister- oder Landratswahl erst nach einer Kommunalwahl stattfindet. Das ist dann denkbar, wenn ein Amtsinhaber stirbt, abgewählt wird oder seinen Dienst aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. In solchen Situationen verlängert sich laut Kommunalverfassung die Amtszeit – und zwar nicht bis zur nächsten, sondern bis zur übernächsten Kommunalwahl.

Symbolfoto: Bjoern Wylezich

Die Vorschrift in Paragraph 80 (11) richtet sich nun an Bürgermeister, die erst nach der Kommunalwahl im September 2021 gewählt wurden, etwa im November oder Dezember 2021, oder auch im Jahr 2022. All jene, die dann ins Amt gelangten, obwohl sie vorher schon längere Zeit im öffentlichen Dienst waren (etwa als Dezernenten), sollten nicht zu einer neun- oder achtjährigen Amtszeit verdonnert werden. Sie sollten die Chance erhalten, früher zu gehen, nämlich nach der Kommunalwahl 2026. Da in jedem individuellen Fall die Versorgung darauf beruht, was ein Bürgermeister als Tätigkeiten im öffentlichen Dienst bisher schon geleistet hat, würde sich ein vorzeitiger Abgang für diesen Personenkreis sowieso nur auszahlen für jene, die vorher schon länger als Beamte tätig gewesen waren.

Vorzeitiger Ausstieg in mindestens 15 Fällen möglich

Das war die Theorie, und Gerdes erhielt vom Innenministerium auch die Auskunft, die Vorschrift des Paragraphen 80 betreffe ja nur ein paar Beamte. Die Regel sei also hinnehmbar. Gerdes gab sich aber mit dieser Antwort nicht zufrieden und grub weiter. Er kommt bisher auf mehr als 15 Fälle, in denen Bürgermeister- oder Landratswahlen nach der Kommunalwahl im September 2021 stattgefunden haben. Überall dort hätten die Bürgermeister jetzt die Chance, vorzeitig aufzuhören.

Theoretisch könne also 2025 ein neuer Bürgermeister gewählt werden, der vorher lange Zeit als Dezernent der Kommune tätig war und ausreichend Versorgungsansprüche angesammelt hat. Er könne dann ein Jahr später wieder aufhören – und hätte dann als Folge eines speziellen Lebenslaufs wegen seiner Vordienstzeiten im öffentlichen Dienst sofort Anspruch auf eine auskömmliche Pension. Das Ruhegehalt, soviel ist klar, stünde ihm erst nach Ablauf der regulären fünfjährigen Amtszeit zu. Aber es könnte genügend Fälle geben, in denen die Betroffenen auf ein solches Ruhegehalt gar nicht angewiesen sind. Gerdes spricht daher von einer „Gesetzeslücke“, die so nie gewollt gewesen sei.

Dieser Artikel erschien am 26.3.2024 in Ausgabe #057.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Foto: Lada
Mareike Wulf im Podcast: Schüler-ID kann bei der Berufsberatung sehr viel weiterhelfen
3. Juni 2025 · Niklas Kleinwächter4min
Auf einen Sturz sollte man reagieren: mit Training für Muskelkraft und Gleichgewicht | Foto: vlada_maestro via GettyImages
Universität Oldenburg entwickelt jetzt ein tragbares Gerät zur Sturzprävention
2. Juni 2025 · Anne Beelte-Altwig3min
Waldbesitzer, Unternehmer, Gewerkschaften und Energiebranche sprechen sich für mehr Windkraft im Wald aus. Woanders wird da schon eifrig gebaut, in Niedersachsen nicht. | Foto: GettyImages/Bim
„Absoluter Tabubruch“: Umweltverbände stemmen sich gegen Windkraft im alten Wald
4. Juni 2025 · Niklas Kleinwächter3min