Zehn Prozent der niedersächsischen Landesforsten sollen in Zukunft sich selbst überlassen werden. Das hat die Landesregierung gestern beschlossen. Schon jetzt werden acht Prozent der Flächen nicht mehr bewirtschaftet, um die Wälder wieder in natürliche Lebensräume umzuwandeln. Jetzt kommen noch einmal 5150 Hektar dazu, sodass künftig eine Fläche von der Größe Bremens Naturwald wird. Das Programm ist Teil der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ und soll das Artensterben und die Ausbreitung von Monokulturen in den Wäldern eindämmen. Fünf Prozent aller Wälder in Deutschland sollen dieser Strategie zufolge bis 2020 Naturwälder werden, in denen Bäume ohne Zutun des Menschen wachsen und verrotten und damit einen natürlichen Lebensraum für Tiere und Pflanzen schaffen. Umweltminister Stefan Wenzel nannte die jetzt im Kabinett beschlossene Aufstockung der niedersächsischen Naturwaldflächen einen „Meilenstein für den Naturschutz“ und Forstminister Christian Meyer betonte, dass nur wenige Bundesländer bislang so große Flächen ausgewiesen hätten.

Lesen Sie auch:

 

Doch auf den Gesamtbestand der Wälder in Niedersachsen gerechnet, bleibt die Naturwald-Fläche auch durch den neuen Beschluss überschaubar. Das liegt vor allem daran, dass dem Land nur ein Drittel der Wälder in Niedersachsen gehören. Die anderen Flächen sind entweder im Besitz der Kommunen oder von Privatpersonen. Naturwald werden demnach in Niedersachsen nur drei Prozent. „Viele Kommunen haben schon angekündigt, ihre Stadtwälder künftig auch nicht mehr bewirtschaften zu wollen, aber Privatbesitzer können und wollen wir natürlich nicht zwingen, ihren Wald sich selbst zu überlassen“, sagt Meyer. Da müsse man weiterhin mit Anreizen arbeiten. Meyer schätzt, dass die Landesforsten durch die Ausweitung der Naturwaldfläche rund 100.000 bis 200.000 Euro jährlich weniger Umsatz machen als bisher. Bei einem Umsatz von rund 130,5 Millionen im vergangenen Jahr fällt das jedoch kaum ins Gewicht. „Es werden durch die Umwandlung auch keine Stellen gestrichen, im Gegenteil“, sagte Meyer. Denn die Forstarbeiter würden anderswo eingesetzt. Da die Naturwälder aber touristisch vermarktet werden sollen, brauche es Naturschutzbeauftragte und Pädagogen, die das Besondere der Wälder vermitteln können.

Das größte Naturwald-Areal wird weiterhin der Nationalpark Harz sein, mit 2800 Hektar soll hier die Hälfte des niedersächsischen Naturwalds stehen. Die Renaturierung des Oberharzes ist schon vor mehreren Jahren beschlossen worden, weil dort besonders stark in die Natur des Waldes eingegriffen worden ist. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts wurden besonders viele Fichten angepflanzt, da diese schnell wuchsen und dementsprechend rasch das für den Bergbau benötigte Holz zur Verfügung stellten. Die Fichten breiteten sich jedoch aus, verdrängten andere Baumarten und zogen den Borkenkäfer an, der vor allem große Teile des Waldes um das Moor „Brockenfeld“ abtötete. Mit der fortschreitenden Renaturierung und Durchmischung des Waldes zieht der Borkenkäfer sich aus der Region zurück, sodass der 500 Meter breite „Borkenkäfer-Sicherungsstreifen“ nun auch abgeschafft werden könne, wie Forstminister Meyer gestern sagte.

Von den Naturwald-Flächen außerhalb des Harzes wiederum geht die Hälfte an den Süntel bei Hameln, hier soll der Wald sich künftig auf 1300 Hektar ungestört ausbreiten können. Auf dem dritten Platz folgt der Solling im Landkreis Northeim, der mit rund 450 Hektar schon eine deutlich kleinere Naturwald-Fläche bekommt. Neu ausgewiesen werden das Elmendorfer Holz im Ammerland, das Windbrackenholz bei Cuxhaven, der Gaim und der Fuhse-Auwald in der Region Hannover, der Sundern und der Elm bei Helmstedt, das Barneführer Holz im Landkreis Oldenburg, der Kleine Berg in Osnabrück und der Schafhauser Wald bei Wittmund.