10. Nov. 2022 · Wirtschaft

Niedersachsens Großkonzerne trotzen der Krise und bleiben auf Wachstumskurs

Fotos: Continental, Symrise, Salzgitter AG, Volkswagen AG

Die Sektkorken haben am Donnerstag bei der Continental AG zwar nicht geknallt. Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftslage konnte Finanzvorständin Katja Dürrfeld ein ordentliches Quartalsergebnis vorlegen. Der hannoversche Automobilzulieferer kommt trotz gestörter Lieferketten, fehlender Elektronikbauteile und enormer Preissteigerungen für Rohmaterialien, Vorprodukte, Energie und Logistik wieder zu Kräften. „An unserem Umsatz- und Ergebnisausblick für das laufende Geschäftsjahr halten wir fest“, betonte Dürrfeld. Der diesjährige Jahresumsatz werde voraussichtlich irgendwo zwischen 38,3 bis 40,1 Milliarden Euro liegen (2021: 33,8 Milliarden Euro). Und auch die Gewinnmarge soll mit 4,7 bis 5,7 Prozent zumindest wieder halb so groß sein wie in den fetten Jahren der vergangenen Dekade. Größte Baustelle von Konzernchef Nikolai Setzer bleibt zwar das Kerngeschäft Automotive, also das klassische Zulieferergeschäft. Doch zumindest hat die Conti-Autosparte schon wieder ihre Kosten in den Griff bekommen. Die Geschäftsbereiche Reifen und Conti-Tech bewertete die CFO als „robust“. „Dies ist uns auch gelungen, weil alle Unternehmensbereiche neue Preise mit unseren Kunden vereinbart haben. Das hilft uns in Zeiten steigender Kosten“, sagte Dürrfeld. Außerdem habe Continental den Kreis seiner Lieferanten erweitert sowie die Beschaffungs- und Logistikkette gestrafft.

„Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagt Conti-CFO Katja Dürrfeld. | Foto: Continental/Screenshot

„Sind wir schon da, wo wir hinwollen? Nein. Aber es gibt eine Reihe positiver Zeichen“, sagte Dürrfeld. Eines davon sei der guten Auftragslage für die Autosparte, die erst am Vortag einen neuen Großauftrag über 2 Milliarden Euro vermeldete, geschuldet: Ein nordamerikanischer Automobilhersteller will auf das „Future Brake System“ (FBS) von Conti umsteigen. Bei dem „halbtrockenen“ FBS werden die Hinterachsen nur noch elektromechanisch gebremst – ohne den Einsatz von Bremsflüssigkeit. Um welchen Autobauer es sich handelt, verriet Continental nicht. Die Serienproduktion soll aber 2025 beginnen. Zudem arbeitet der niedersächsische Technologiekonzern bereits an einem Bremssystem, bei dem sich alle vier Radbremsen elektromechanisch betätigen. Weil dabei überhaupt keine Hydraulik und keine Bremsflüssigkeit mehr zum Einsatz kommen sollen, spricht Conti von einer „trockenen“ Bremse. Der Konzern setzt aber nicht nur auf innovative Zukunftstechnologien, sondern auch voll auf Nachhaltigkeit. „Schon heute sind nachhaltige Oberflächen und Reifen Realität. Diese produzieren wir aus nachwachsenden und recycelten Materialien“, sagte Dürrfeld. Beim neuen Reifentyp „Conti Urban“, der speziell für den elektrischen Bus- und Lieferverkehr entwickelt wurde, beträgt der Öko-Anteil schon 50 Prozent. Der Laufstreifen, also der Teil mit direktem Straßenkontakt, enthält sogar zu 68 Prozent nachwachsende Materialien – darunter Rapsöl, Silikat aus der Asche von Reishülsen und Naturkautschuk aus „verantwortlicher Beschaffung“. Das für den „Conti Urban“ recycelte Gummi stammt aus dem Runderneuerungs- und Recyclingwerk für Lkw-Reifen in Hannover-Stöcken.

Das Future Brake System von Continental soll bis 2025 bei einem nordamerikanischen Autohersteller in Serienproduktion gehen. | Foto: Continental AG

Auch weiter südöstlich arbeitet ein niedersächsisches Unternehmen an neuen Premiumprodukten. Die Salzgitter AG hat gestern ihre größte Einzelinvestition der vergangenen zehn Jahre in Betrieb genommen: Mit einer neuen 200 Millionen Euro teuren Feuerverzinkungsanlage will die Salzgitter Flachstahl GmbH hochwertige Bleche für nationale und internationale Kunden aus Automobilindustrie und Haushaltswarenbranche herstellen. Die neue Produktionsanlage schafft 500.000 Tonnen hoch- und höchstfesten Stahlsorten pro Jahr und ist mit 70 neuen Arbeitsplätzen am Standort Salzgitter verbunden. Die nächste Rekordinvestition ist auch schon getätigt: Für die erste Aufbaustufe der CO2-armen Stahlproduktion „Salcos“, die bis Ende 2025 umgesetzt werden soll, hat die Salzgitter AG insgesamt 723 Millionen Euro Eigenmittel freigegeben. Hinzu kommen bis zu 700 Millionen Euro vom Bund und 300 Millionen Euro vom Land Niedersachsen. Schon jetzt wächst die Kundenliste für den grünen Stahl beständig: Ende Oktober kamen Vertreter von Haushaltsgerätehersteller Miele und Autobauer Ford zur Vertragsunterzeichnung vorbei. Ein weiterer Großauftrag läuft bereits: Der Salzgitter-Konzern produziert mehr als 80 Kilometer Pipeline-Rohre zur Anbindung der neuen LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel ans Gasnetz. Trotz der schwierigen Wirtschaftslage rechnet der Konzern mit einem Jahresumsatz von 13 Milliarden Euro – das wäre ein Plus von etwa 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Ulrich Grethe, Vorsitzender der Geschäftsführung von Salzgitter Flachstahl, zeigt die neue Großanlage. | Foto: Salzgitter AG

„Ein solides Ergebnis in einem weltweit schwierigen Umfeld“ hatte zuletzt auch der Volkswagen-Konzern vermeldet. Gleichzeitig bestätigten die Wolfsburger auch ihre Umsatzprognose für 2022, die 8 bis 13 Prozent über dem Vorjahr liegen werde. Das hängt teilweise mit dem erfolgreichen Porsche-Börsengang zusammen, aber auch mit der starken Performance bei den Premium-, Sport- und Luxusmarken. Vorgestern gab der Konzern auch endlich grünes Licht für Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Euro in Spanien. Das Geld soll in eine PowerCo-Batteriefabrik bei Valencia und die Umrüstung der Seat-Werke Martorell (bei Barcelona) und Pamplona fließen, die auf die Produktion von Elektro-Kleinwagen umgerüstet werden. In Martorell soll laut Medienberichten der VW ID.2 und der Seat Cupra Raval gefertigt werden, der den Seat Ibiza ersetzt. Die beiden E-Kleinwagen sollen ab 20.000 bis 25.000 Euro erhältlich sein. In Pamplona sollen die Nachfolger von VW T-Cross und Skoda Kamiq vom Band laufen.

Eine VW-Delegation schaut sich den Standort für die erste Giga-Batteriefabrik Spaniens bei Valencia an. | Foto: Volkswagen AG

Noch besser laufen die Geschäfte beim Holzmindener Duft- und Geschmackstoffhersteller Symrise AG. Die Südniedersachsen hatten nach einem starken dritten Quartal die Umsatzprognose noch einmal angehoben und rechnen jetzt mit einem Plus von 10 Prozent und einem Jahresumsatz von über 4 Milliarden Euro. Nicht nur die eigenen Kosmetika und die eigene Heimtiernahrung laufen gut. Symrise kaufte sich auch in beiden Geschäftsbereichen jeweils drei neue Firmen dazu. Getoppt wird das alles nur vom Life-Science-Konzern Sartorius. Der Pharma- und Laborzulieferer aus Göttingen erwartet zum Jahresende ein Umsatzplus von mindestens 15 Prozent. Schon 2021 war der Konzern von Prof. Joachim Kreuzburg beim Umsatz um fast 50 Prozent gewachsen und stieg auf 3,5 Milliarden Euro. Die weltweite Zahl der Sartorius-Mitarbeiter wuchs innerhalb von nur anderthalb Jahren um 5500 Beschäftigte auf nun 16.038 Menschen.

Dieser Artikel erschien am 11.11.2022 in Ausgabe #200.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

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