
Am Dienstag ist Schluss: Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Landeskabinetts wird es sein, das niedersächsische Ministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, genannt "MB", abzuschaffen. Niedersachsens designierter Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) kündigte diesen Schritt am 24. April an und stellte sogleich die neue Ministerin Melanie Walter (SPD) vor. Sie soll fortan das Europathema in Brüssel und am Kabinettstisch verantworten – allerdings ohne ein eigenes Haus zu führen. Wie genau das Ministerium, das erst 2017 von der rot-schwarzen Regierung eingerichtet wurde, nun wieder abgewickelt wird, konnte Lies seinerzeit allerdings noch nicht im Detail ausführen. Auch jetzt, wenige Tage vor der Ministerpräsidentenwahl, sind noch nicht alle Einzelheiten geklärt. Fest steht: Die tatsächliche Entscheidung über die Umstrukturierung der Landesregierung kann erst das neue Kabinett treffen, wenn Lies gewählt ist, die Regierung steht und dort erste Beschlüsse gefasst werden können. Die Organisationsfrage wird die erste sein, die vom neuen Kabinett getroffen wird. Die Vorbereitungen dazu geschehen bereits seit Wochen in enger Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen Staatskanzlei und Europaministerium, erklärt eine Regierungssprecherin. Aufseiten des Ministeriums koordiniert Staatssekretär Matthias Wunderling-Weilbier nun diese Geschäfte, seine Ministerin Wiebke Osigus (SPD) wird aus dem Amt ausscheiden. Er selbst soll anschließend als Staatssekretär ins Wirtschaftsministerium wechseln.
Personal wolle er im Zuge der Veränderung nicht einsparen, hatte Lies erklärt. Parallel zur Pressekonferenz, in der er die neue Ministerin präsentierte, wurden auch die Beschäftigten des Europaministeriums informiert. Die Botschaft des designierten Ministerpräsidenten war diese: Niemand wird weg-rationalisiert – man brauche für das so wichtige Europathema sogar eher noch mehr Personal. Doch nicht alle Anschlussverwendungen erschließen sich auf den ersten Blick. Um die Umbaupläne zu verstehen, muss zunächst die Struktur des bestehenden Hauses betrachtet werden. Das Organigramm weist drei Fachabteilungen sowie eine Referatsgruppe für Zentrale Aufgaben aus – also für Personal, Haushalt, Kabinettskoordination. Außerdem gibt es verschiedene Stellen, die direkt bei der Ministerin oder dem Staatssekretär angedockt sind: das persönliche Büro (Kai Klingenberg), die Pressestelle (Carolin Oppermann), die Gleichstellungsbeauftragte (Stefanie Sembill) und die Leitung der Landesvertretung in Berlin (Axel Rienhoff). Manche dieser Aufgaben verlieren ohne eigenes Ministerium ihre Relevanz.
Die „Referatsgruppe Z“ sowie die Stellen rund um die scheidende Ministerin und ihren Staatssekretär sollen in die Staatskanzlei überführt und mit den dort bestehenden Querschnittsreferaten zusammengeführt werden, erklärte eine Regierungssprecherin und blieb damit relativ unkonkret. Auch die drei Abteilungen „Regionale Entwicklung, EU-Förderung“, „Europa“ (inklusive der Landesvertretung in Brüssel unter Leitung von Michael Freericks) und die Landesvertretung in Berlin (die eine eigene Abteilung des Ministeriums darstellt) sollen organisatorisch in die Struktur der Staatskanzlei integriert werden. Räumlich soll sich derweil erst einmal nichts ändern. Die entsprechenden Abteilungen mit ihren Referaten, die ihren Sitz in Hannover haben, werden in der hannoverschen Osterstraße bleiben. Eine Organisationseinheit aus der „Referatsgruppe Z“ soll derweil tatsächlich in ein anderes Ministerium wechseln: Die „Verwaltungsbehörde EFRE und ESF“, die für die EU-Förderprogramme Europäischer Fonds für regionale Entwicklung sowie für den Europäischen Sozialfonds zuständig ist, soll künftig dem Wirtschaftsminister unterstellt werden.

Die Zuständigkeit für jene Abteilungen, die jetzt aus dem Europaministerium in die Staatskanzlei integriert werden, soll bei der designierten Europaministerin Walter liegen – inklusive der Regionalentwicklung. Noch-Europaministerin Osigus hatte ihren Rückzug aus dem Kabinett auch damit begründet, dass von ihrem Amt künftig deutlich mehr Präsenz in Brüssel denn in Niedersachsen erwartet werde. Sie selbst hat ihren Schwerpunkt eher in der Förderung der Regionen Niedersachsens gesehen – verbunden mit Reisetätigkeit im Land. Es ist vorgesehen, dass Walter künftig das Land Niedersachsen auch im EU-Ausschuss der Regionen (AdR) vertritt. Das 329 Mitglieder zählende Gremium soll der föderalen Struktur und den regionalen Eigenheiten der EU-Mitgliedstaaten Rechnung tragen. Zuletzt vertrat Wunderling-Weilbier das Land Niedersachsen, vorher war die damalige Europaministerin Birgit Honé in dem Ausschuss aktiv und nutzte ihre Tätigkeit dort, um sich mit anderen europäischen Regionalpolitikern zu vernetzen. Die verschiedenen Regionen entsenden in dieses Gremium mit relativ wenig Einfluss auf die EU-Gesetzgebung Politiker von ganz unterschiedlichem Format. Niedersachsen erhofft sich von einer Ministerin mehr Gewicht und Ansehen im AdR und in Brüssel insgesamt. In Hannover soll die künftige Europaministerin Walter nun Teil der Staatskanzlei sein. Wie genau das geregelt wird, ist noch nicht bekannt und soll erst ab dem 20. Mai entschieden werden. Zu den offenen Fragen gehört auch, ob die Ministerin eine eigene Kommunikationsabteilung haben wird. In Berlin soll derweil die neue Staatssekretärin Veronika Dicke die Leitungsspitze der Landesvertretung (aktuell Abteilung 3) übernehmen. Weitere Veränderungen seien in Berlin aktuell nicht geplant, erklärt die Staatskanzlei. Dienststellenleiter Axel Rienhoff soll wohl auf dieser Position bleiben.
Spannend sind solche Zuordnungen immer auch mit Blick auf die Details: Wer springt ein, wenn Europaministerin Walter verhindert ist und in den ihr zugeordneten Abteilungen dringende Entscheidungen zu treffen sind? Möglich wäre, dass die Aufgabe dann Staatssekretärin Dicke zufällt – die allerdings in Berlin sitzt, nicht in Hannover. Daher läge wohl näher, dass Frank Doods als Chef der Staatskanzlei in diesem Fall aktiv wird – oder aber, das wäre die nächste Variante, einer der Abteilungsleiter. Derartige Regeln sind meist sehr kompliziert, vom Wirkungsgrad der jeweiligen Amtsinhaber abhängig und damit nicht so einfach festzulegen. Klarheit dürfte das Organigramm schaffen, dass ziemlich bald nach der geplanten Neuwahl des Ministerpräsidenten auf der Website der Staatskanzlei einsehbar sein dürfte.
Unklar ist zurzeit auch noch, wer künftig Niedersachsen regulär im Bundesrat vertreten wird. Das Land hat in der Länderkammer sechs Stimmen, die zurzeit von Stephan Weil (SPD), Julia Willie Hamburg (Grüne), Wiebke Osigus (als „Bundesratsministerin“), Christian Meyer (Grüne), Daniela Behrens (SPD) und Andreas Philippi (SPD) wahrgenommen werden. Stellvertretende Mitglieder sind die übrigen Kabinettsmitglieder Olaf Lies (SPD), Gerald Heere (Grüne), Falko Mohrs (SPD), Miriam Staudte (Grüne) und Kathrin Wahlmann (SPD). Wie diese Positionen künftig verteilt werden, soll das neue Kabinett ebenfalls am 20. Mai entscheiden. Teilnahme und Rederecht im Bundesrat werden aber in aller Regel kollegial nach thematischer Zuständigkeit verteilt. Offen bleibt hier nur die Frage, welche Kompetenz die designierte Staatssekretärin Dicke in Fragen der Koordination bekommen soll. Sie ist zwar Osigus-Nachfolgerin als zentrale Vertreterin des Landes in Berlin – aber gleichzeitig hat sie gegenüber den Bundesratsmitgliedern den Nachteil, „nur“ Staatssekretärin zu sein.