Die AfD-Fraktion im niedersächsischen Landtag hat sich in drastischen Worten über die Art und Weise beschwert, wie die anderen politischen Gruppierungen mit ihr umgehen. Gleichzeitig offenbart die Fraktion in der aktuellen Klageschrift, die sie dem Staatsgerichtshof in Bückeburg vorgelegt hat, ein zumindest merkwürdiges Rechtsverständnis. In der Klage geht es darum, dass sich die AfD in ihren Rechten verletzt sieht, weil sie nach einer Änderung des Gesetzes über die Gedenkstättenstiftung nicht im Beirat vertreten sein kann – bis Anfang dieses Jahres stand eine solche Vertretung jeder Landtagsfraktion zu.

In der 18 Seiten starken Klageschrift, die dem Politikjournal Rundblick vorliegt, beschwert sich die AfD-Fraktionsvorsitzende Dana Guth über die „Altparteien“, die die AfD strikt ablehnen würden. Dann führt sie aus: „Die AfD kritisiert im Wesentlichen die Rechtsverletzungen durch diese Politik. Sie ist eine Partei des Rechts und wird wohl deswegen als ,rechtspopulistisch‘ beschimpft. Wer sich im Namen des Volkes für das Recht einsetzt, ist populistisch, denn der allgemeine Wille des Volkes, des populus, ist die Wirklichkeit des Rechts.“ Diese Vorstellung kann man so interpretieren, dass der jeweilige Volkswille das Recht bestimmen kann – also auch Rechtssetzungen verändern und aufheben könnte. Der Hinweis auf den „allgemeinen Willen“ knüpft an den Rechtsphilosophen Jean-Jacques Rousseau an – und wurde früher auch von diktatorischen Regimen missbraucht. Die bürgerliche Vorstellung der Rechtsordnung beruht hingegen auf individuellen Persönlichkeitsrechten, auch gegenüber dem Staat, die nicht von einer Volksmehrheit oder einem „gesunden Rechtsempfinden“ aufgehoben werden können. Ob die AfD sich davon nun abwendet und mit Rousseau eine neue, populistische Rechtsordnung aufbauen will, wird aus dem Schriftsatz indes nicht deutlich.


Lesen Sie auch:

Kommentar: Die AfD zu stigmatisieren ist kein Weg, ihren Provokationen zu entgehen


In der Klageschrift beklagt Guth außerdem einen „Empörungsmoralismus“ im Landtag. Sie führt das so aus: „Weil rechtliche Maßnahmen gegen die neue Partei wegen derer uneingeschränkter Legalität nicht zur Verfügung stehen, wird der Empörungsmoralismus aktiviert. Das vermeintlich Gute wird gegen das vermeintlich Böse in Stellung gebracht. Was immer das Böse sei, es wird von den herkömmlichen Parteien und den Medien, die diese unterstützen, der ,Alternative für Deutschland‘ und deren Mitgliedern und Funktionsträgern angelastet.“ Von „Diskriminierung der AfD“ ist im weiteren Verlauf der Schrift die Rede, diese sei „ein Tort gegen das Rechtsprinzip“. Maßgeblich für die Entscheidung, die AfD aus dem Beirat für die Gedenkstätten herauszuhalten, seien keine Argumente gewesen, sondern „aus der Luft gegriffene Befürchtungen“. Damit wird Bezug genommen auf die damalige Debatte. Als SPD und CDU, Grüne und FDP sich im Frühjahr 2018 entschlossen hatten, die Regeln für die Zusammensetzung des Beirates der Gedenkstätten-Stiftung zu ändern, wurde das begründet mit Hinweisen von Überlebenden des Holocaust. Diese hätten ihren Rückzug für den Fall angekündigt, dass die AfD in dem Gremium zur Begleitung der Gedenkstätte im früheren Konzentrationslager Bergen-Belsen vertreten sein würde.

Aus Sicht der AfD ist diese Argumentation nicht überzeugend, da die Sorgen, die AfD würde den Holocaust verharmlosen oder im Stiftungsrat antisemitische Meinungen vertreten, „ohne jede Grundlage“ seien. „Auch revisionistische oder antisemitische Meinungen“ würden von der AfD nicht vertreten. Sofern derartige Behauptungen vertreten werden, betreffe das nicht Mitglieder und schon gar nicht Funktionäre oder Mandatsträger der AfD, heißt es in der Klageschrift. Dann wird hinzugefügt, dass die AfD „der Islamisierung Deutschlands kritisch gegenübersteht“, und es folgt noch der Satz: „Antisemiten werden aus der AfD ausgeschlossen.“ Zum Abschluss der Schrift wird hervorgehoben: „Die AfD steht zur Verantwortung Deutschlands für die Schuld des Nationalsozialismus des Dritten Reichs. Das schwere Unrecht, das von Deutschen im Namen Deutschlands verübt worden ist, ist der tiefere Grund, warum die AfD gegen jedes erneute Unrecht in Deutschland leidenschaftlich kämpft und sich gegen jede Art eines neuen Faschismus in Deutschland zur Wehr setzt.“