11. Okt. 2017 · 
Bildung

Niedersachsen 2022: Über die Bildungspolitik entscheidet der Finanzminister

Die neue Legislaturperiode steht an – wie wird sich Niedersachsen im Jahr 2022 verändert haben? Der Rundblick wagt einen Blick voraus – in zwei Varianten. Heute Teil fünf: Die Bildungspolitik. Variante A: Der Wirtschaftsmotor brummt, Geld ist in Hülle und Fülle vorhanden und die neue Landesregierung legt auch finanziell einen klaren Schwerpunkt auf Bildungspolitik. Wird Niedersachsen so der PISA-Meister unter den Bundesländern? Der Lackmustest kommt im Jahr 2020. In diesem Schuljahr wird der erste Jahrgang in Niedersachsen wieder das Abitur nach 13 Jahren ablegen, nachdem Rot-Grün das ungeliebte „Turbo-Abi“ abgeschafft hatte. Die Umstellung bedeutet aber auch, dass noch einmal deutlich mehr Lehrer benötigt werden. Eine Landesregierung, die sich das Thema Bildung ganz oben auf die politische Liste geschrieben und die entsprechende Rückendeckung des Finanzministers hat, würde vom ersten Tag der Regierungszeit an Lehrer über Bedarf einstellen. Wer nicht mehr über eine Unterrichtsversorgung von 98,9 sondern von 103 oder 104 Prozent spricht, der hat den Sprung ans sichere Unterrichts-Ufer geschafft. Und weil die Priorität klar gelegt und das Geld vorhanden ist, wird auch in anderen Bereichen geklotzt und nicht gekleckert. Alle Lehrkräfte werden nach A13 bezahlt, was nicht nur zur Gerechtigkeit in der Berufsgruppe beiträgt, sondern Niedersachsen auch noch einen Wettbewerbsvorteil für Niedersachsen im Vergleich zu den anderen Bundesländern zur Folge hat. Grundschulleiter bekommen durchgängig A 14. Auch im Streit um die Arbeitszeit kommt die Landesregierung den Lehrern entgegen und sorgt so für einen Schulfrieden – sowohl mit Eltern, die sich nicht mehr über den Unterrichtsausfall aufregen, als auch mit Lehrern, die sich bei den Arbeitszeiten nicht mehr ausgenutzt fühlen. Weil es auch bei der Digitalisierung, einem weiteren Schwerpunkt der neuen Landesregierung, in Sieben-Meilen-Stiefeln vorangeht, arbeiten die Schüler in Niedersachsen mit Freude und Erfolg in der Bildungscloud. Sie stemmen gemeinsame Projekte, der Austausch von Unterrichtsmaterialen stärkt landauf, landab die Unterrichtsqualität. Auch der Streit um die Inklusion ist beigelegt. Immer mehr multiprofessionelle Teams sorgen für Entlastung in den Schulen, der heftige Inklusions-Streit ist  durch einen sanfteren Übergang vom System der Förderschulen hin zum inklusiven Unterricht an allgemeinbildenden Schulen entschärft. Die Schwarz-oder-Weiß-Debatte in Sachen Inklusion aus dem Wahlkampf gehört der Vergangenheit an. Lesen Sie in der Serie „Niedersachsen 2022“:   Variante B: Der Konjunkturmotor stottert, das Geld wird knapp. Und in der Bildungspolitik ist politisch eher kleckern als klotzen angesagt. Kommen die Schulen in Niedersachsen so vom Fleck? Das Geld ist der Schlüssel, und dieser Schlüssel bleibt in der Aktentasche des Finanzministers. Für die Schulen in Niedersachsen bleiben damit die alten Probleme erhalten. An den Schulen fehlen Lehrer. Das betrifft die Gymnasien, wo durch das Abitur nach neun Jahren deutlich mehr Lehrer benötigt würden. Die Unterrichtsversorgung sackt dadurch ab, liegt inzwischen weit unter der Marke von 100 Prozent. Aber auch die anderen Schulformen bekommen Probleme. Wer will schon nach einem Studium für weniger Geld an eine Hauptschule auf dem Land? Viele lassen sich dann doch lieber gleich zum Gymnasiallehrer ausbilden und bewerben sich auf die raren freien Stellen in den Städten. Auch mit der Digitalisierung geht es nicht wie gewünscht voran. Die Folge: Die Landespolitik versucht sich weiter mit wenigen Vorzeigeprojekten über Wasser zu halten. Ein paar Tablet-Klassen hier, ein bisschen Bildungscloud dort – von der Digitalisierung des Klassenzimmers ist man 2022 genauso weit entfernt wie im Jahr 2017. Weiterbildungen für die Lehrer sind da gar nicht nötig – für viele Lehrer ist die Digitalisierung in der Schule immer noch ein böhmisches Dorf. Kritisch wird die Situation in den Berufsschulen. Bereits zu Beginn der Legislaturperiode drohte diese Schulform der Vernachlässigung anheim zu fallen. Inzwischen liegt die landesweite Unterrichtsversorgung im Durchschnitt sogar unter 80 Prozent und die Unternehmen protestieren täglich. Vor allem auf dem Land fehlt es an der nötigen Breitbandversorgung, die Gebäude sind teilweise in einem bedauernswerten Zustand. Die Landesregierung kämpft am Ende der Legislaturperiode an allen Ecken und Ende der Bildungspolitik: Die Lehrer gehen wegen ihrer Arbeitszeit endgültig auf die Barrikaden, die Eltern protestieren wegen des Unterrichtsausfalls und die Unternehmen fürchten um ihre Zukunft wegen ausbleibender Auszubildender. Wo soll das nötige Geld für die Bildung herkommen – das wird die zentrale Frage im Landtagswahlkampf 2022. (MB.)    
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #179.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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