Habt ihr schon die Haftbefehl-Doku gesehen? Klaus Wallbaum überraschte mich am Montag ein wenig mit dieser Frage. Er war zwar nicht der erste, der sie mir gestellt hatte – aber der letzte, von dem ich es erwartet hätte. Das war der Beweis: Haftbefehl ist nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, er strahlt bereits weit ins bürgerliche Lager hinein.

Die Netflix-Doku über Aykut Anhan, wie der Rapper aus Offenbach mit bürgerlichem Namen heißt, bewegt die Leute seit Wochen. Direkt am Tag nach der Veröffentlichung hörte ich in einem Café, wie sich am Nachbartisch drei Frauen darüber unterhielten. Die sei gar nicht voyeuristisch, versicherte eine Mittzwanzigerin ihrer Mutter. Anschließend berichtete sie ausführlich über die vom Drogenkonsum deformierte Nase des Musikers.
Bislang konnte ich mich dem kollektiven Druck widersetzen. Ich habe die Doku bis heute noch nicht gesehen. Mir war Haftbefehl lediglich ein Begriff, weil er in der Nähe vom Lister Platz hier in Hannover kürzlich mal ein Restaurant aufgemacht hatte. Das „Haftis“ gibt’s inzwischen aber schon seit über einem Jahr nicht mehr. Jetzt sind da die „Reisprinzen“ drin. Dass Sebastian Krumbiegel dort Sushi verkauft, ist aber nur ein Gerücht.
Drei konkrete Konsequenzen lassen sich unterdessen aus der Haftbefehl-Doku ableiten. Erstens: Keine Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat je so viel für die Drogenprävention geleistet wie die Bilder von Haftis Matschnase. Zweitens: Mehrere Generationen lernen gerade, dass Reinhard Mey mehr Lieder gemacht hat als nur „Über den Wolken“. Drittens: Klaus Wallbaum weiß jetzt, wer der Babo ist.
Im niedersächsischen Landtag gibt’s diese Woche wohl keine „aktuelle Stunde“ und auch keine „dringliche Anfrage“ zu Haftbefehl und seinen Folgen. So bleibt der Voldemort vom Main einstweilen bloß Kolumnen-Stoff. Im Rundblick finden Sie derweil diese Themen, von denen einige auch für Anhan relevant sein könnten:
„In meinem Garten, in meinem Garten / Blühte blau der Rittersporn“, so summt es Haftbefehl in seiner Doku und wir alle summen mit. Haben Sie einen guten Dienstag!
Ihr Niklas Kleinwächter


