18. Nov. 2025 · 
TagesKolumne

Nicht mehr nur Chabos wissen, wer der Babo ist

Das TV-Ereignis des Jahres: Rapper Haftbefehl kämpft gegen den Schnee. Damit erreicht er gerade auch bürgerliche Schichten. Und bringt Reinhard Mey zurück in die Charts.

Habt ihr schon die Haftbefehl-Doku gesehen? Klaus Wallbaum überraschte mich am Montag ein wenig mit dieser Frage. Er war zwar nicht der erste, der sie mir gestellt hatte – aber der letzte, von dem ich es erwartet hätte. Das war der Beweis: Haftbefehl ist nicht nur in der Mitte der Gesellschaft angekommen, er strahlt bereits weit ins bürgerliche Lager hinein.

Schnee ist böse: In einer aktuellen Doku schauen alle Haftbefehl beim Drogenkampf zu. (Symbolfoto) | Foto: RyanJLane

Die Netflix-Doku über Aykut Anhan, wie der Rapper aus Offenbach mit bürgerlichem Namen heißt, bewegt die Leute seit Wochen. Direkt am Tag nach der Veröffentlichung hörte ich in einem Café, wie sich am Nachbartisch drei Frauen darüber unterhielten. Die sei gar nicht voyeuristisch, versicherte eine Mittzwanzigerin ihrer Mutter. Anschließend berichtete sie ausführlich über die vom Drogenkonsum deformierte Nase des Musikers.

Bislang konnte ich mich dem kollektiven Druck widersetzen. Ich habe die Doku bis heute noch nicht gesehen. Mir war Haftbefehl lediglich ein Begriff, weil er in der Nähe vom Lister Platz hier in Hannover kürzlich mal ein Restaurant aufgemacht hatte. Das „Haftis“ gibt’s inzwischen aber schon seit über einem Jahr nicht mehr. Jetzt sind da die „Reisprinzen“ drin. Dass Sebastian Krumbiegel dort Sushi verkauft, ist aber nur ein Gerücht.

Drei konkrete Konsequenzen lassen sich unterdessen aus der Haftbefehl-Doku ableiten. Erstens: Keine Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat je so viel für die Drogenprävention geleistet wie die Bilder von Haftis Matschnase. Zweitens: Mehrere Generationen lernen gerade, dass Reinhard Mey mehr Lieder gemacht hat als nur „Über den Wolken“. Drittens: Klaus Wallbaum weiß jetzt, wer der Babo ist.

Im niedersächsischen Landtag gibt’s diese Woche wohl keine „aktuelle Stunde“ und auch keine „dringliche Anfrage“ zu Haftbefehl und seinen Folgen. So bleibt der Voldemort vom Main einstweilen bloß Kolumnen-Stoff. Im Rundblick finden Sie derweil diese Themen, von denen einige auch für Anhan relevant sein könnten:

  • Ausbildung: Freie Stellen, unversorgte Jugendliche: Aus seinem Ausbildungsreport lassen sich Schlüsse ziehen, an welchen Stellen beim „Matching“ nachgebessert werden muss, meint der DGB.


  • Suchthilfe: Über die „politische Liste“ erhält die Suchthilfe 500.000 Euro. Doch der Bedarf ist größer, sagt die Diakonie. Größtes Problem ist Alkohol: Corona habe die Lage zugespitzt.


  • ÖRR: Was passiert, wenn Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen-Anhalt den NDR oder den MDR verlassen? Es könnte zu einer ernsten Krise des Rundfunksystems in Deutschland kommen.


  • Kabinett: Da riesige Summen an Bundes- und Landesgeld an Unternehmen und Kommunen gegeben wird, soll die Vergabe vereinfacht werden. Einige Schritte dazu stellt Finanzminister Heere vor.


  • Personen und Positionen: Johann Kühme, Timo Zipf, Berend Groeneveld, Elke Maria van Zadel und Jan-Philipp Beck.

„In meinem Garten, in meinem Garten / Blühte blau der Rittersporn“, so summt es Haftbefehl in seiner Doku und wir alle summen mit. Haben Sie einen guten Dienstag!

Ihr Niklas Kleinwächter

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #204.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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