18. Sept. 2023 · Finanzen

Neuer Plan: Wenn das Land Darlehen weiterreicht, wird Schuldenbremse ausgesetzt

Die Vorschriften im Grundgesetz und auch in den Gesetzen des Landes sind sehr streng: „Der Haushalt ist ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“, heißt es in Artikel 71 der Landesverfassung. Dieses Verbot der Neuverschuldung, umgangssprachlich gern „Schuldenbremse“ genannt, soll nun nach den Plänen der rot-grünen Regierung aufgeweicht werden. Der Vorschlag für ein „Haushaltsbegleitgesetz“ sieht vor, unter bestimmten Umständen die Aufnahme von Darlehen doch zu gestatten – dann nämlich, wenn das Land Darlehen aufnimmt und diese weiterreicht an Institutionen, die damit etwas Werthaltiges schaffen.

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Diese kleine Änderung an der Landeshaushaltsordnung (LHO), die unspektakulär als eine von mehreren Punkten im Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes verpackt ist, kann riesige Wirkungen haben – sie kann dazu dienen, die kräftige Ausstattung von bestimmten Sondervermögen sicherzustellen. Das können Investitionsprogramme für verschiedene Zwecke sein, vom Krankenhausbau über die Digitalisierung bis zum Klimaschutz. Die Leiterin der Haushaltsabteilung im Finanzministerium, Martina Wethkamp, weist den Verdacht einer Aushebelung der Schuldenbremse indes strikt zurück: „Es geht hier lediglich um eine technische Veränderung im Detail. Da ist nicht die Absicht dahinter, eine Wende bei der Schuldenbremse zu erreichen.“

Gerald Heere und Martina Wethkamp stellen den Entwurf des zweiten Nachtragshaushaltsplans vor. | Foto: Wallbaum

Wie Wethkamp erläutert, ist die jetzt vorgeschlagene Änderung bereits Bestandteil der Schuldenbremse-Gesetze des Bundes und der meisten Länder, der Stabilitätsrat habe es außerdem empfohlen. Es sei vielmehr so gewesen, dass Niedersachsen bisher – in der Verantwortung von Finanzminister Reinhold Hilbers – einen anderen Weg eingeschlagen und auf die Möglichkeit bewusst verzichtet habe. Die Schuldenbremse sieht bisher sowieso einige Ausnahmen vom Kreditaufnahmeverbot vor: zunächst im Fall einer konjunkturellen Delle und im Fall der Notlage (wie bei der Corona-Pandemie). Dann ist noch vorgesehen, dass das Land Kredite aufnehmen kann, wenn es dafür Beteiligungen erwirbt (etwa an Unternehmen wie VW, Salzgitter-Stahl oder Nord/LB). Das ist auch in Niedersachsen so geregelt.

Viele Länder sehen darüber hinaus noch einen weiteren Fall als Ausnahme vor, nämlich die Darlehensvergabe. Das will Rot-Grün jetzt auch in Niedersachsen durchsetzen, der Paragraph 18a der LHO soll daher verändert werden. Das bedeutet nun konkret: Das Land soll künftig trotz Schuldenbremse Darlehen aufnehmen können, wenn diese an Dritte weitergegeben werden. Bedingung ist aber, dass diese Darlehen „werthaltig“ sein müssen. Das heißt, der Empfänger muss sie nicht nur zurückzahlen können, sondern sie tatsächlich auch zurückzahlen. Im Gegenzug wird mit der Neuregelung allerdings auch der Umkehrschluss anders definiert: Rückgezahlte Darlehen an das Land (es sind derzeit jährlich rund 18 Millionen Euro) dürfen dann nicht mehr zur Deckung laufender Ausgaben des Landes verwendet werden. Was die Rückflüsse angeht, ist hier also im Gegenteil eher eine Verstärkung der Wirkung der Schuldenbremse angestrebt.  



Was bringt die Neuregelung dem Land? Gibt es mehr Spielraum bei Ausgaben? Vorstellbar wäre das wohl nur, sobald es um Darlehensprogramme geht – etwa für Kommunen, für kommunale Wohnungsgesellschaften oder für Einrichtungen, die investieren wollen und mit dem Geld Werte schaffen, die wiederum eine Rückzahlung der Darlehen ermöglichen. Die steigenden Zinsen nach den jüngsten Entscheidungen der Europäischen Zentralbank lassen den Bedarf an zinsgünstigen oder zinslosen Kreditangeboten des Landes für Investitionen auf jeden Fall wieder wachsen. Das gilt auch für die Wirtschaftsförderung, in der die N-Bank bereits jetzt mit zinsgünstigen Angeboten aktiv ist.

Sollte sich die immer wieder angekündigte, in ihren Ausprägungen aber noch nicht klar erkennbare Landeswohnungsgesellschaft darauf konzentrieren, zinsgünstige Darlehen an die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsgesellschaften zu vergeben und so den Wohnungsbau anzukurbeln, so würde ihr das Geschäft mit der Neufassung der LHO tatsächlich erleichtert werden. Das gilt auch für den Fall, dass die Landeswohnungsgesellschaft die vom Land empfangenen Darlehen dazu nutzt, alte und sanierungsbedürftige Wohnungen am Markt zu erwerben und aufzumöbeln. In der rot-grünen Koalition wird aber darauf hingewiesen, dass es für eine solche Spekulation viel zu früh sei – noch würden sich die Umrisse der Landeswohnungsgesellschaft nicht einmal grob abzeichnen.

Dieser Artikel erschien am 19.9.2023 in Ausgabe #161.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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