15. Apr. 2024 · 
Landwirtschaft

Neuer Nährstoffbericht: Zeichen der Hoffnung, aber keine Entwarnung beim Gewässerschutz

Sinkende Zahlen der Schweine-Population und ein geringerer Einsatz von Mineraldünger lassen den Nährstoffüberschuss in Niedersachsens Landwirtschaft weiter sinken. Zurückführen lassen sich diese beiden Entwicklungen allerdings vorrangig auf globale Ereignisse: auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und infolgedessen auf gestiegene Energiekosten, die den Preis für Mineraldünger in die Höhe trieben. Maßgeblich sind auch Exportrestriktionen für Schweinefleisch als Folge der ersten Fälle von „afrikanischer Schweinepest“ in Deutschland, woraufhin sich die Schweineproduktion ins Ausland verlagert hat.

Nichtsdestotrotz freut sich Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) über den insgesamt positiven Trend, der aus dem elften Nährstoffbericht der Landwirtschaftskammer abgelesen werden kann: Aufs gesamte Land gerechnet konnte das Stickstoffdüngesaldo noch weiter verringert werden um minus 16.219 Tonnen Stickstoff auf zuletzt minus 50.461 Tonnen. Auch den Grenzwert der Düngeverordnung von 170 Kilogramm pro Hektar unterschreitet Niedersachsen insgesamt um 62 Kilogramm.

Agrarministerin Miriam Staudte diskutiert bei der Vorstellung des Nährstoffberichts in Hannover mit Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Schwetje. | Foto: Kleinwächter

Dennoch hält die Ministerin fest: „Es besteht weiterhin Handlungsbedarf.“ Denn vier Landkreise fallen weiterhin negativ auf: Cloppenburg, Vechta, Emsland und Grafschaft Bentheim weisen noch immer positive Stickstoffdüngesalden aus. Der Landkreis Cloppenburg überschreitet zudem nach wie vor den Grenzwert der Düngeverordnung. Im Berichtszeitraum vom 1. Juli 2022 bis 30. Juni 2023 ermittelte die Düngebehörde dort einen Wert von 189 Kilogramm pro Hektar, im benachbarten Vechta wurde mit 165 Kilogramm pro Hektar der Grenzwert schließlich unterschritten.

Für den Landkreis Cloppenburg kündigte Staudte deshalb nun einen „runden Tisch“ an, an dem das Landvolk, die Landwirtschaftskammer, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sowie die untere Wasserbehörde des Landkreises und womöglich auch Umweltverbände Platz nehmen sollen. Gemeinsam will man dann nach Wegen suchen, wie der Stickstoffüberschuss auf den Feldern noch weiter verringert werden kann. Staudte sieht Osnabrück als positives Beispiel, wo ein solcher Ansatz bereits Erfolge gezeigt habe.

Die Grafik zeigt den Stickstoffüberschuss in den niedersächsischen Kreisen. Im Landkreis Cloppenburg ist die Obergrenze deutlich überschritten worden. | Quelle: ML

Erfolg auf Kosten Spaniens

Der Dunganfall aus der Nutztierhaltung ist in Niedersachsen im Berichtszeitraum nicht zuletzt deshalb rückläufig, weil sich die Zahl der Schweine um rund 782.000 Tiere verringert hat – ein Ziel, das die rot-grüne Landesregierung durchaus unterstützt. Die Produktion verlagert sich derweil in andere Länder, insbesondere nach Spanien. Die Zustände dort hat sich der Agrarausschuss des Landtags kürzlich angesehen und festgestellt, dass die Spanier nun ein erhebliches Gülleproblem haben – sowie Ärger mit der EU bekommen wegen eines unzureichenden Schutzes ihres Grund- und Oberflächenwassers. Schönt Niedersachsen also seine Nährstoffbilanz bloß auf Kosten anderer Länder? Agrarministerin Staudte sieht das nicht so und verweist auf Rundblick-Nachfrage auf den insgesamt sinkenden Konsum von Schweinefleisch. Spanien sei gut beraten, den Fehler Niedersachsens nicht zu wiederholen und einseitig auf die Produktion von Schweinefleisch zu setzen. Dabei drohe man die Gewässerschutzziele zu vernachlässigen.

Kaum Effekt im Grundwasser

Zeigen Niedersachsens Bemühungen an der Oberfläche überhaupt Wirkung in der Tiefe? Ein Blick auf die Grundwasser-Messstellen, an denen ein Nitratgehalt von mehr als fünf Milligramm pro Liter ermittelt wurde, gibt der Agrarministerin wenig Grund zur Freude: In der Fläche tut sich scheinbar gar nichts, mancherorts steigt der Nitratgehalt im Grundwasser sogar, andernorts fällt er. Allerdings muss man einschränken: Zum elften Mal wurde jetzt ein Nährstoffbericht vorgelegt, die meisten Maßnahmen griffen erst nach Regelverschärfungen 2017 – und Wasser braucht Zeit, bis es unten ankommt.

Positiver Trend: Nur noch der Landkreis Cloppenburg übersteigt im Durchschnitt rechnerisch die in der Düngeverordnung des Bundes festgelegte 170 kg N-Obergrenze der Stickstoffaufbringung aus organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln. | Foto: Landwirtschaftskammer Niedersachsen/Wolfgang Ehrecke

Die Botschaft der Ministerin soll deshalb wohl eher lauten: Kurs halten, wir sind eben noch lange nicht am Ziel. Der Verweis auf die Messstellen sollte womöglich den Forderungen nach Lockerungen zuvorkommen. Uwe Dorendorf übernahm dies für die CDU-Landtagsfraktion. „Die heute im Nährstoffbericht veröffentlichten Zahlen sind Ausdruck der erheblichen Anstrengungen landwirtschaftlicher Betriebe bei der Verringerung von Umweltwirkungen der Produktion sowie der Gewährleistung von Gewässerschutz im vergangenen Jahr. Warum der Bericht trotz anerkennenswerter Zahlen ‚hohe landwirtschaftliche Nährstoffeinträge‘ beklagt, ist für uns nicht ersichtlich“, erklärte der Agrarpolitiker und forderte, die düngerechtlichen Einschränkungen in den sogenannten „roten Gebieten“ mit erhöhter Nitratkonzentration im Grundwasser schnellstmöglich zu überprüfen.

Viele Verstöße beim Dokumentieren

Die Düngebehörde führte außerdem erneut Kontrollen durch. Insgesamt 921 Betriebe wurden dahingehend unter die Lupe genommen, ob sie die Vorgaben der verschiedenen düngerechtlichen Verordnungen korrekt umgesetzt haben. Bei 2047 Kontrollen kam es demnach zu 1159 Beanstandungen, wobei die hohe Quote mit dem risikobasierten Ansatz der Kontrollbehörde zu erklären ist: Man schaut sowieso nur dorthin, wo Probleme vermutet werden. Die Zahl der erwähnenswerten Vorkommnisse sinkt anschließend noch weiter. Lediglich bei 187 Fällen wurden Buß- und Verwarngelder erhoben, bei fast 80 Prozent wurden die Verfahren eingestellt. Häufig handelte es sich lediglich um Dokumentationsverstöße.

Ansatz für Bürokratieabbau

Lässt sich daraus ableiten, dass die Dokumentationspflichten viele Landwirte überfordern? Kammerpräsident Gerhard Schwetje sieht hier einen Ansatz für den viel beschworenen Bürokratieabbau. Das Dünge-Dokumentationssystem „Enni“ habe sich bewährt, sei wichtig für die Transparenz und werde von anderen Ländern kopiert, lobte er. Die „Stoffstrombilanz“ sei seiner Ansicht nach aber nicht erforderlich, um den Nährstoffüberschuss auch künftig weiter zu verringern. Agrarministerin Staudte zeigte sich skeptisch, was die Kritik an der über eine Bundesverordnung vorgeschriebene „Stoffstrombilanz“ angeht. Es sei wichtig, Daten zu erfassen, um entsprechende Handlungen transparent machen zu können, meinte sie.

Folge des Hochwassers

Je länger das Wasser auf den Feldern steht, desto länger muss die Gülle gelagert werden, bevor man sie auf den Acker bringen kann. Staudte begrüßt deshalb, dass die verpflichtenden Lagerkapazitäten 2017 erhöht wurden, und sie wirft die Frage auf, ob diese Verpflichtungen nicht noch weiter ausgeweitet werden müssten, wenn sich der Trend zu Überflutungen verstetigt. Auch die Frage, ob anhaltend hohe Wasserstände zu Auswaschungen und damit zu notwendigen Veränderungen der Grenzwerte führen müssten, ließ die Ministerin offen.

Dieser Artikel erschien am 16.4.2024 in Ausgabe #070.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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