20. Juli 2021 · 
Umwelt

Neuer Erlass: Windenergie hat Vorrang vor Artenschutz

Umweltminister Olaf Lies (SPD) hat am Dienstag den neuen Windenergie-Erlass vorgestellt, der zuvor vom Kabinett beschlossen worden war. Das Papier ist eine Handlungsanleitung an kommunale Genehmigungsbehörden, die über Anträge von Bauwilligen befinden müssen – und nach den Worten von Lies wird mit den neuen Richtlinien eine „erhebliche Verbesserung“ erwartet. Bisher sei es nämlich so, dass der juristische Streit das Haupthindernis für einen Fortschritt beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ist.

Künftig werden 2,1 Prozent der Landesfläche für Windräder reserviert - Foto: kamisoka/Getty Images

Ende 2020 hätten Anträge für neue Windräder im Umfang von einem Gigawatt Energie vorgelegen, also eine durchaus beachtliche Zahl. „Aber 80 Prozent davon wurden durch Klagen und Widersprüche aufgehalten“, fügt Lies hinzu. Oft dauere es mehrere Instanzen und viele Jahre, bis Entscheidungen vorlägen, immer neue Urteile von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten müssten berücksichtigt werden. Der neue Erlass beinhalte nun die wesentlichen juristischen Wegmarkierungen, außerdem arbeite man noch an einem Leitfaden für den Artenschutz.

Mehr Klarheit beim Artenschutz

Das Problem liegt hier laut Lies an der fehlenden verlässlichen Grundlage. Wie der Artenschutz beim Bau von Windkraftanlagen gewichtet werden muss, orientiere sich bisher nach den Worten des Ministers am „Helgoländer Papier“, das den Nachteil habe, weder bundeseinheitlich noch letztlich verbindlich zu sein. Zwischen den Umweltministerien der Bundesländer werde deshalb schon länger darüber beraten, wie man hier die Vorgaben verbessern könne. Ziel müsse es sein, so betont Lies, nicht schon das Vorkommen eines einzelnen Exemplars einer gefährdeten Vogelart als Einwand gegen eine Windenergieanlage zuzulassen. Definiert werden solle, welche Anzahl einer seltenen Art in welchem Abstand zur geplanten Anlage ungestört leben können soll – und was in dieser Konstellation bis zu welcher Grenze beim Bau eines Windrades noch verträglich ist.

Man kann nicht Naturschutz, Artenschutz, Klimaschutz und Hochwasserschutz gleichzeitig als oberste Priorität festlegen. Man muss dann den Mut haben, die Reihenfolge der Prioritäten aufzustellen.

Ein „Signifikanzrahmen“ solle das zu allgemeine und interpretationsbedürftige „Helgoländer Papier“ ablösen. Je klarer dann die Vorgabe der Landesregierung sei, desto weniger könnten Gerichte einen eigenen Interpretationsspielraum nutzen und definieren. Lies rechtfertigt, dass bei dieser Konstellation auch Abstriche vom strikten Artenschutz nötig seien. „Man kann nicht Naturschutz, Artenschutz, Klimaschutz und Hochwasserschutz gleichzeitig als oberste Priorität festlegen. Man muss dann den Mut haben, die Reihenfolge der Prioritäten aufzustellen“, hebt Lies hervor.

2,1 Prozent der Fläche für Windräder

Der neue Windenergieerlass erhöht auch die Ansprüche. Hieß es im alten Erlass, dass ein Anteil von 1,4 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen reserviert werden soll, so wird das jetzt auf 2,1 Prozent angehoben – entsprechend den Zielen des Landesraumordnungsprogramms (LROP), das derzeit überarbeitet wird. Sollte das LROP das übernehmen, so wären auch die Vorgaben für die Regionalen Raumordnungsprogramme (RROP) der Landkreise schärfer. „Dann müssten die Kreise das übernehmen – und immer nachprüfbar begründen, wenn sie meinen, ein solches Ziel bei sich nicht umsetzen zu können“, bekräftigt Lies.

Das geplante LROP enthält in Verbindung mit dem jetzt herausgegebenen Windenergieerlass noch weitere Stellschrauben: Windkraftanlagen werden künftig auch in Wäldern (ausgenommen Natur- und Landschaftsschutzgebiete) erlaubt, außerdem bekommen die Gemeinden das Recht, vom Bau neuer Windräder über eine Abgabe zu profitieren. Die Vorgaben von Lärmschutz und Sichtschutz (mögliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes) werden ebenfalls so festgelegt, dass sie in der Praxis gut angewandt werden können. Was bisher noch fehlt und nur vom Bund geregelt werden kann, ist die Chance, an vorhandenen Windenergiestandorten über das „Repowering“ neue und größere Anlagen zu errichten, ohne den Planungs- und Genehmigungsprozess erneut starten und durchlaufen zu müssen.

Ein kräftiger Schub für den Ausbau der Windkraft ist laut Lies vordringlich. Bis 2040 solle der gesamte Strom von Quellen der Erneuerbaren Energie kommen, 30 Gigawatt sollten dann über die Windkraft kommen (heute sind es landesweit 11,5 Gigawatt). Da aber viele alte Anlagen auslaufen und abgeschaltet würden, müsse der Zuwachs kräftiger sein, als es dieser Zahlenvergleich nahelege.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #137.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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